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Es ist selten geworden, dass ein HK Film allein wegen einem Darsteller schon lange vor der Veröffentlichung Aufsehen erregt und man bereits von Beginn der Produktion und ihres vorbereitenden Marketings an gebannt der kommenden Dinge harrt. Meist hat man sich auf einen Regisseur eingeschossen, der eh flächendeckend mit bekannteren Namen arbeitet [ Tsui Hark und Johnnie To z.b. ], wo Einem das Gesamtprojekt allumfassend wässrig gemacht wird. Bei Alteingesessenen wie Chow Yun Fat, Jet Li und natürlich vor allem auch Jackie Chan und mittlerweile Stephen Chow trifft dies auch einzeln zu, aber die Grossen Vier sind seit Jahren fest und prominent im Geschäft und haben sich längere Zeit bis gefühlte Ewigkeiten als Box Office Magneten verdient gemacht.
Hierbei sind sie nicht gecastet, auch nicht weitere Schauspieler, um die ausserhalb HK ein grosses Geschrei gemacht wird. Der Regisseur ist weitgehend unbekannt und das Thema des Filmes klingt - Hand auf Herz - nicht nur sehr belanglos, sondern auch dutzendfach gesehen und diesseits von Brauch und Sitte.
Und der Star in der Mitte ist eigentlich gar keiner. Es steht auch unwahrscheinlich, dass er einer wird; nicht weil er [noch] nicht das Zeug dazu hat, aber seine herausstechenden Fähigkeiten sind heutzutage weniger gefragt als in den 80ern oder zu Beginn der 90er.
Jacky Wu Jing kam erst 1996 zum Film, dort versuchte er sich sofort in dem aussterbenden Metier der Martial Arts flicks und legte unter der Aufsicht von Cheung Yam Yim und Yuen Woo Ping bei Tai Chi 2 seine Gesellenprüfung ab. Anschliessend folgte bereits omenartig das Fernsehen; die folgende Serie Master of Tai Chi unter der gleichen Führung verbannte ihn auf die Mattscheibe statt auf die Leinwand. Die Ergebnisse The New Shaolin Temple, The Swordsman of Flying Dagger, Southern Shaolin und 36th Chamber of Southern Shaolin mögen vielleicht gescheit für ihre Herkunft sein, aber unterliegen mangelnder Verbreitung und Zuspruch.
Bei Kino wie Legend of Zu verschwand er in der Masse Anderer und überhandnehmender Effekte und Drunken Monkey hat schon zu Recht keinen guten Ruf.
Dann kam Sha Po Lang.

Damit die leidige Diskussion und die Vergleiche damit nicht von Beginn weg das Bewusstsein trüben: Wu fiel erstmals einer breiten Masse auf und überzeugte in all seinen Szenen; durfte vornehmlich die Action einheizen und setzte damit einige herausragende Spitzen in dem ansonsten eh als allgemeinen Höhepunkt zu betrachtenden Film.
Fatal Contact als direktes Nachfolgeprojekt des Schauspielers muss natürlich mit einer Betrachtung auf Vorhergehendes rechnen, schliesslich hat er ihm auch den Hype zu verdanken; abgesehen davon ist es ja etwas ganz Eigenständiges, dass auch nie etwas anderes sein wollte und auch von ganz anderen Voraussetzungen ausgeht. Eigentlich sollte die Aufmerksamkeit auch auf Ronald Cheng liegen, der sich seit 2003 in Blödelkomödien der Marke Dragon Loaded, Super Model, Hidden Heroes, Himalaya Singh, Dragon Reloaded, Undercover Hidden Dragon und Mr 3 Minutes austobt und dort erstaunlicher- und beängstigenderweise auch durchgängig kommerziellen Erfolg hat.
Cheng möchte hiermit gerne einen vorübergehend kurzfristigen Genrewechsel ausprobieren und wird auch das Budget angeleiert haben.

Er spielt den Laufburschen "Captain", einen für kleinkriminelle Triaden arbeitenden Chinesen, der zwar fern in der Heimat Kung Fu praktiziert hat, aber hier nur Mädchen für Alles ist. Eines Tages soll er für seinen Boss Ma [ Eddie Cheung ] den Frischling Kong [ Jacky Wu Jing ] und dessen Begleiterin Siu Tin [ Miki Yeung ] unter seine Aufsicht nehmen. Kong ist eigentlich nationaler Kung Fu Champion und gerade mit seiner Chinese Opera Truppe auf Tournee in HK, hat aber auf Anraten und Drängen von Siu Tin einen verhängnisvollen Pakt eingeschlagen: Er kämpft gegen Geld im illegalen Underground und muss sich dort mehr und mehr Gefahren auch von den eigenen Reihen aussetzen.
"Captain" unterstützt ihn dabei mit seiner Art des Trainings.

