Review

Schon der Titel verrät es - hier geht es ums Essen. Aber nicht in seiner profanen Form der reinen Nahrungsaufnahme, sondern in der französisch gefärbten Gourmet-Variante, die sich in die höchsten Sphären der feinsten Geschmacksempfindungen hinaufschwingt. Als Meister der Nuancen-Erkennung beweist sich hier der junge Remy, dessen feine Nase schon vor der Verkostung erkennt, welche Ingredenzien ihn erwarten und der dazu noch fähig ist, raffinierteste Kompositionen abzuschmecken.

Leider handelt es sich bei Remy um eine junge Ratte, so dass seine Fähigkeiten innerhalb des Familienclans nur dazu genutzt werden, die anderen Ratten vor Rattengift in der gefundenen Nahrung zu warnen. Ansonsten geht es ihm wie fast allen genialen Künstlern - innerhalb seiner direkten Umgebung zählt seine Begabung nur wenig, da alle anderen Ratten eher nach dem Prinzip des Nährwertes verfahren und ihnen der Geschmack völlig gleich ist.

Man erkennt an dieser Konstellation - und hier liegt die Besonderheit des neuen Pixal-Films - das hier eine Geschichte auch für erwachsene Zuschauer erzählt wird. Denn trotz vieler kleiner Gags, nimmt sich der Film viel Zeit für sein Hauptthema - dem Herstellen qualitätsvoller Speisen. Ähnlich wie im Funés-Klassiker "Brust oder Keule" sind die Fronten von vornherein klar - hier der anspruchsvolle Gourmet, für den die Nahrungsaufnahme immer höchster Genuss sein sollte, dort der nur am wirtschaftlichen Erfolg interessierte Küchenchef, der sein Fast-Food erfolgreich vermarkten will.

Die Sympathien sind eindeutig verteilt, denn unsere Ratte Remy bekommt ausführlich Gelegenheit über den Genuss des Essens zu schwadronieren, Kochbücher zu studieren, einzelne Gewürze vorzustellen und erfindungsreich zu kochen. Immer wieder erleben wir ihn beim Würzen oder wie er mit dem Kochlöffel abschließend die Sosse über seiner Kreation verbreitet. Geschickt lassen die Macher den oft sehr einsamen Remy einen Dialog mit Gusteau, einem der berühmtesten Köche Frankreichs führen, der aus Trauer über den Verlust eines Sternes verstorben war, aber in Remys Fantasie weiterlebt und ihm die nötige Motivation gibt, es auch als Ratte in diesem Beruf zu versuchen.

Brad Bird und seine Crew nehmen sich viel Zeit für diese Details, von denen man annehmen kann, dass sie für einen Grossteil der Zuschauer eher unbekannt sind. So ist es nicht erstaunlich, dass sie Remys Geschichte in ein Umfeld stecken, dass mit den üblichen klar definierten Aufteilungen in Gut und Böse aufwarten kann, um so vertraut polarisieren zu können.

Da ist zuerst einmal Linguini, der schlacksige Junge, der als Koch ausgerechnet im Restaurant des verstorbenen Gusteau arbeiten möchte, aber keinerlei Begabung dafür aufweist. Nachdem Remy, der zufällig durch die Abflussröhren hier angespült wurde, eine von Linguini grauenhaft gewürzte Suppe zu einem Meisterwerk veränderte, erlangt dieser plötzlich eine Berühmtheit, die er aber nicht bestätigen kann. Bis er entdeckt, dass Remy dafür zuständig war und sie sich als Team zusammentun. Doch der eifersüchtige Küchenchef Skinner ahnt etwas...

Skinner ist eindimensional negativ angelegt als rachsüchtiger, cholerischer Zwerg, der nur an seinen eigenen Vorteil denkt. Linguini ist dagegen ein schusseliger Junge, der zwar kurz vom Ruhm geblendet wird, aber natürlich das Herz auf dem rechten Fleck hat. Warum die Macher ihm allerdings noch unbedingt Colette, die toughe motorradfahrende Köchin als Love-Interest servieren mussten, kann nur als Konzession an das weibliche Publikum verstanden werden, denn hier verliert "Ratatouille" seine sonst glaubwürdige Linie.

Dagegen ist die Figur des Kritikers Ego, der direkt aus einem Horrorfilm entsprungen zu sein scheint, besonders gelungen. Dessen Wandlung ist zwar nicht frei von Klischees, aber letztlich eine wunderbares Plädoyer für gehaltvolles Essen, dass gerade in seiner Einfachheit überzeugen kann - hier ist "Ratatouille" in seiner Botschaft auf der Höhe der Zeit, denn in den Gourmetküchen gilt inzwischen die Rückführung auf möglichst transparente und ursprüngliche Gerichte als das Mass der Dinge.

Insgesamt hält sich der Pixar-Film - Walt Disney untypisch - in seinen moralischen Botschaften erfreulich zurück, der zwar Werte wie Freundschaft, Ehrlichkeit und Familienbande anklingen lässt, aber schnell wieder zu Remys Kochleidenschaft überblendet, die vielleicht auch den unbedarften Zuschauer dazu animieren kann, auch einmal Speisen zu probieren, die ihm bisher weniger vertraut sind.

"Ratatouille" ist natürlich technisch und gestalterisch auf der Höhe der Zeit, bleibt aber in seiner Optik konventionell und ohne künstlerische Experimente. Vielleicht ist das auch notwendig, denn die Story widmet sich genreunüblich ausführlich den Vorgängen in einer Restaurant-Großküche und verzichtet auf übertriebene Action-Elemente, die hier seltener und meist angemessen vorkommen.

Das verleiht dem Film eine für moderne Animationsfilme ungewohnte Ruhe, die dem Thema des Genusses sehr entgegenkommt, aber vom Zuschauer auch eine gewisse Aufmerksamkeit erfordert . Natürlich werden solche Momente dann wieder von Slapstick- und Drama-Effekten abgelöst, so das "Ratatouille" auch diese Erwartungen erfüllen kann.

Vielleicht liegt hier der einzige Kritikpunkt in diesem Werk - dass mit einer Fülle an Ideen aufwarten kann, charakterlich differenzierte und klischeehafte Typen bietet, sich ernsthaft mit dem Genuss am Essen auseinandersetzt und gleichzeitig alberne, manchmal nervige Geschichten zum Beispiel um Linguini erzählt - das es sich nicht entscheiden kann. So bleibt zwar ein zufriedenes, aber gleichzeitig auch indifferentes Gefühl zurück (7,5/10).

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