Was liegt näher, als sich bei dieser Thematik um einen kindlichen Voyeur an einen Vergleich mit Hitchcocks „Das Fenster zum Hof" heranzuwagen? Doch lassen sich auf den ersten Blick schon genügend Anzeichen einer Unvergleichbarkeit von der Geschichte des an den Rollstuhl gefesselten Fotographen James Stewart und Jamie Bell aus „Hallam Foe", einer traumatisierten Figur mit prägender Vergangenheit, erkennen.
Hallam Foe hat ein bizarres Hobby: Er beobachtet voyeuristisch mit Fernglas und Geduld ausgestattet andere Menschen. Nach dem Tod seiner Mutter führt sein Vater (Ciará Hinds) eine Beziehung mit seiner biestigen Sekretärin (sichtlich gealtert: Claire Forlani) und Hallam wir in die Stadt abgeschoben, wo er fortan auf eigenen Füßen stehen und seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Dort trifft er zufällig auf Personalmangagerin Kate (Sophia Myles), die seiner Mutter sehr ähnlich sieht. Fasziniert von dieser Frau beginnt er auch sie zu beobachten und beginnt schließlich eine Affäre mit ihr...
Nach „Young Adam" liefert Regisseur David Mackenzie abermals ein raues Porträt des harten Lebens der britischen Working Class. Kalte Bilder voll rauer Schönheit stehen neben den Hochglanzaufnahmen und vermitteln den Eindruck von Hoffnung und Zuversicht im harten Alltag des Protagonisten Hallam, der von Jamie Bell („Billy Elliott - will dance") großartig in seiner inneren Zerrissenheit zwischen Wut auf den Vater, Hass auf seine Stiefmutter, Orientierungslosigkeit in einer fremd gewordenen Welt sowie dem Vermissen seiner Erzeugerin mit daraus resultierendem Mutterkomplex verkörpert wird. Selbiger Mutterkomplex und dessen Fortgang, das unausweichlich scheinende Familiendrama, erinnert doch entfernt an Hitchcocks „Vertigo", dem Freud´schen Handbuch der Psychologie entnommen, weswegen die Einleitung durchaus eine Relevanz besitzt. Die Beendigung dieses Konflikts kommt dabei einer Heilung von Hallams Obsession des Voyeurismus gleich, der den Zuschauer in einer seltsamen Beklemmung zwischen Sympathie und Verachtung gefangen nimmt. Allein schon aus diesem Grund ist der recht sachliche, realistisch anmutende und zurückhaltende anstatt aufdringleiche Film ein Kinohighlight.
Fazit: Intensive Charakterstudie um Verlust und Kompensation, die Liebe und das Erwachsenwerden. „Hallam Foe" überzeugt als unaufdringliche Coming-of-Age-Geschichte, die hin und wieder etwas spröde und unterkühlt daherkommt, aber gut gespielt ist und zudem mit einem großartigen Britpop-Sountrack überzeugt.