Der chinesische Originaltitel Hei Quan [ = Dark Fist oder Black Fist ] gab den Film auch seinen englischen Arbeitstitel; die Ankündigung der im April 2006 begonnenen Dreharbeiten lautete noch auf Underground Fist. Dort bezog man sich viel eindeutiger auf eine chinesische Variante von Ong Bak, der auch in HK die Zuschauer anzog und die 10 Millionen Dollar Grenze knackte; ein Signifikant für heimisch laufende Blockbuster.
Sicherlich gleicht man sich vom Thema auch etwas an, aber die Gemeinsamkeiten fallen durch die Unterschiede in Optik, Aufbau und Elementenstruktur gleich wieder heraus; die finale Ausführung ist letztlich ganz anders gehalten.
Wie sich Handlungsverläufe, Situationen, Personentypen, Darstellungsstil und Stimmung mit dem dramatischen Medium ändern, so auch die Bewertungsperspektive.
Fatal Contact möchte gern ein Actiondrama sein. Eine tragödienspezifische Innenschau. Eine Geschichte über die Sorgen einfacher Festlandchinesen, die sich vom Kommunismus zum Kapitalismus übergewechselt an die veränderten Umstände anpassen und sich dabei auch zwangsläufig schnell in die Ausnutzung und Ausbeutung begeben müsen.
Die gegenseitige Abhängigkeit von Aussage und Genre als Gattungsgesetzlichkeit strukturiert diese dunkle Welt des Dramas mit. Hierbei ist sowohl entscheidend, wie der Einzelne innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges beurteilt wird und wie er dieses selber erlebt. Als auch, wie er mit seinen Bedürfnissen und Impulsen die etwaige Aufmerksamkeit und Sympathie selber mitbestimmt.

Erstaunlicherweise gewinnt dabei Ronald Cheng. [Neben Lam Suet als Rand- und Begleiterscheinung] .
Sein Captain als modernde Auffassung der historisch belegten Beggar So Figur macht das Beste aus der Lage. Gedeiht nicht nur in der Preis/Leistungskategorie, sondern hat sich auch generell am schlauesten eingegliedert, ohne allzu viel aufgeben zu müssen.
Seine komödienhaften Kurzszenen als comic relief sind nicht wirklich lustig, aber manchmal eben doch und schaffen Distanz und eine neutrale, aufgelockerte Betrachtung des Geschehens.

Jacky Wu ist sympathisch. Aber nicht charismatisch und schon gar nicht präsent genug für einen Star. Jedenfalls hier nicht, weil er auch gar nicht die Chance dazu bekommt und es deswegen auch kein Part für die Hauptrolle ist. Er wird auf den Kämpfer reduziert; muss diesen aber weit länger als nur 5min in zwei Szenen spielen und dabei auch noch die Erzählung mittragen. Das ist ein Unding, wenn er über den Hauptteil der Laufzeit als Spielball fungieren muss, der
1 ) sehr schüchtern
2 ) sehr in sich zurückgezogen ist und
3 ) unter dem Pantoffel seiner Vielleicht - Freundin steht.
[Bezeichnenderweise trägt sie in einer Szene ein Suspensorium. Er braucht keines, wofür auch.]
Er ist ein Demonstrationsobjekt, muss die richtigen Posen beherrschen und sie auf Kommando ableisten können. Nicht nur das Setmenü, sondern das Angebot des Tages aus dem Ärmel schütteln; also immer noch etwas in petto haben und dieses perfektioniert bewerkstelligen können. Er ist der Showman der Geschichte; derjenige, der in der ersten Szene vollkostümiert und geschminkt auf der Bühne des Theaters steht und seinen Akt zum Applaus des Publikums vollführt. Und sich dann wie der Affe im Zirkus steigern muss, weil man dieses Kunststückchen nun schon gesehen hat und gerne das Nächste hätte.

Regisseur und Autor Dennis Law kann das nicht bieten. Er ist neu im Metier, hat vorher das Jugenddrama The Unusual Youth und die Teen Romcom Love @ First Note absolviert und taucht ansonsten als Produzent der beiden Elections auf. Das ist nicht viel und angesichts dessen ist es auch weniger erstaunlich, dass und wie er die Grundzüge und Formula des Genres bedient und dass er sich anscheinend nicht exakt darüber im Klaren ist, was der Zuschauer erwarten und gerne sehen möchte. Und dann eben noch nicht soviel Anstand und Können besitzt, dieses auch in perspektivischer Auffächerung, komplementärer Wertsetzung, stofflicher Konkretheit und Zeitdynamik zu präsentieren.

