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30 Jahre hat es insgesamt gedauert, bis der italienische Regisseur Dario Argento seine von vorne herein als Trilogie angelegte "Mütter" Reihe beenden sollte. Die beiden ersten Filme sind den meisten alteingesessenen Horrorfans ein Begriff - zumindest das Meisterwerk Suspiria sollte es schon sein! 1977 entstanden, kam der nicht minder beeindruckende Nachfolger Inferno bereits drei Jahre später in die Lichtspielhäuser. Ab dato begann eine lange Phase des Hungerns; ein Hunger nach mehr, ein Hunger nach Vollendung. Inzwischen schreiben wir 2008, das Martyrium des Wartens nimmt langsam ein Ende: Zum Jahresende 2007 konnten schon bereits einige Glückliche im italienischen Kino den nach 27 Jahren längst überfälligen dritten Teil der "Mütter" Trilogie, La Terza Madre, sehen - wenn auch nur in einer geschnittenen Fassung; doch in Kürze wird ein jeder den lang ersehnten Abschluß der "Mütter" Trilogie erfahren dürfen - die ersten DVD Veröffentlichungen stehen bereits an!

Und kann La Terza Madre die hoch gesteckten Erwartungen erfüllen? Kann der in den letzten Jahren filmisch eher zwiegespalten aufgenommene Dario Argento die Genialität seiner beiden ersten "Mütter" Filme wieder erreichen? Nach Sichtung mein Fazit: La Terza Madre ist - wie angenommen - der schwächste Teil der "Mütter" Trilogie, audiovisuell leider nicht annähernd so brilliant wie Suspiria oder Inferno, inhaltlich aber gewohnt interessant und endlich die letzten Geheimnisse enthüllend.

Dabei ist die Storyline wie in den beiden Vorfilmen relativ simpel gestrickt: Bei einer Ausgrabung in der Nähe Roms wird eine altertümliche & handgeschnitzte Truhe gefunden, die in die zarten Hände zweier Kunststudentinnen gelangt. Als die beiden die Truhe untersuchen und eine der Studentinnen sich beim Öffnen dieser schneidet, wird durch ihr Blut der Geist der dritten Mutter (ihres Namens Mater Lacrimarum) befreit, die sogleich ihre bösen Diener entsendet um den Inhalt - unter anderem ihre Toga - zu sich holen zu lassen. Während eine der Kunststudentinnen dabei von den Sektenanhängern getötet wird, kann ihre Freundin Sarah (Asia Argento) fliehen und macht sich auf das Geheimnis der dritten Mutter zu lösen; nicht zuletzt weil auch der Sohn ihres Freundes und Leiter des Musums Michael von der Sekte entführt wurde...

Das die Form über dem Inhalt steht hat bei Suspiria und Inferno ja ob der brillianten Farbgestaltung & des opulenten Sounddesigns kaum gestört, bei La Terza Madre muss leider gesagt werden das Argento hier quasi die Form neben den Inhalt stellt und dabei visuell so gut wie gar nicht an Altes anknüpft. So gibt es hier keine satten Farbspielereien in Technicolorfarben, wirklich beeindruckende Kamerafahrten sind nur selten auszumachen und auch der Simonetti-Score vermag ausnahmsweise auch nicht wirklich zu fesseln, wenn auch die orchestralen Klänge sich gut ins düstere Geschehen einfügen. Sehr sehr schade - hier hätte man sich deutlich mehr erwarten dürfen!

Trotzdem gelingt es Argento nach leichten Anlaufschwierigkeiten eine packende Atmosphäre zu schaffen und trotz kleinerer Durststrecken innerhalb der Storyline mit geschickt plazierten Schockmomenten & bedrohlichen Szenenabfolgen den Zuschauer beim Schopf zu packen und ihm daraufhin gnadenlos das Messer durch die Kehle zu rammen. Einige Szenen haben es wirklich in sich - und das nicht nur vom Gore aus betrachtet! Wenn beispielsweise das bösartige Kapuzineräffchen die Auftritte der Sekte ankündigt kommt Spannung pur auf. Leider sind diese Schockmomente meist nur Aufhänger für darauf folgende, immens derbe Blutszenen, welche ziemlich selbstzweckhaft von Sergio Stivaletti inszeniert wurden. Natürlich ist das Groß der F/X handgemacht und wie von Argento "versprochen" schon mit das derbste was bisher in seinen Filmen zu sehen war - wenn auch nur bedingt kreativ. Manches davon kennt man nämlich schon aus anderen Filmen bei denen Argento mitgewirkt hat - so ist in einer Szene solch eine "Kiefernschraube" wie aus The Church zu sehen.

