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Die frühen Kottan-Folgen zeichneten sich durch eine hohe Eigenständigkeit aus, was einerseits dem zweimaligen Wechsel des Hauptdarstellers bis Folge 6 und der zeitlich weit auseinander liegenden Produktion der einzelnen Filme geschuldet war. Ein echter Seriencharakter, wie er später mit Lukas Resetarits als Kottan entstand, wurde trotz gewisser "Running-Gags" noch nicht ernsthaft angestrebt.

Auch "Nachttankstelle" verfügt über einen ganz eigenen Charakter, der schon in seiner genialen Eingangssequenz zu erkennen ist, die durch Konstantin Weckers Musik "Stur die Strasse entlang" unterlegt ist. Hier greifen die Macher ein letztes Mal auf den gesellschaftskritischen Gestus der Filmmusik zurück - wie in den ersten beiden Folgen mit der Georg Danzer Musik - indem sie Weckers radikalen Text über morgendliche Bilder von Wien und Kottans Wohnung legen. Diese Ernsthaftigkeit bleibt trotz der seit "Wien Mitte" verstärkt eingesetzten Satire-Elemente stilbildend für diese Folge, die in ihrem Storyaufbau sehr nahe am klassischen Krimi ist.

Frau Eppler (Luise Prasser) betreibt mit der Hilfe ihrer zwei Söhne Harald und Rudi eine Tankstelle nebst eines dazugehörigen Lokals, welche auch über Nacht geöffnet sind. Zwischen Harald und Rudi gibt es Schwierigkeiten, als sich die hübsche Lissy (Ulli Maier) von Rudi trennt und sich stattdessen mit seinem Bruder einlässt. An einem Abend kommt es während Haralds Dienst zu einem merkwürdigen Raubüberfall der Tankstelle, bei der ein Kunde ausgeraubt wird. Eine Tat, die von Rudi aus einem Versteck heraus beobachtet wird. Nachdem die Polizei den Tatort wieder verlassen hat, wird Harald von einem maskierten Mann in die Garage gedrängt und dort erschlagen. Sein letzter Ausruf lautet "Rudi!", aber hat er den Täter wirklich erkannt ?

Ähnlich wie in der ersten Folge "Hartlgasse 16a" konzentriert sich der Film längere Zeit ausschließlich auf die Vorgänge in der Nachttankstelle. Besonders die Konstellation mit den jeden Abend dort anwesenden Prostituierten und ihrem Zuhälter, sowie diverser einsamer Nachtgestalten, kann trotz aller Skurrilität eine sehr genaues atmosphärisches Bild dieser Lebenssituation vermitteln. Luise Prasser hatte schon in "Hartlgasse 16a" eine authentische Darstellung der neidischen Nachbarsfrau gegeben und erweitert mit der zynischen Wirtin und Tankstellen Chefin ihr Repertoire auf das gelungenste. Die Szene, als sie vom Tod ihres Sohnes Harald erfährt, und sich Trauer in ihrem Gesicht zeigt, vermittelt großartig diese Mischung aus Emotion und Resignation.

Dass man als aufmerksamer Beobachter die Lösung zu ahnen beginnt, ist kein Nachteil des Films, sondern macht deutlich, wie genau beobachtet und schlüssig die Story konstruiert ist. Die Abläufe sind nachvollziehbar und werden durch die Charaktere in ihrem Verhalten untermauert, bis Major Kottan nicht ohne fremde Hilfe den Fall löst. Durch diese Ernsthaftigkeit in der Schilderung des Kriminalfalls und des Milieus in dem dieser stattfindet, wirken die sich überschlagenden Ereignisse im Privatleben des Major Kottan manchmal etwas aufgesetzt.

Die Ereignisse um die plötzliche Schwangerschaft seiner Tochter bis zur Hochzeit mit Gerhard Bösmüller, dem seit "Der Geburtstag" bekannten Geliebten, verzahnen sich nicht mit der Hauptgeschichte. Zwar kann "Nachttankstelle" auch damit sehr gut unterhalten, aber die vierte Folge verfügt nicht über den einheitlichen Charakter der ersten drei Folgen, denen die Verzahnung aus Milieuschilderung, Gesellschaftskritik und Satire überzeugender gelang (7/10).

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