Review

Staffel 1

“SAVE THE CHEELEADER, SAVE THE WORLD”

Der äußere Rahmen der neuen NBC-Erfolgsserie „Heroes“ klingt abgedroschen und wenig innovativ: Eine Gruppe scheinbar normaler Menschen entdeckt, dass sie über unterschiedliche Fähigkeiten verfügen. Ihr Schicksal führt sie zueinander und scheinbar nur sie können eine nahende Katastrophe verhindern…

Was zunächst wie ein überflüssiger Aufguss bekannter Versatzstücke klingt, schafft es, dem Superheldengenre ganz neue Qualitäten und Sichtweisen abzugewinnen. Creator Tim Kring beging nicht den Fehler, bei nahe liegenden Vorbildern wie „X-Men“ zu klauen sondern bietet eine ironische Aufarbeitung der diversen Parallelen, erwähnt die bekannten Vorbilder schon in den ersten Episoden namentlich, zollt sowohl Marvel als auch DC Respekt für den von diesen beiden Verlagen geschaffenen Weg.

„Heroes“ setzt neue Maßstäbe im Serienbereich: Spektakuläre Effekte von selten gesehener Perfektion und Schwindel erregende Kamerafahrten garantieren Unterhaltung auf dem technischen Niveau eines Kino-Blockbusters, versehen mit einer ungeheuer vielschichtigen Geschichte und einem atemberaubenden Tempo. Dennoch steht die plakative Action keineswegs im Vordergrund, vielmehr beschäftigt sich die Serie mit dem differenzierten Seelenleben der einzelnen Charaktere und deren Entdeckung ihrer speziellen Fähigkeiten. Das aufwendige Set-Design vermittelt einen opulenten Eindruck und die Zukunftsfolge „Five Years Gone“ begeistert mit apokalyptischen Bildern eines zerstörten New Yorks, initiiert aber erfreulicherweise keinerlei Anti-Terror-Propaganda. Auf Hurra-Patriotismus wird ebenso verzichtet, wie auch auf simple Heroismen, die der Titel vermuten lässt. Die Protagonisten sind allenfalls auf dem Weg dahin, zu Helden zu avancieren und außer Peter Petrelli und dem Japaner Hiro (sympathisch verkörpert von Masi Oka) setzt sich kaum jemand entschieden dieses Ziel.

Ebenso vielfältig wie die Charakterisierung der Figuren gestaltet sich die Wahl der Kulissen: Mit New York, Los Angeles, Tokio und Las Vegas suchte man sich charakterlich und kulturell sehr abwechslungsreiche Schauplätze aus, ergänzt durch Indien, Texas und weitere grundverschiedene Lokalitäten. Ethnisch durchmischt ist folgerichtig auch die Besetzung, die mit vielen unverbrauchten, fähigen Darstellern gespickt ist, von denen jeder in seiner Rolle zu überzeugen vermag. Besonders Hayden Panettiere, bekannt aus der fünften Staffel „Ally McBeal“, liefert eine sehr reife und glaubwürdige Darstellung ab und hat mit am meisten Screentime.

Eine klare Trennung zwischen Gut und Böse findet nicht statt, viele Figuren ringen innerlich mit sich selbst, selbst der dämonische Killer Sylar bekommt einen tragischen persönlichen Hintergrund und wird keineswegs eindimensional verteufelt. Dasselbe gilt für Mafiaboss Mr. Linderman (Malcolm McDowell), der, ungeachtet seiner wenigen Auftritte, einen Kernpunkt in der Figurenkonstellation bildet, ähnlich wie der Wissenschaftler Mohinder (Sendhil Ramamurthy), der die Arbeit seines toten Vaters weiter führt oder Mr. Bennett (Jack Coleman), der über lange Zeit undurchsichtig bleibt und für eine mysteriöse, scheinbar sehr mächtige Organisation arbeitet, deren Motivation aber nur zaghaft erklärt wird.

Auch ewige Nebendarsteller wie der charismatische, vorher nie groß in Erscheinung getretene Adrian Pasdar, der als fliegender Politiker ebenso eine zentrale Rolle einnimmt wie sein Serienbruder Milo Ventimiglia, der mit Peter Petrelli die wohl zugänglichste Identifikationsfigur für den durchschnittlichen Zuschauer bietet. Gaststars treten nur vereinzelt auf, Eric Roberts, Malcolm McDowell und Richard Roundtree werden mit denkwürdigen, wenn auch nur mit wenig Screentime bedachten, Rollen belohnt für ihr größtenteils unverdientes herumlungern in B-Movie-Gefilden.

Neben bekannten Superheldengeschichten finden sich auch diverse andere Vorbilder in der Popkultur, so zum Beispiel die Anleihen bei Sci-Fi-Visionären wie Ray Bradbury oder Phillip K. Dick und die deutlichen Verweise auf Stanley Kubrick. Letzteren zitiert man in besonders suggestiven Zooms und natürlich im Gesichtsausdruck des Serienkillers Sylar. Dieser Blick des abgrundtief Bösen findet sich in beinahe jedem Kubrick, zum Beispiel in „Clockwork Orange“, „Shining“ oder auch „Full Metal Jacket“. Bemerkenswert ist auch die durchgängige Hommage an das „Star Trek“ Universum – neben vielen direkten Erwähnungen finden sich fast dreißig Mitarbeiter im Stab, die für eine oder mehrere Serien der Reihe gearbeitet haben, ob vor oder hinter der Kamera. Weiterhin gibt es einen netten kleinen Gastauftritt von Stan Lee, eine kleine Verbeugung vor dem Vater diverser Superhelden wie den Fantastischen Vier und vielen mehr.

Anders als beispielsweise „Lost“ beinhaltet die erste Staffel „Heroes“ nur wenig unaufgeklärte Rätsel und versteht sich selbst als Einleitung in ein großes Epos. Auch hier versehen die Macher beinahe jede Episode mit einem Cliffhanger, führen den Zuschauer jedoch nur selten auf Irrwege und setzen auf einen stringenten Erzählstil, bei dem nur wenige Fragen offen bleiben.

Fazit: Tim Kring kreiert mit „Heroes“ ein bombastisches Epos und sprengt alle bisher gebotenen Superlative der modernen High Budget Serien. Die erste Staffel fesselt, verfügt über weit reichendes Potential zur Fortführung der vielen Storylines und lässt den Zuschauer nicht so gemein im Ungewissen wie es bei „Lost“ der Fall ist. „Heroes“ funktioniert gradliniger, mit einem vergleichbaren Tempo und ähnlich hohem Sucht-Faktor. Für Serienfans absolute Pflicht!

9,5 / 10

Als kleines Special für die Fans werden auf der offiziellen Homepage der Serie kurze Graphic Novels veröffentlicht, deren Inhalt zum Verständnis der Story nicht erforderlich ist, dennoch eine nette Ergänzung darstellt. Auf ansehnlichem Niveau gezeichnet sind diese kleinen Happen nur als Gimmick zu verstehen, da sich die Macher der Serie auch in vielerlei Hinsicht auf Comic-Vorbilder berufen, scheint dieser Schritt nur konsequent und steht dem Thema sehr gut.

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