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Filmwerke aus dem Hause Guillermo del Toro sind schon immer ein Garant für wohlige Unterhaltung. Egal ob als Regisseur oder als Produzent, wo del Toro drauf steht darf man Qualität erwarten. So hat der Filmemacher z. Bsp. mit "Hellboy" eine der besten Comicverfilmungen überhaupt abgeliefert und uns im letzten Jahr mit "Pan's Labyrinth" hochwertig in das Reich der Fantasien zu tragischen Zeiten geführt. Letztes Jahr nun lies er mit Juan Antonio Bayona einen Debütanten auf den Kino-Regiestuhl Platz nehmen, der unter del Toros Produktion einen Grusler auf die Beine stellen soll, der voll Tragik steckt, dabei es aber nicht versäumt, das Publikum wohlig zu erschrecken. Und das es ihm gelungen ist, kann man nun an "Das Waisenhaus" nur all zu deutlich erkennen, dem vielleicht schon jetzt schaurigsten Kinofilm des Jahres 2008 hierzulande.

"Das Waisenhaus" ist einer der wenigen Gruselfilme, die es nicht nur schaffen mit eisigen Schocks und beissender Atmosphäre das Publikum zum bibbern zu verleiten, sondern die auch in Sachen Story nahezu alles richtig machen. Schon die Grundgeschichte gefällt. Laura, die vor vielen Jahren in einem mittlerweile abgebranntem Waisenhaus aufgewachsen ist, fasst den Entschluss, das Haus wieder aufzubauen und dort erneut eine Einrichtung zu eröffnen, die sich um Waisenkinder kümmert. Doch schon beim Aufbau des Hauses ereignen sich merkwürdige Dinge und ihr adoptierter Sohn behauptet mit imaginären Kindern zu spielen. Als er eines Tages Laura ein Versteck zeigen will und diese interessenlos abwinkt, verschwindet er plötzlich. Während der verzweifelten Suche nach ihrem Sohn scheint nun auch Laura mit den Geistern in Kontakt zu geraten, doch das schockierendste Geheimnis steht ihr noch bevor... Man merkt es dem Skript von Anfang bis Ende an, hier wurde wirklich Meisterliches vollführt. Von Anfang bis Ende bleibt die Story packend und interessant, ist umhüllt mit allerlei Mythen und dennoch bis zum bitteren Schluss logisch. Es bleibt immer interessant und vor allem spannend.

Denn die große Kunst des Gruselns, versteht "Das Waisenhaus" nur allzu deutlich. Und das nicht durch sonderliche Brutalitäten und banalem Hokus Pokus, sondern vor allem dadurch, dass die Handlung bis zum Schluss nicht wirklich greifbar ist. Der Zuschauer muss sich den innerlich zerrissenen Figuren hergeben und weiss nie so recht, ob das was er das gerade auf der Leinwand zu sehen bekommt Realität ist oder sich nur in den Gedanken der Figuren abspielt. Dabei wird viel Wert darauf gelegt, die Charaktere und ihre Machenschaften nie zu stark zu erklären, sondern ihnen immer noch ein Fünkchen Mystik bei zu halten. Einfach nur wunderbar versteht es der Film, die teils enormem psychischen Probleme der Figuren aufzuzeigen und dabei dem Zuschauer immer noch die Möglichkeiten zu lassen, ob er das Gesehene nun für ein Hirngespinst hält oder doch für möglicht. Auf überflüssige Erklärungen wird verzichtet, sondern alles wird einem nur so weit offenbart, wie es gerade noch nötig ist.

