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Uschi Obermaier ist ein Phänomen, für daß es bis heute keine echte Erklärung gibt. Ein Mädchen aus München, das nicht nur Mitglied der Berliner "Kommune 1" wurde, mit Jimi Hendrix, Mick Jagger und Keith Richards ein Verhältnis hatte und als Model so bekannt wurde, daß selbst heute noch fast Jeder ihren Namen kennt, obwohl sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland lebt. Das war lange vor der sogenannten "Supermodel"-Ära und im Gegensatz zu den heutigen meist braven deutschen Models a la Heidi Klum oder Claudia Schiffer, war Uschi Obermaier richtig cool.

Doch wollen wir das Geheimnis, das dahinter steckt ,wirklich kennenlernen ? - Lebt eine Legende nicht gerade von unserer Vorstellungskraft und der Fantasie, wie es damals in den "wilden Jahren" der späten 60er gewesen sein muß ? - Um es vorwegzunehmen - der Film zerstört den Mythos um Uschi Obermaier nicht, denn dafür ist er zu oberflächlich und zu sehr damit beschäftigt, uns möglichst chronologisch durch die aufregende Zeit der Hippies, Studentenrevolten und sexuellen Befreiung zu führen.

Verkörpert wird Uschi von Natalie Avelon und man kann sich kaum eine idealere Besetzung vorstellen. Alleine dadurch bekommt "Das wilde Leben" eine besondere Qualität, denn im Mittelpunkt steht eine schöne Frau mit wildem Haarschopf und fantastischer Figur, die uns meist nackt in unterschiedlicher Beleuchtung und aus verschiedenen Blickwinkeln demonstriert wird. Leider muß Natalie Avelon dabei nur einen Charakterzug verkörpern, nämlich möglichst cool und abgeklärt herumzustehen und hin und wieder eine schnoddrige Bemerkung loszulassen. Nur wenige Szenen erfordern einen emotionalen Ausdruck, so daß uns Uschi im Lauf des Films nicht vertrauter wird. Dazu scheint sie auch selbst kaum Interesse an ihrer Umgebung zu haben. Weder engagiert sie sich politisch, noch will sie das Bürgertum provozieren - sie möchte einfach frei leben, Sex und Spaß haben.

Die Konzentration liegt auf der Darstellung der späten 60er und frühen 70er Jahre, beginnend mit Uschis engem und spießbürgerlichen Zuhause, ein Prachtbeispiel für deutsche Miefigkeit und Kleinbürgerlichkeit. Als Uschis Mutter Nacktfotos ihrer Tochter findet, fällt ihr nichts Besseres ein, als Uschi eine runterzuhauen. Darauf packt diese ihre Sachen, schnappt sich ihre beste Freundin und stellt sich als Anhalterin auf die Straße. Die ersten Autos fahren vorbei bis ein schon äußerlich als Hippiefahrzeug erkennbares Gefährt anhält, in dem Rainer Langhans und sonstige Mitglieder der "Kommune 1" sitzen. Und weil man sich schon so schön gefunden hat, wird erst mal ne ordentliche Tüte geraucht.

Ähnlich differenziert führt uns der Film fast atemlos durch die abenteuerlichen Zeiten der Studentenbewegung mit Straßendemo, freier Liebe, linken und feministischen Parolen, Bombendrohungen, Polizeieinsätzen und bürgerlichen Schmährufen - schön unterlegt mit originalen Zeitungsausschnitten. Und immer mitten drin unsere Uschi, die damit überhaupt nichts am Hut hat, sondern möglichst hübsch aussehen will, ungeschminkt keinen Meter vor die Tür geht und an ihrer Fotomodellkarriere bastelt. Freie Liebe interessiert sie überhaupt nicht, da die Kerle sowieso nur auf sie zu stehen haben und wenn dann doch der Rainer mal eine Andere pimpert, fließen gleich die Tränen.

Wer schon immer wußte, daß sich die linken Penner der "Kommune 1" mit ihrer Aura aus intellektuell verbrämtem Gelaber und vermeintlichen Revolutionsansprüchen nur wichtig tun wollten, um möglichst viele Frauen ins Bett zu bekommen und in der Zeitung zu stehen, der ist in dem "wilden Leben" richtig aufgehoben. Die Kommunarden werden hier als eifersüchtige, egoistische Vollidioten gezeigt, die sich wegen Uschi ständig in die Haare bekommen. Ich bin mir sicher, daß es bei jungen Männern Anfang 20 diese Emotionen gegeben hat und natürlich kann man sich geistig noch so sehr auf eine intellektuelle Schiene beamen -. wenn dann so ein sexy Vollweib auftaucht, ist es schwer bei der Sache zu bleiben.

