„Shoot ‘Em Up“ trägt nicht umsonst den gleichen Titel, wie ein beliebtes Genre des zeitgenössischen Videospiels. Bei Genuß des Film fühlt man sich frappierend an den aktuellen Shooter „Stranglehold“ erinnert. Da wird stylish geballert, es rummst an allen Ecken und Enden und die Gegneranzahl, die im Vorbeigehen niedergemäht wird, übertrifft jeden „ernsthaften“ Actioner bei weitem. Style over substance als bewusst gewähltes Rezept, schließlich bietet der Film nur ein Mindestmaß an Handlung, das sich dem Zuschauer auch nur nebenbei entblättert. Das erste Schußgefecht findet nach einer gefühlten Minute statt und man weiß zu diesem Zeitpunkt nichts über den Helden... noch nicht einmal den Namen. Und dann geht es los und man sitzt mit offenem Mund im Kino...
Noch interessanter wird der sich aufdrängende Vergleich mit „Stranglehold“, wenn man bedenkt, dass dieses Spiel unter Mitwirkung von John Woo und Chow Yun Fat enstand und die digitale Fortsetzung des Über-Actioners „Hard Boiled“ darstellt und somit ein Heroic Bloodshed-Film für die Konsole ist. Geht man diesen Pfad weiter, entdeckt der geneigte Betrachter, dass „Shoot ‘Em Up“ sich die enorm stylischen Actionsequenzen aus dem asiatischen, speziell von Großmeister John Woo geprägten, Kino entnimmt und sie mit moderner Technik auf die Spitze treibt. Nicht selten werden Moves, die in den Originalen von Chow Yun Fat enorm elegant durchgeführt wurden, von dem Briten Clive Owen so exzessiv und kurz hintereinander ausgeführt, dass man glaubt eine Art „Scary Movie“ für Actionfilme zu sehen. Dann schlagen aber die Kugeln in die „armen“ Schergen ein und ein enorm grimmiger Humor tritt zutage, der nicht mit den Albernheiten der „Scary Movie“-Filme zu vergleichen ist. Da werden Finger gebrochen, Leichen in Position geschossen, um diese dann wieder per Salve auf einen anderen Schergen schießen zu lassen. Die großen Filme des Heroic Bloodshed boten neben den enorm eleganten, wie brutalen Schußgefechten auch tiefe emotionale Momente. Es ging um Männerfreundschaften, die auf harte Proben gestellt wurden. Dies alles hat „Shoot ‘Em Up“ nicht zu bieten. Hier werden die Actionszenen konzentriert dargeboten. Wie bei allen Konzentraten besteht immer die Gefahr, dass dem Konsumenten das Ergebnis letztendlich nicht schmeckt und „Shoot ‘Em Up“ wandelt auch immer an dieser Grenze. Zum Glück überschreitet er sie nie so ganz, schließlich streut der Film immer wieder kurze Handlungsfetzen ein, die aber auch unnötig sind. Hier sind wieder Vergleiche mit den Videospielen zu ziehen. Da geht es ums Ballern, wenn man denn mal einen Level gemeistert hat, dann gibt es eine kurze Zwischensequenz. Die eingestreuten Handlungselemente wirken genaus so. Genau wie die Zwischensequenzen in den beschriebenen Shootern, die Spieler informieren und den Waffeneinsatz in einer neuen Location rechtfertigen, so funktionieren auch die Handlungselemente bei „Shoot ‘Em Up“. Wer sich auf den Film einlässt, muß mit dieser Tatsache zurechtkommenm, denn es handelt sich um einen no-brainer im wahrsten Sinne des Wortes.
Trotz allem hat der Film einige durchaus hochkarätige Schauspieler zu bieten. Da wäre zum Einen Clive Owen, der lange als der neue James Bond gehandelt wurde. Hier sieht man, wie gut ihm elegante physische Action zu Gesicht steht. Schauspielerisch wird er zwar so gut wie nicht gefordert, aber sein rauer und tiefgründiger Charme passt gut in die Rolle des namenlosen Shooters. Paul Giamatti gibt einen Comicbösewicht wie aus dem Bilderbuch (na ja, Comic halt). Abgrundtief böse ohne erkennbare Motivation, reuelos und extrem diabolisch. Es ist schön, diesen ausgezeichneten Schauspieler in solch einer Rolle zu sehen, aber natürlich auch eine verschenkte Chance. Da aber emotionale Tiefe und Glaubwürdigkeit bei „Shoot ‘Em Up“ so fehl am Platz sind, wie die Glücksbärchis in „Doom 3“, tobt sich Giamatti eben mit dem gleichen fiesen Grinsen auf dem Abenteuerspielplatz Actionfilm aus. Ähnliches kann man zu Monica Belluci sagen, die ebenfalls eine Rolle vom Reißbrett übernahm. Die gutmütige Hure mit großem Herz und großen Hupen... Keine schlechte Wahl, denn die Zuschauer von „Shoot ‘Em Up“ werden wohl vorwiegend männlich sein und La Bellucci ist halt einfach eine Augenweide. Wie alle anderen auch, ist sie schauspielerisch zwar kaum gefordert, hat aber immerhin die vielschichtigste Rolle. Dies bedeutet in diesem Kontext aber auch nicht sehr viel...
Die Inszenierung ist, wie schon oben angedeutet, state of the art. Style, Einschüsse und viel Blut zeichnen die minutenlangen Schußgefechte aus. Dabei schwelgt der Film aber nicht, wie John Woo in langen Zeitlupen, sondern feuert dem Zuschauer schnelle Schnitte im Stakkato-Takt entgegen. Mit so viel Zeitlupe hätte man aber auch Probleme so viel Action zu zeigen, wie „Shoot ‘Em Up“ es tut. Zwar verliert der Zuschauer ein bis zwei mal den Überblick, doch bei der Menge an haarsträubender Action ist dies wohl unvermeidlich. Im Gegensatz zu „Hard Boiled“ und Co. ist bei „Shoot ‘Em Up“ auch der Computer des Öfteren im Einsatz. Da wird digital Blut hinzugefügt, und eine Sequenz, in der nach einem Fallschirmsprung in der Luft geballert wird, ist ebenfalls offensichtlich am Computer entstanden. Dies rückt den Film dann auch von der Optik her mehr in die Nähe der digitalen Vorbilder und tut dem Spaß, gerade bei dem programmatischen Titel des Filmes, keinen Abbruch.
„Shoot ‘Em Up“ ist schnelles, fieses und lautes Kino. Dass es ein solcher Film in den Mainstream in dieser Machart und solch hochkarätigen Schauspielern ins Kino geschafft hat, sollte den Genrefan freuen, schließlich galten selbst die asiatischen Meisterwerke, wie „Hard Boiled“, „The Killer“ oder auch „Bullet in the Head“ bei Erscheinen in Deutschland aufgrund der damals ungekannten Brutalität als schmuddelig und wurden nur auf Video veröffentlicht. Und dies auch nur in verstümmelten Fassungen. „Shoot ‘Em Up“ ist also für den Fan des harten und kompromisslosen Actionkinos die Möglichkeit, mal wieder in ein Lichtspielhaus zu gehen. Das ist auf jeden Fall eine gute Nachricht. Wem es bei einem Actionfilm um eine nachvollziehbare, logische und realistische Story geht, der sollte „Shoot ‘Em Up“ allerdings meiden, wie der Teufel das Weihwasser.
Fazit:
8/10