So stechen zwar die für Jahr und Gegenstand erfreulich zahlreichen Actionszenen heraus; desöfteren zieht man sich eben doch auf die sichere Treppe der Martial Arts zurück und lässt die existentielle Verunsicherung und ontologische Selbstdeutung da sein, wo sie hingehört - am besten im Schneideraum.
Von der Quantität der Fights können sich gegenwärtige und zukünftige Produktionen durchaus noch etwas abschneiden; die allgemein gesunkende Profitabilität von Actionwerken sollte kein Indiz dafür sein, dass nun überhaupt keine Nachfrage mehr besteht und sich der harte Kern weiterhin ständig mit Opener, kurze Auflockerung im Mittelteil und Showdown begnügen möchte. Law schlägt nämlich eine andere Devise an und hält sich nicht erst lange mit Vorrede und Einführung zurück.
Zentralfigur Kong sagt erst "nein" zu dem verbotenen Angebot und bereits 5min später zu und legt dann auch gleich los und behält Boxhandschuhe und Trainingshose auch die meiste Zeit an. Choreographie und Umsetzung von Nicky Li und Jack Wong sind ebenfalls gelungen, es fehlt ein bisschen der inszenatorische knock out punch. Der eindringliche oder auch nachdrückliche Kick dahinter. Bei der Radikalität und Wirkung ist man nicht durchgreifend genug, auch legt man erst später einen Zahn zu und konzentriert sich vereinzelt etwas mehr auf Rhythmus, Akzente und Verstärkung. Die Einbindung der Location erfolgt dabei durchaus mit Sinn für lichtarme Optik; Parkgarage, Unterführung, Containerfrachtschiff, Club und Bootshafen gehören zur Standardszenerie und werden anders als im DTV - Material in farbintensiver, breiter Kinovisualisierung bereitgehalten. Die häufig umrandende Dunkelheit und das damit verbundende Imprägnieren einer mürrisch - bärbeissigen Umgebung kommt der sternlosen Atmosphäre ebenfalls zugute; Director of Photography Herman Yau hat dabei wie immer eine schöne Arbeit geliefert.

Nun hat dies natürlich den Haken, weil in der Motivation der Auseinandersetzungen wieder die Metaebene des Dramas reinpfuscht und eine Neuordnung anleitet:
Seine Begleitung Siu Tin ist der eigentliche Antrieb; er hat ein viel zu weiches Herz um Andere für Geld zu verprügeln, möchte ihr in seiner Gutgläubigkeit aber gerne ein besseres Leben ermöglichen. Und nichts klappt ohne volle Brieftasche. Sie nimmt das Geld, sie erhöht auch die Einsätze und sie feilscht um Penunzen mit dem ebenfalls knauserigen Captain. Kong hält sich da raus, weil ihm das zu blöde ist. Und damit ist er nach kurzer Zeit auch nicht mehr alleine; der Zuschauer gesellt sich nämlich dazu. Ganz schlimm wird es bei einem begleitenden Plotstrang, der Siu Tins Freundin Chiuchi [ Theresa Fu ] beim Abrutschen in die Prostitution zeigt; Siu Tin gibt ihr erst den weisen Rat, sich einen alten Knacker zuzulegen und ist dann empört, weil sie das auch macht und damit besser dasteht. Bei einer tränigen Aussprechszene auf Damenklo ist erstmal Schluss mit Lustig; das inhaltliche Drumherum mit seinen desorientierenden Reflexionen hätte Jemand mit mehr Erfahrung [und Geschmack] anders oder gar nicht gehandhabt. Zumal der Showdown sehr drangeklatscht herüberkommt und die Cameos von Ken Lo [mit Lederhose, 1 statt wie üblich 2 Handschuhen, Spazierstock und Pfaunhut] und Andy On wieder mal verschwendet sind.

Aber wenigstens leuchten im Jenseits auf der grossen Himmelswiese dann doch die Sterne; immerhin sind die Bilder treffend, auch wenn es mit der Seele hapert. Eine B - production im A - look, warum auch nicht. Wenn nicht der Ansatz falsch wäre, man zuviel gewollt oder es mit Mittel und Zweck besser funktioniert hätte. Denn wie sagt Captain so schön ?
- "Tigers were killed for their skin."
- "Ha ?"
- "My teacher used to tell me. Goats were killed for their horns."
- "Oh...Seals were killed for their dicks."

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