Während den deutschen Handballern bei der WM im eigenen Land das nicht für möglich gehaltene Kunststück gelang, Weltmeister zu werden, musste sich die Elf des DFB mit dem dritten Platz begnügen. Während Fußball in Deutschland ein populärer Volkssport ist, führt Handball eher ein Schattendasein. Die Evidenz dieser Aussage lässt sich analog konstatieren, indem man sich die Einspielergebnisse der jeweiligen Dokus zum WM-Taumel anschaut: Während Sönke Wortmanns „Deutschland. Ein Sommermärchen" 4 Mio. Kinobesucher anzog, lockte „Projekt Gold - Eine deutsche Handball-WM" gerade 80 000 Besucher ins Kino. Die Prioritäten der Kinobesucher scheinen also obwohl der unterschiedlichen Klasse der Filme klar verteilt.
Während Wortmann - man verzeihe mir, dass ich den Vergleich im Weiteren immer wieder heranziehe - sich für das Drumherum der Spiele und der Nationalmannschaft inklusive einer deutschen Massenhysterie interessierte, während die Spiele einzig in kurzen Schnipseln und eher unglücklichen Kameraperspektiven thematisiert wurden, verteilt Winfried Oelsner - der zuvor am ehesten noch durch seine Regie des Fernsehfilms „Tsunami" (2005) auffiel - seine Prioritäten anders. Er erzählt stringent vom Verlauf der Handball-WM Anfang 2007 aus deutscher Perspektive, stellt uns einige Spieler wie Henning Fritz oder Michael „Mimi" Kraus und Pascal Hens vor geizt nicht mit Skurrilitäten um Platzsuche im ICE oder einen Stefan Kretzschmar, der unruhig zappelnd auf seinem Stuhl im Presseraum bei den spannenden Spielen den Kommentator korrigiert. Auch zahlreiche Mannschaftsbesprechungen, Heiner Brands Motivationsreden und Analysen des Gegners haben es in den sehr gelungenen Film geschafft. Der eigentliche Fokus jedoch liegt auf den Spielen in dieser harten Sportart, die - wie wir von den Spielern erfahren - nicht ohne Verletzungen bleibt. Von der Vorrunden-Niederlage gegen Polen über das Halbfinalspiel gegen Frankreich, welches zwei Verlängerungen bedurfte, um einen Sieg davon zu tragen bis hin zum Weltmeistertitel hätte sich kein Autor aus Hollywood ein spannenderes Drehbuch ausdenken können. Die besten Geschichten schreibt eben das Leben selbst. Und es ist auch den Gepflogenheiten des Handballs (Tore im Minutentakt) zu verdanken, dass „Projekt Gold" in langen Spielszenen aus gewohnter Fernseh-Perspektive ein mitreißendes, emotionales Dokument einer oft unterschätzten Sportart geworden ist. Klar ist das Ergebnis nicht perfekt und einige unnötige, um Humor bemühte Szenen fallen auf, doch verzeiht man das gern. Wortmann - um die Analogie zu Ende zu führen - kann sich eine Scheibe abschneiden.
Fazit: Zu Unrecht an der Kinokasse untergegangener Dokumentarfilm über die deutsche Handball-WM. „Projekt Gold" ist emotional, mitreißend, hoch sympathisch und schafft es zudem noch, narrativ nicht von seiner kontinuierlichen Linie abzuweichen. Auch aber nicht nur für Fans aufgrund der ausgedehnten Spiel-Sequenzen zu empfehlen.