Achtung, gewisse Spoiler enthalten.
Wenn man sich ein bisschen vor Ort umhört, kann man den Eindruck gewinnen, das Genre Horrorfilm wäre so eine Art Burgerbraterei in der Nachbarschaft angesehener Restaurants und es genüge schon, dass ein Film relativ schick daher kommt, sich ein kulturelles oder politisches Mäntelchen um die Schultern legt und etwas Soße in der Gegend verteilt und damit wären die nötigen Anforderungen erfüllt.
Zum x-ten Male Form über Inhalt und dann ist das auch ein guter Film, oder wie?
Zeit für ein kleines Hallowach: auch Horrorfilme dürfen Inhalte besitzen und vertreten und sogar ein gewisses Maß an innerer Logik ist wünschenswert, wenn man sich geschmäcklerisch über dem Niveau eines simplen Splatterfans bewegt.
„28 Weeks later“ hatte sämtliche Voraussetzungen, diese Wünsche neben Spannung, Thrills und Gore zu befriedigen und noch dazu ein gewisses Gefühl an Beklemmung zu vermitteln.
Juan Carlos Fresnadillo, Regisseur des mehr als beachtlichen „Intacto“, übernahm den Regiesitz von Danny Boyle und schrieb im Viererteam auch gleich am Drehbuch mit.
Thematisch setzt der Film, wie der Titel schon anzeigt, einige Zeit nach dem ersten Film ein, und postuliert den gescheiterten Versuch einer Wiederbesiedlung Britanniens bzw. eines Stadtteils von London, was natürlich fürchterlich in die Hose geht.
Sprechen wir über die inhaltlichen Ansätze, so hätte „28 Weeks later“ ein schöner Film werden können. Schon die Startsequenz, in der Robert Carlyle zur Zeit der ursprünglichen Krise bei einem Infizierteneinfall in ein Cottage scheinbar seine Frau den Monster zum Fraß vorwirft, um seinen eigenen Arsch zu retten, setzt Zeichen in Bezug auf das Thema Zerfall der Familie. Das korreliert wunderbar mit dem baldigen Zerfall der Ordnung, denn als das holde Mütterlein 6 Monate später wieder auftaucht, zeigt sich bei der Infizierten eine Virusmutation, die man mit sich rumträgt, ohne selbst zum sabbernden Amokläufer zu werden.
Wie im Horrorfilm üblich, geht baldigst einiges schief und in der Folge setzt die US Armee alle Mittel ein, um jeden Anwesenden, egal ob infiziert oder nicht, einzuäschern oder umzubringen.
Das ist dann auch der interessanteste Ansatz, die Unmenschlichkeit des Sicherheitsprotokolls im Krisenfall in krassem Gegensatz zu den Einzelschicksalen – und schon bald beginnt für die Hauptdarsteller eine Hetzjagd zwischen gnadenlosen Fronten.
Man kann Fresnadillo nicht vorwerfen, er hätte visuell nicht alles in die Waagschale geworfen, um ein Erlebnis zu kreieren. Den Digital Video-Look, spröde und körnig, hat er von Boyle übernommen, die Handkamera ist praktisch ständig im Einsatz und er fängt intensive Bilder eines verlassenen London ein, von Massenpaniken im Flackerlicht, subjektive Kamerapositionen aus Ungeheuersicht. Man blickt durch Zielfernrohre, Kameras, spürt die Verzweiflung, als schließlich auf alles und jeden geschossen wird und niemand mehr sicher ist. Optisch ist das wirklich beeindruckend, wenn auch bisweilend bei dem herrschenden Dauergewackel etwas nervtötend.
Das wäre alles super, wenn…
…ja wenn der Film ansonsten inhaltlich nicht manchmal so doof wäre, dass man sich persönlich beleidigt fühlen könnte.