Leider ist diese oberflächliche Darstellung signifikant für den gesamten Film, der diese Zeit genauso schildert ,wie sich klein Fritzschen das schon immer vorgestellt hat. Keinerlei Differenzierungen oder tiefergehende Fakten werden berührt. Außer der privaten Szene in Uschis Elternhaus gibt es keine Schilderung des damaligen bundesdeutschen Alltags. So wirkt die "Kommune 1" hier wie eine Spaßgemeinschaft, ohne das zu erkennen ist, welcher Gefahr sich die Kommunarden aussetzten und welche ungeheure Provokation sie damals darstellten. Selbst der Polizeieinsatz wirkt harmlos und klärt sich schnell auf, dabei waren die Mitglieder damals ständigen Repressalien ausgesetzt. Egal wie Teufel, Langhans und Co. charakterlich waren - ihre Aktionen waren damals gewagt und mutig und haben mehr Einfluss auf unsere heutige Lebensweise, als wir uns vorstellen können - auch wenn ihre politischen Ziele sich nicht erfüllten.

Stattdessen diffamiert das " wilde Leben" diese Ereignisse in einer ärgerlichen Art, die alles nur aus Uschis Sicht zu schildern scheint und dabei auch wichtige Aspekte wie zum Beispiel den Film "Die rote Sonne" oder die Plattenaufnahme mit "Amon Düül" wegläßt, an denen Uschi teil hatte. Auch sie war keineswegs nur oberflächlich an Spaß und Freiheit interessiert. Doch indem der Film Authentizität vorgaukelt, reduziert er diese Phase auf die erste Zeit nach dem Krieg, in der junge Deutsche sich frei ausleben konnten, quasi als Beginn der heutigen hedonistischen Spaßgesellschaft. Sicherlich gibt es da einen kausalen Zusammenhang, aber damals waren die Intentionen eindeutig politisch und gesellschaftskritisch und dieses Leben - im Gegensatz zu heute - mutig.

Auch die Begegnungen mit den Rolling Stones werden nur auf sexuelle Aspekte reduziert, tiefergehende Beschäftigungen mit deren Musik oder gar innere Auseinandersetzungen und Zweifel existieren nicht. Dazu ist der Film auch schlampig in seiner historischen Ausstattung. Bei einer Straßendemo in Westberlin 1968 sieht man im Hintergrund den fertigen Ostberliner Fernsehturm, der aber erst Ende 1969 eingeweiht wurde und 1968 noch im Bau war. Oder an einer Wohnungstür bei einem Besuch der Stones 1973 ist ein Cover der LP "Jane III" befestigt, die erst 1974 herauskam. Genauso ist auch nicht nachvollziehbar, daß es keinerlei äußere optische Änderungen bei den Protagonisten zwischen 1973 und 1983 gibt. Damit meine ich nicht irgendwelche schminktechnischen Feinheiten, sondern Frisuren, Kleidung und ähnliches. Wenn Bockhorn sich am mexikanischen Strand nach Jahren wieder mit seinem alten Freund trifft und beide sehen identisch aus wie 10 Jahre zuvor, dann wirkt das ein wenig lächerlich.

Man könnte solche Kritikpunkte für nebensächlich halten, aber bei einem Film, der ja gerade sein Augenmerk auf eine historisch authentische Schilderung legt, sind das wesentliche Details.

Fazit : Das "Wilde Leben" behauptet, ein möglichst reales Abbild der gesellschaftverändernden Geschehnisse in Deutschland Ende der 60er Jahre zu zeigen - dazu noch mit dem Verweis auf Uschi Obermaiers Autobiografie. Stattdessen ist der Film ein Sammelsurium an Vorurteilen, oberflächlichen und einseitigen Schilderungen, ein Mißbrauch von optischen Versatzstücken und Verwendung von tatsächlichen politischen Geschehnissen in Minimalausschnitten.

Herausgekommen ist dabei genau das Zerrbild, daß wir heute mit 30 Jahren Abstand von dieser Zeit haben. Der Film zeigt die Verhaltensweisen der Protagonisten, egal ob Kommunarden oder Musiker, als reine Sucht nach Drogen und Sex ohne Verweis auf wichtige inhaltliche Errungenschaften und die geballte Gegnerschaft der damaligen Bürger. Am Besten ist der Film noch, wenn er sich auf Uschi und ihren Freund Bockhorn konzentriert und auf ihre jahrelange Reise . Doch während der Film in der ersten Hälfte immerhin abwechslungsreich und unterhaltend ist, wird er durch die fehlende Identifikation zu der Figur "Uschi" zunehmend langatmig.

Die schöne Natalie Avelon alleine reicht nicht, denn letztendlich ist der Film in seiner falschen Authentizität ein Ärgernis(3/10).

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