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Kaum eine Filmfigur des modernen Kinos hat es dem weltweiten Publikum so angetan wie Hannibal Lecter. Schon Michael Mann versuchte sich an einer Verfilmung des Romanes „Roter Drache“, scheiterte mit seinem „Manhunter“ aber gnadenlos. Umso erfolgreicher waren die späteren Lecter-Filme „Das Schweigen der Lämmer“, „Hannibal“ und „Roter Drache“. Der wahrscheinlich gewichtigste Faktor für den Erfolg dieser Werke war die unvergleichliche Prägnanz mit der Anthony Hopkins seiner Figur Leben einhauchte und geradezu atemberaubend bedrohlich wirkte. Natürlich fällt es geldgeilen Produzenten immer schwer sich von einem solchen Franchise zu verabschieden und so kommt es wie es kommen muss: In Form eines Prequels wird nun eine weitere Episode zum Mythos hinzugefügt. Und, um dies schon mal vorweg zu nehmen, natürlich setzt man sich künstlerisch total in die Nesseln.

Es ist, gelinde gesagt, keine kluge Entscheidung den Darsteller zu wechseln, immerhin assoziiert das Publikum Lecter mit Hopkins. Schon hieran krankt der Film so stark das es im gesamten Verlauf nicht zum Überspringen des Funkens kommt. Der unbekannte Gaspard Ulliel gibt sich zwar alle Mühe, muss aber gegen ein übermächtiges Vorbild ankämpfen und hat so kaum Chancen sich individuell in der Rolle zu entwickeln. Optische Ähnlichkeiten zu Hopkins sucht man jedoch ebenso erfolglos wie schauspielerische Brillanz. Dasselbe gilt für den restlichen Cast, niemandem kann hier mangelndes Talent oder schauspielerisches Unvermögen vorgeworfen werden, es fehlt nur leider an charismatisch gezeichneten Figuren. So fehlt es auch an einem geeigneten Gegenspieler für Lecter denn Dominic West als Inspector Popil kommt in keiner Sekunde an die Eloquenz einer Jodie Foster oder eines Edward Norton heran.

Thomas Harris schrieb diesmal die Vorlage parallel zum Film und so entstanden zwei Versionen, ein Drehbuch und ein Roman. Vielleicht wird der Roman tiefer auf die Charaktere und deren Innenleben eingehen, das Drehbuch bietet jedenfalls nur puren Standard-Thrill ohne Tiefe. Davon zeugen sowohl die hohlen Dialoge als auch die wenig clever gestrickte Story, die jeden psychologischen Tiefgang vermissen lässt und diesen teilweise mit rabiaten Gewalt-Einschüben zu übertünchen versucht. Selbst der Score wirkt austauschbar und bleibt wohl kaum einem Zuschauer in Erinnerung. Einzig Gong Li vermag mit ihrer Darstellung ein wenig aus dem Durchschnitts-Brei heraus zu ragen, kann aber keine entscheidenden Akzente setzen.

Regisseur Peter Webber inszenierte mit dem fein komponierten Drama „Das Mädchen mit dem Perl-Ohrring“ ein bestechend fotografiertes Werk und stellt auch an seinen neuen Film „Hannibal Rising“ hohe Ansprüche in Bezug auf die Optik. Leider wirkt sein Inszenierungsstil hier merkwürdig emotionslos und kalt, zudem äußerst unsensibel in der Darstellung der Schockeffekte. Glatt polierte Bilder ersetzen nun mal nicht den Geist und die Seele der Hopkins-Filme, vor allem da diese ebenfalls alle auf ästhetisch höchstem Niveau gefilmt waren. „Hannibal Rising“ hält sich noch am ehesten an die strenge Bildsprache von „Hannibal“, natürlich ohne Ridley Scotts visuelle Perfektion zu erreichen.

Fazit: Die Deformierung der Reihe kann beginnen: Gefielen mir, mit Abstrichen, alle früheren Lecter-Verfilmungen auf ihre Art, so konnte ich mit „Hannibal Rising“ nur wenig anfangen. Die konventionelle Rache-Story wird den vorigen Werken mit ihren starken Plots in keinster Weise gerecht und so kann man nur von einem auf der ganzen Linie gescheiterten Film reden, den einige optische Qualitäten auch nicht auf Durchschnitts-Niveau hieven.

03 / 10

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