Mit “Das Blaue Licht” gelang Leni Riefenstahl ein visuell starkes, wenn auch inhaltlich eher flaches Debüt. Ihre Stärken als Regisseurin sind schon in ihrem ersten Film unverkennbar und auch als gute Schauspielerin hatte sie schon überzeugt („Die weiße Hölle vom Piz Palü“) – mit diesen Referenzen trat sie persönlich an Adolf Hitler und wurde für den Diktator schon früh die bevorzugte Filmemacherin. Riefenstahl bekam den Auftrag die ersten beiden groß zelebrierten NSDAP-Parteitage dokumentarisch fest zu halten und mit einem schillernden Anstrich versehen. Nach dem starken „Sieg des Glaubens“ vertraute man noch tiefer in die Arbeit der Regisseurin und stellte ihr für den zweiten Film noch größere Mittel zur Verfügung.
Und so wurde „Triumph des Willens“ ein Meilenstein der Filmgeschichte, das einzigartige Werk profitiert vom protzigen Budget. Leni Riefenstahl konnte auf modernste Techniken zurückgreifen und setzt in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe. Mit virtuosen, teilweise noch nie zuvor gesehenen Kameraperspektiven und –Fahrten und abenteuerlich gestalteten Schwenks wirken die faszinierenden Massenszenen unheimlich dynamisch, erzeugen eine bedenklich starke Suggestivkraft. Der zweite Reichsparteitag stand unter den Schlagwörtern „Wille“ und „Macht“, womit man ganz eindeutig Bezug auf Friedrich Nietzsche nahm. Seine Philosophie vom „Willen zur Macht“ wurde von den Nationalsozialisten oft als Aushängeschild missbraucht.
Mit Hilfe von über hundert Crew-Mitgliedern und einer ungeheuren Anstrengung seitens der Mitarbeiter und der Regisseurin wurde der Reichsparteitag wirklich atemberaubend dargestellt, verpackt in perfekt arrangierte Bildkompositionen und unterlegt mit pompöser Musik. Noch mehr als im Vorgänger wird der Personenkult um den Führer ausgebaut und Hitler wird geradezu mystisch überstilisiert. In genau der richtigen Dosierung zeigt man ihn aber auch als Menschen und zeigt seine Nähe zum Volk, welche damals auch noch von frenetischer Verehrung seiner Person begleitet wurde. Hitler macht dem deutschen Volk große Versprechungen und kündigt mit glorios aufmarschierenden Truppen die Stärke des Landes und weist aber auf goldene Zukunft hin. Immer wieder gibt es Nahaufnahmen vom Führer zu sehen und die Distanz, die „Der Sieg des Glaubens“ wahrte wird hier nicht mehr gehalten. Alle anderen wichtigen Partei-Aktivisten die hier erscheinen verkommen zu unwichtigen Nebenfiguren und sind oft nur abschnittsweise für einige Sätze im Bild. Der Fokus liegt aber hundertprozentig auf dem Staatsoberhaupt, dem hier ein unsterbliches Denkmal gesetzt wurde. Nicht umsonst genießt der Film in rechtsradikalen Kreisen totalen Kult-Status, diese Tatsache sollte aber nicht als Bewertungskriterium gelten, schließlich habe ich auch „Birth of a Nation“ trotz rassistischer Seiten die Höchstnote gegeben.
Die besten Bilder werden bis zum Schluss aufgehoben und in ihrer Intensität kleinschrittig gesteigert bis hin zur regelrechten Explosion der Bilder. Spektakuläre Luftaufnahmen, nie da gewesene Inszenierung riesiger Menschenmassen und eine revolutionäre Schnitttechnik lassen den Zuschauer über die technische Versiertheit der Produktion staunen und ebenso über die spürbar kraftvolle Regie-Führung der noch relativ unerfahrenen Leni Riefenstahl. Am Ende geht der Film noch auf den Fall Ernst Röhm ein: Hitler rechtfertigt sein kaltblütiges Vorgehen in diesem Fall und stellt noch fest, dass die SA ihr Ansehen zurück gewonnen haben. Röhm wurde Hitler ein Dorn im Auge und wurde beseitigt, ebenso wie der Film „Der Sieg des Glaubens“ indem Hitler und Röhm noch gemeinsam vor der Kamera standen. Eisensteins berühmte Bildkompositionen bilden zwar ein Vorbild für die hier vorherrschende Ästhetik, „Triumph des Willens“ erweitert die vorgegeben Funktionsweisen aber noch entscheidend durch eine wesentlich temporeichere Montage. Bis zum furiosen Ende unterhält der Film mit abwechslungsreichen Sequenzen mit unterschiedlichen Zeremonien, Paraden und Reden, auch in der ersten Hälfte gibt es bereits ansprechende Kamerafahrten und kreativ gewählte Einstellungen zu betrachten. Technisch befindet sich der Film also durchweg auf höchstem Niveau und gilt als perfektionierte Propaganda-Ästhetik.
Streng genommen handelt es sich nicht wirklich um eine Dokumentation und auch nicht um ein plumpes Propagandawerk. Riefenstahls Filme waren erstens künstlerische Aushängeschilder, zweitens drückten sie rein visuell die Ideale der Nazis aus, verzichteten stets auf jeden erklärenden Kommentar. Auf den ersten Blick wirken diese Filme relativ ehrlich, weil sich der Zuschauer anscheinend seine eigenen Gedanken machen kann und die aufwendigen Szenen selbst beurteilen. Das die Botschaft säuberlich in die Visualisierung mit eingebunden wurde fällt nur einem kritischen Betrachter auf und das damalige Publikum ließ sich von der gewaltigen Aufmachung wohl blenden. Viel wichtiger als diese Tatsache ist aber die eigentliche Funktion des Films, denn hier wurde ganz und gar nicht der Parteitag bestmöglich gefilmt. Vielmehr wurde die Konzeption der gesamten Veranstaltung so ausgerichtet, dass eine perfekte Kulisse für einen wirkungsvollen Film entstand. Für den Schnitt und die Montage des Filmmaterials ist ebenfalls Leni Riefenstahl verantwortlich, die das Projekt mitplante und auch mitproduzierte. Unter die Arme griff ihr der begabte Filmemacher Walter Ruttmann, der Riefenstahl zu einigen gewagten Schnittabfolgen inspirierte und ihr auch beim erstellen des Drehbuchs half und somit seinen Teil zur visuellen Planung beisteuerte.
Nicht nur wegen der zahlreichen Innovationen und den bis heute beeindruckenden Bildern bewerte ich den Film mit der Höchstnote, auch die kontroverse Rezeptionsgeschichte beweist wie stark der Film auch heutzutage die Kunst und die Kultur beeinflusst. Selten wurde ein Werk so verschiedenartig behandelt und beurteilt, während man sich über die erhabene künstlerische Qualität stets einig war. „Triumph des Willens“ funktioniert als Propagandafilm, doch auch weit darüber hinaus als richtungweisende Filmkunst. Ein Juwel, wenn auch inhaltlich ähnlich zwiespältig wie die Werke von Regie-Visionär Sergej M. Eisenstein.
Fazit: Leni Riefenstahl gelang mit „Triumph des Willens“ ein Meisterwerk das seinesgleichen sucht, ein einzigartiger Propagandafilm, der höchstens noch übertroffen wird durch ihre beiden „Olympia“-Filme. Nicht umsonst huldigten dem Film etliche Regisseure und auch im Genre des propagandistischen Dokumentarfilms stellt der Film einen einsamen Höhepunkt dar.
10 / 10