George Clooney hat sich schon lange von seinem Image als smarter Sunnyboy mit dem verschmitzten Grinsen verabschiedet, welches Frauen auf der ganzen Welt besonders in seiner Rolle als Dr. Ross in der Krankenhausserie Emergency Room zum Dahinschmelzen brachte. Mit seiner Rolle in Syriana und seiner zweiten Regiearbeit Good Night and Good Luck wurde er zu einem Vertreter einer neuen Entwicklung (Kritiker würden sagen: eine Modeerscheinung) in Hollywood Richtung Politkino, weg von realitätsfernen Stoffen.
Michael Clayton packt nun einmal mehr ein heißes Eisen an, welches es zu bearbeiten gilt: die Verlogenheit und moralisch fragwürdigen Methoden im amerikanischen Rechtssystem auf Seiten der Akteure des Beklagten. Glücklicherweise kommt der Film dabei jedoch ohne platte Stigmatisierungen aus, auch wenn am Ende eine Moral deutlich zu erkennen ist.
Michael Clayton (Clooney) ist „Ausputzer" oder „Müllmann" (wie er sich selber nennt) für eine große Anwaltskanzlei, die den Chemiekonzern u/growth in einem milliardenschweren Fall vertritt. Er räumt den Dreck weg von Klienten, die Mist gebaut haben. u/north brachte mit „Culcicate" durch das Trinkwasser ein Mittel in Umlauf, welches auf Menschen toxisch wirkt und wurde nun in einem jahrelangen Verfahren von den Betroffenen verklagt. Als endlich eine außergerichtliche Einigung zum Greifen nahe scheint, dreht Anwalt Arthur Edens (brillant: Tom Wilkinson) durch, zieht sich während der Vereidigung einer Zeugin der Anklage aus und droht damit, bisher unter Verschluss gehaltene Dokumente über „Culcicate" zu verbreiten. Claytons ganzes Geschick, die Sache zu klären und ihn wieder zur Vernunft zu bringen, wird benötigt...
Michael Clayton wartet mit einer klugen Brechung der Chronologie der Ereignisse auf, indem in der Anfangsviertelstunde schon sehr weit in der Geschichte vorgegriffen wird, aber der Film gerade dadurch neugierig macht. Die Narration erfordert zwar rege Hirnaktivität des Zuschauers, kommt aber nicht vertrackt oder gar verschachtelt daher. Thematisch erinnert das Werk an den großartigen The Insider von Michael Mann mit der Ausnahme, dass diese Story auf realen Geschehnissen basierte. Doch auch Mann dort interessierten ebenso wie Drehbuchautor und Regisseur Tony Gilroy hier die menschlichen Probleme hinter dem Hauptakteur in der Manifestation eines wirtschaftlichen Skandals, so dass er ein sehr differenziertes Porträt dieses immer präzise funktionierenden, offiziell als „beratender Anwalt" geltenden Mannes zeichnet. Michael Clayton versucht auch privat grobe Schnitzer wieder auszubügeln: Er treibt Geld auf für die pleite gegangene Bar, die er und sein verschwundener Bruder betrieben, um die Gläubiger zu besänftigen. Er versucht das angeknackste Verhältnis zu seinem Sohn - ein Scheidungskind - zu retten, der ihm vorwirft, keine Aufmerksamkeit auf ihn zu verwenden. Er bekommt seinen Alkoholismus und seine Spielsucht in den Griff, um sich ganz seinem Fingerspitzengefühl erfordernden Job zu widmen. Er soll Anwalt Arthur wieder zur Vernunft bringen oder zumindest dazu, wieder seine Tabletten einzunehmen.
Als Pendant Clooneys tritt Tilda Swinton (Young Adam, The Beach) als Anwältin Karen Crowder auf, der jedes Mittel Recht ist, um für ihren Arbeitgeber u/north, dem offensichtlich Schuldigen, das bestmögliche Resultat zu erzielen. Auch dieser Figur wird versucht, Leben einzuhauchen und hinter die Fassade der profilierungssüchtigen Karrieristin zu schauen, was aber aufgrund ihrer geringen Screentime nicht völlig gelingt. Ebenso die Rolle von Tom Wilkinson als durchgedrehter Anwalt, der gewohnt souverän agiert, aber letztendlich auch gegenüber Clooney, der eine beinahe ununterbrochene Leinwandpräsenz hat und eine starke Leistung abliefert, etwas zu kurz kommt.
Doch ob der großen Dominanz von Clooneys Figur gegenüber anderen schauspielerischen Schwergewichten auf der Besetzungsliste (auch Sydney Pollack soll hier noch Erwähnung finden) gelingt dem Film eine beinahe schon objektive Erzählweise, die sachlich, nüchtern und subtil niemals zum Egotrip verkommt, sondern das Vorankommen des Falles mit all seinen Wendungen und somit auch die Handlung ums Drumherum eines milliardenschweren Prozesses, bei der Geldgier über Moral und Gesetzestreue gesiegt zu haben scheint, ins Zentrum rückt.
Diese durchaus gelungene Mischung aus Thriller und Drama hält sich lange zu etwa gleichen Anteilen beider Genres. Erst gegen Ende, als der brisante Fall durch einige Wendungen immer mehr an Fahrt aufnimmt, entwickelt er sich Michael Clayton zu einem nahezu atemlosen Thriller, der mit Hochspannung nicht mehr locker lässt und serviert eine moralisierende Botschaft am starken Ende, die nicht aufgesetzt wirkt. Dies ist eine große Stärke des Films, wäre es doch genau so möglich gewesen, sich unkommentiert aus dem Film zu stehlen.
Ich denke, dass ich nicht übertreibe, wenn ich Michael Clayton als ein Highlight des noch jungen Kinojahres 2008 deklariere, da ein brisanter Stoff mitreißend aufbereitet wurde. Sieben Oscarnominierungen und eine Auszeichnung für Tilda Swinton als Beste Nebendarstellerin sprechen eine deutliche Sprache. Von mir eine klare Empfehlung.