Damit sich die einzelnen, teils tief traumatischen, Szenen auch wirklich beim Zuschauer einbrennen, hat Regisseur Bayona das ganze Treiben zudem mit einer Atmosphäre verfeinert, welche seines gleichen sucht. Während er in den ersten 30 Minuten die Spannungs- und Atmosphärenschraube noch relativ behutsam aufdreht, geht es spätestens nach der halben Stunde ans eingemachte und man rutscht im Kinosessel mitunter bedrohlich tief in die Sitze. Teilweise dürfte sich der ein oder andere vielleicht sogar dabei erwischen, wie er sich den Pullover vor das Gesicht zieht, so beissend atmosphärisch und gnadenlos gruselig ist das ganze Treiben mitunter. Vor allem das Design und die Ausstattung des Hauses an sich, bürgen für einige wirklich schaurige Momente. Alles untermalt mit der richtigen Musik und mit so manch grandiosem Schockeffekt versetzt, dürften selbst die einverstandensten Gruselkenner noch ihre Schauer über dem Rücken erfahren.

Und trotz allem Grusel und Schrecken zum Trotz, bleibt der eigentlich höchst dramatische Ablauf der Geschichte in jedem Moment spürbar. Wie schon weiter oben erwähnt, sind die Charaktere nahezu alle irgendwo innerlich zerrissen und auch die verzweifelte Suche nach dem Jungen lässt einem nie kalt. Während man sich an so mancher Szene fasst in die Hosen macht, ergeben sich auch viele Momente, bei den man sich einer Träne im Auge nicht verwehren kann, vor allem wenn man weiß wie es ist, wenn man einen geliebten Menschen schon einmal gesucht hat und nicht wusste, ob er noch lebt oder nicht. Definitiv ein weiterer großer Verdienst der spanischen Filmkönner hinter der Kamera.

Abgeschlossen wird der Film dann noch mit einem Aha-Effekt der sich gelohnt hat und der einer, eigentlich mehr als bedeutungslosen Szene, relativ zu Beginn des Films, eine Wichtigkeit verleiht, die man vorher kaum erahnt hat. Die Erkenntnis, was mit dem verlorenen Sohn passiert ist, ist erschreckend und eigentlich der größte Schockeffekt überhaupt. Zwar wird das höchst traurige Ende dann auch hier, ähnlich wie beim Pan, in ein etwas positiveres Licht gerückt, doch die Erkenntnis, dass der wahre Horror hier eher in den realen Erlebnissen der einzelnen Figuren zu finden ist, als bei irgendwelchen oberflächlichen Effekten, lässt das Ganze so dennoch auf eine äußerst passende Art und Weise enden.

Aber nicht nur hinter der Kamera wurde Großartiges vollführt, auch die Darsteller leisten hier von Anfang bis Ende beste Arbeit. Auch wenn sie größtenteils eher unbekannter Natur sind, so leisten sie doch teilweise mehr, als ihre großen Kollegen aus Hollywood. Vor allem Hauptdarstellerin Belén Rueda bringt ihre Figur dem Zuschauer nahe, wie nur irgend möglich. Dazu die wunderbare Geraldine Chaplin welche ebenfalls eine wunderbare Leistung als Medium vollbringt. Hier kann man wirklich rundum zufrieden sein.

Fazit: "Das Waisenhaus" beweist eindeutig, dass es möglich ist einen schaurig guten Gruselfilm so umzusetzen, dass man an keiner Stelle Abstriche machen muss, um den Zuschauer das Fürchten zu lehren. Weder bei der Story, die hier von Anfang bis Ende überzeugt und durchgehend logisch bleibt, noch bei der Tiefe der Figuren, noch sonst wo. Er überzeugt zu jeder Sekunde und kann sowohl als tiefgehendes Drama, als auch als Charakterstudie und erst recht als Gruselfilm wirklich ernst genommen werden. Das Ende rundet das Ganze zudem bestens ab und man darf sich sicher sein, dass die Leistung aller Beteiligten des Films so schnell wohl nicht mehr, von anderen Genrefilmen in diesem Jahr, getoppt werden kann. "Das Waisenhaus" ist ein Filmerlebniss, welches man so schnell nicht vergessen will und wird!

Wertung: 9/10 Punkte

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