Was anfangs durch die seltsame Konstruktion der zentralen Familie (Vater, Mutter, zwei Kinder) interessant erscheint, gerät durch saublöde Drehbucheinfälle ins Abseits. Da haben wir zwei Teenager, die, kaum in London angekommen, nichts Besseres zu tun haben, als am ersten Tag aus der Sicherheitszone zu fliehen, um sich ein paar Erinnerungsstücke von daheim zu sichern. Wer diesen Klops verdaut (immerhin treiben die beiden Mutti auf), darf sich dann folgenden Einschlägen widmen:
Da ist Robert Carlyle Hausmeister in der Sicherheitszone und kommt mit seinem Zugangskärtchen natürlich auch in die Seuchenhauptzentrale. Gleichzeitig hat man dort einen hochgefährlichen Virusträger festgeschnallt, die Wachen sind aber weit und breit nirgendwo zu sehen. Und Carlyle, offenbar von Schuldgefühlen getrieben, hat nüscht Besseres zu tun, als seine Gattin (die sicher nicht umsonst auf dem Stuhl festgeschnallt ist), gleich mit Zunge abzuschlabbern.
Fortan entwickelt er sich für den Rest des Film zu einer Kreuzung aus Amokzombie und Lassie, der seinen inneren Kompass permanent auf seine Kinder ausgerichtet hat und sie wie ein Hündchen mitten in London ständig wieder aufstöbert.
Nebenbei frönt das Sicherheitsprotokoll ganz doller Klopse, lässt die Massen in der Tiefgarage einkasteln, löst durch mangelndes Licht aber ne Panik aus und sichert den Bereich überhaupt nicht, so dass Carlyle locker mal auf einen Happen eindringen kann.
Im späteren Verlauf passieren noch andere tolle Sachen, am schönsten sicherlich der Scharfschütze, der während eines Giftgasangriffs mit nur einem Tuch vor dem Gesicht 50 Meter ein Auto anschiebt…
Natürlich hat es seinen Reiz, wenn Fresnadillo mitsamt Autorenkollegen nicht ganz ohne Pfiff langsam aber sicher alle Sympathieträger weghäckselt, wenn er aber eine an „Schweigen der Lämmer“ gemahnende Nachtsichtsequenz in einem U-Bahn-Tunnel durch stetes Gewackel und hysterisches Dauergekreische vor dem Klassikerstatus bewahrt, verliert der Film immer wieder Punkte.
Und was noch schlimmer ist, bei allem Nette-Leute-Killen fehlt dem Film am Ende die letzte Konsequenz. Das Finale ist ein ganz blöder Murks, in dem sich alle, aber auch wirklich alle doof wie drei Meter Feldweg benehmen (vor allem der arme Heli-Pilot Harold Perrineau aus „Lost“, der vorher anständig eine Zombiehorde mit dem Rotor weggeflext hatte, ein schöner Effekt!), damit man den einfallslosesten Schlußgag der Welt zaubern kann, den alle schon im ersten Teil erwartet haben.
So hat es Fresnadillo am Ende leider nicht geschafft Anspruch und Unterhaltung (wie weilend Romero in seinen frühen Zombiefilmen) unter einen Hut zu bringen. Die Schwächen beeinflussen die Stärken und auch wenn man sich den Film im Ganzen durchaus ansehen kann, so scheint man doch hier eine Chance, einen auch nicht makellosen Vorgänger zu übertreffen, schöde verschenkt zu haben.
Einen Klassiker kann man nur generieren, wenn man ein Thema, dass über billige Exploitation oder Gore-Effekte hinausgeht, auch mit Konsequenz zu Ende bringt.
So bleibt nur ein Bastard aus guten Absichten, schönen Bildern und dauernden unpassenden Anbiederungen an Genrekonventionen, mit denen sich „28 Weeks later“ nie als eigenständiges Werk beweist, sondern doch eben nur eine Fortsetzung um weiterer Fortsetzungen willen.
Viele wird’s nicht stören, weil der Film ja so düster und hoffnungslos ist.
Ja, ist er – und auch leider gleichzeitig dümmlich und einfallslos. (4,5/10)