Überhaupt kommt einem so manche Szene bekannt vor: Es gibt eine Hetzjagd durch einen Zug (Sleepless), oder wie bereits im Trailer zu sehen war flieht Asia Argento durch ein Becken voller Körperteile & Schlamm; hier läßt Phenomena grüßen. Argento aber zu unterstellen das er hier aus Ideenmangel einen Einheitsbrei verschiedener Fragmente älterer Filme zusammengemixt hat wäre aber unfähr und zu weit gegriffen. Auch wenn inhaltlich einem nicht sonderlich viel Tiefgang geboten wird, das Groß der Story Sektenanhänger jagen die den Hexenkult entmystifizierende Hauptdarstellerin ist, wird man trotzdem gut unterhalten. Denn mit dem nötigen Drive versehen und mit so gut wie keiner Minute Verschnaufpause entfaltet sich die Sogwirkung des dritten Mutter Films immer mehr - bis hin zum krachenden, leider aber insgesamt doch zu einfallslosem Finale.

Auch wenn wie gesagt nicht die optische Brillianz früherer Werke erreicht wird und auch manch Element eher störend denn förderlich für die Form ist - so sehen die die Stadt überflutenden Hexen viel zu überschminkt und furiesk aus, La Terza Madre ist um einiges besser als der Trailer schließen ließ. Vielleicht wird manchmal etwas über das Ziel hinaus geschossen - die Szenen in denen Sarahs Mutter als Geist eine Helferrolle übernimmt wirken doch etwas zu überkonstruiert, doch wirklich dämlich wird es eigentlich nicht. [Ich beziehe mich hier auf das mit gemischten Gefühlen aufgenommende Szenenbild in der eine der Hexen mit ihrer langen Zunge einer anderen am Arsch rumleckt].

Dafür ist Argento dann doch zu bemüht der "Mutter-Trilogie" einen im Rahmen würdigen Abschluß zu verpassen. Besetzt hat er diesen letzten Teil in der Hauptrolle mit seiner Tochter Asia, welche wieder einmal zeigen darf das doch eine fähige Schauspielerin ist, aber bei weitem leider nicht an ihr tolles Schauspiel & dramaturgische Auslebung ihrer Rolle beim Stendhal Syndrome heran kommt. Der Rest des Casts bleibt leider eher blass & dient eher dazu den grausamen Mordphantasien der Mater Lacrimarum Farbe zu geben. Erwähnenswert lediglich Udo Kier, welcher hier als Priester ähnlich wie seiner Rolle bei Suspiria einen beratenden Kurzauftritt hat, der mit einem recht grobschlächtigen Abgang belohnt wird. Denn der aufkeimende Wahnsinn in den Straßen Roms - wenn auch nur grob angerissen - macht selbst vor den heiligen Hallen nicht Halt, gar ein Baby muß dran glauben - keine Angst, nur Plastik; das war genauso unverkennbar wie die CGI Flammeneffekte!

Trotz enttäuschendem, weil viel zu abrupten & unspektakulären Ende und des bereits angesprochenen Mankos fehlender visueller Brillianz der Vorgänger würde ich La Terza Madre trotzdem solide 7/10 geben - immerhin hat es Argento geschafft der Reihe einen einigermaßen würdigen Abschluß zu verpassen und dabei nicht ganz die Wurzeln der Vorgänger vergessen - so ist die Mutter Sarahs eine Tänzerin in der bekannten Ballettschule Freiburgs gewesen! Wenn man sich auch (ebenfalls inhaltlich) mehr hätte erhoffen können & auch wenn die Erwartungshaltung utopisch hoch war: Man kann nicht erwarten das 27 Jahre später dieselbe Energie & Kreativität in jemanden fließt - bei keinem Menschen. Ein jeder Argento ist eben anders, jeder auf seine Weise persönlich. Immerhin sieht man bei ihm noch das er Filme mit dem Herzen macht und den Spaß am Genre nicht verloren hat. Danke dafür Dario!

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