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Nach diversen Remakes, Comic-Verfilmungen und Sequels scheint nun der Trend in Richtung Prequel zu gehen, was sich vor allem im Horror-Genre niederschlägt. Da man eine Geschichte auch nicht endlos weitermelken will, geht man an den Anfang zurück, um scheinbar neuen Wind in die verstaubte Serie zu bekommen. Neben dem texanischen Kettensägenmassaker und James Bond hat es nun auch die Reihe um den berühmten Kannibalen Hannibal Lecter erwischt. Freilich ist hier von Sir Anthony Hopkins, durch den die Serie erst ihren Glanz bekommen hat, weit und breit nichts zu sehen, da man uns bekanntlich erzählen will, wie Lecter zu dem wurde, was er ist. Allerdings stellt sich dabei die Frage, ob es diese Mal wirklich eine clevere Entscheidung gewesen war, da mit Hannibal Rising die Figur Lecters weitestgehend entmystifiziert wird. Und wirklich interessiert hat es eigentlich auch keinen. Denn bisher galt Lecter als das personifizierte Böse in der Filmlandschaft. Nach diesem Beitrag hat man aber eher den Eindruck, dass er nur ein etwas klügerer Serienkiller ist - nicht mehr und nicht weniger.

Litauen, 1945: Sowjetische Soldaten greifen im Wald einen verstörten, halb verhungerten Jungen auf. Er trägt eine Kette mit einem Vorhängeschloss um den Hals und bringt kein einziges Wort hervor. Niemand ahnt, was dieser Junge, Hannibal Lecter, in den letzten Kriegsmonaten durchgemacht hat. Seine Erlebnisse gipfelten im Tod der Eltern und seiner kleinen Schwester Mischa und müssen so schrecklich gewesen sein, dass sie ihn verstummen ließen. Auch Hannibal selbst kann sich nur bruchstückhaft an die Zeit im Jagdhaus erinnern, wo sich die Familie in den Kriegswirren versteckt hielt. Nachts schreckt er aus furchtbaren Albträumen hoch, in denen er den Namen seiner Schwester schreit. Hannibals Tante Gattin Lady Murasaki (Gong Li) nimmt den hoch talentierten Jungen in ihrem Chateau in der Nähe von Paris auf. Seine Sprache findet Hannibal (Gaspard Ulliel) als Dreizehnjähriger kurz vor seinem ersten Mord wieder. Von seinen Dämonen kann er sich erst befreien, als er für die entsetzlichen Geschehnisse im Jagdhaus Rache nimmt...

Es dürfte klar sein, dass Gaspard Ulliel (Der Pakt der Wölfe) Hopkins Charimsa völlig abhanden geht, doch das was er macht, kann sich dennoch einigermaßen sehen lassen. Den gebildeten Kannibalen im Frühstadium nimmt man ihm stets ab, auch wenn seine Darstellung hin und wieder ins Lächerliche abdriftet. Zwar versteht Ulliel es den Schmerz Hannibals wiederzuspiegeln, lässt aber nur selten die Bösartigkeit aufblitzen, die man von Hopkins' Performance kennt. Gong Li (Miami Vice) macht ihre Sache recht gut und die Chemie zwischen ihr und Ulliel stimmt immerhin. Zum Schluss bleiben dann noch Rhys Ifans (The 51st State) und Richard Brake (Doom - Der Film) als kannibalistische Soldaten der litauischen Milita. Vor allem Ifans kann hier groß aufspielen und stiehlt Ulliel in Sachen Boshaftigkeit problemlos die Show.

Beleuchten wir nun, was man in Hannibal Rising zu sehen bekommt! Lecters Bluttaten werden hier öfters recht ausführlich dargestellt, was schon eine unappetitliche Kost ist. Goremäßig wird es hier nicht, da sich das Grauen mehr im Kopf abspielt, das überwiegend durch die angedeutete Ermordung von Lecters Schwester Mischa verstärkt wird. Was seine Opfer angeht, so belässt es Hannibal größtenteils bei Enthauptungen und Verzehr von Wangenfleisch. Immerhin die Tatsache, dass Lechter seine Opfer einen Kopf kürzer macht, ist neu, da man in die vorherigen Filmen darüber nichts erfahren oder gesehen hat. Das liegt aber hier auch nahe, da sich Lecter in seiner Jugend offenbar von der japanischen Kultur seiner Tante beeinflussen ließ.

Abseits des blutigen Treibens, was schließlich Dreh- und Angelpunkt der Lecter-Figur ist, bekommt man eine mittelmäßige Geschichte mit Hintergrund der Nachkriegszeit serviert. Man sieht wie Klein Hannibal mit ansehen muss, wie die bösen Soldaten in der Jagdhütte ihr Unwesen treiben, ehe es sprunghaft ins Waisenhaus geht, das man aus Lecters einstigem Elternhaus gemacht hat. Hier wird sich aber nicht so lange aufgehalten wie in der Jagdhütte, da Lecter flux ausbüchsen und sich zum knackigen Tantchen nach Paris durchschlagen kann. Weiterhin bekommt man nun zu sehen, wie Hannibal neben seinen Morden das medizinische Studium betreibt und dabei ins Visier eines Inspektors gerät, der Kriegsverbrechen und andere Untaten aufklärt. Stets begleitet wird die Handlung von Lecters Beziehung zu seiner Tante, die sich nach dem lokalen Finale von ihm abwendet. Dabei handelt ihre Figur auch ein wenig unlogisch. Will sie Lecters Mord an einem fetten Metzger, der sie bleidigte, noch vertuschen, so fleht sie ihren Schützling an, die Mörder seiner Schwester der Polizei zu übergeben, als diese in Lecters Fokus geraten.

Der in diesem Genre eher unerfahrene Regisseur Peter Webber (Six Feet Under) sowie Roman- und Drehbuchautor Thomas Harris verlassen sich somit zu sehr auf eine Handlung, die irgendwie zu unspektakulär wirkt. Hier wird Hannibal aufgrund seines Kindheitstraumas zum Kannibalen und Mörder, was schon einen Tick zu klischeehaft für die Serienkillerpsychologie ist. Darum hält Hannibal Rising auch recht wenige Überraschungen auf Lager. Was die Optik und die Locations angeht, so hat Webber hingegen wenig falsch gemacht und auch die musikalische Untermalung stimmt, wenngleich man keinen beklemmenden Score wie der aus Das Schweigen der Lämmer serviert bekommt.

Unterm Strich macht das Hannibal Rising zu einem Film, der eigentlich nicht nötig war. Vielmehr waren hier wohl geldgierige Produzenten der Grund für seine Entstehung. Mit dem Film hat man nämlich zum Teil das gemacht, was man um alle Fälle hätte verhindern sollen. Und zwar die Entmystifizierung der Kultfigur Hannibal Lecter. Letztendlich bleibt neben dem fahden Beigeschmack nur die Erkenntnis, dass Das Schweigen der Lämmer für alle Zeiten der beste Teil der Reihe bleibt, Hannibal eine recht ansehnlich Regiearbeit und Roter Drache ein netter und gut gemachter Beitrag ist, die allesamt noch über dem eher mäßigen Prequel stehen, was man sich in dieser Form eigentlich hätte sparen können.

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