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14 Nominierungen für den „Goya", den spanischen Oscar und etliche Auszeichnungen sprechen eine deutliche Sprache: Bei Das Waisenhaus muss es sich scheinbar um ein Meisterwerk handeln. Und das ist bei Mysteryfilmen wahrlich selten der Fall, schaut man sich die Beiträge zu diesem Genre aus jüngster Vergangenheit an: An American Haunting (mit Sissy Spacek und Donald Sutherland) oder The Return mit (Sarah Michelle Gellar) hießen die bekannteren Beiträge aus Hollywood Anfang vergangenen Jahres und versagten in künstlerischer Hinsicht beide kläglich.

Das Waisenhaus
hat mit Ausnahme von Geraldine Chaplin (Sprich mit ihr, Beresina) in einer Nebenrolle als mysteriöses Medium und natürlich Produzent Guillermo Del Toro (sein Werk Pan´s Labyrinth gewann im vergangenen Jahr drei Oscars) keine großen Namen zu bieten. Doch dies scheint kein Hindernis zu sein, einen im Gesamtvergleich guten, wenn auch nur bedingt originellen Gruselfilm zu inszenieren. Aber wie heißt es so schön: Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht.

Das Ehepaar Laura (Belé Rueda), die selbst ohne Eltern großgezogen wurde, und Carlos (Fernando Cayo) wollen einer Handvoll geistig beeinträchtigter Waisenkinder ein liebevolles Zuhause geben. Zusammen mit ihrem ersten Adoptivkind Simón (Roger Príncep), welcher immerzu mit unsichtbaren Freunden spielt, kehren sie dazu an den Ort von Lauras Jugend, ein altes Waisenhaus, zurück. Doch als eine sinsistre ältere Frau auftaucht und Simón plötzlich verschwindet, häufen sich die seltsamen Vorkommnisse, die darauf schließen lassen, dass es in dem Haus spukt...

Bis auf eine krasse Ausnahme kommt Das Waisenhaus dabei wohltuend subtil daher und verzichtet auf blutige Effekte. Die Spannungsschraube wird zusehends angezogen und spätestens wenn die Geister dann auch sichtbar werden, dürfte selbst der letzte Zuschauer im Saal eine beklemmende Gänsehaut bekommen. Die größte Stärke dieses Mystery-Horrors besteht allerdings in der psychologischen Komponente, die dem ganzen Geschehen dramatische Züge verleiht. Die Mutter bangt um ihr Kind, glaubt es an etlichen Orten wieder zu sehen, wirkt zunehmend panisch. Belé Rueda spielt ihre Figur zwischen Wahnsinn, mütterlicher Besorgnis und Hysterie brillant.

Zudem schwingen im Subtext des Films stimmungsvolle Motive mit, die am überraschenden und sogar halbwegs plausiblen Ende (was in diesem Genre eine Seltenheit darstellt) wieder aufgegriffen werden. Die Geschichte um Peter Pan und das Widersetzen, erwachsen zu werden, soll neben dem Einlassen auf die Spiele der Kinder durch die Erwachsenen des Rätsels Lösung darstellen mit der Pointe, dass etwas mehr Aufmerksamkeit das Mittel ist, um ein familiäres Gefüge zu erhalten. 

Da verzeiht man all die mehr oder minder ungenierten Anleihen bei den Motiven von Filmen wie The Others und selbst Freitag, der 13. (ein verunglücktes missgebildetes Kind und seine rachsüchtige Mutter sollen hier eine Rolle spielen) gern - seien sie nun gewollt oder nicht. Besonders im Genre des Gruselfilms ist es aber ohnehin schwierig, den altbewährten Motiven etwas wirklich Innovatives hinzuzufügen - was hier schon auf einem anderen Wege hinsichtlich dem Wie der Geschichte gelang. Insofern kann man Das Waisenhaus als Vertreter filmischer Postmoderne begreifen: Bereits bekannte Motive werden neu gedeutet, zitiert und/oder miteinander verknüpft (hier: Mysteryhorror und Drama); Realität und Fiktion - hier gar auf unterschiedlichen Zeitebenen - verschmelzen miteinander und der narrative Inhalt wird im Abkehr zur Moderne wieder über die (bild-textliche) Form gestellt, wie es nicht nur Umberto Eco formulierte.  

Atmosphäre, Dramaturgie und die Darstellerleistungen sind bei Das Waisenhaus auf höchstem Niveau, die stilsichere Kameraarbeit überzeugt ebenso wie der zurückhaltende Score. Auf jeden Fall ein spanischer Beitrag zum Geisterfilm-Subgenre, den man sich nicht entgehen lassen sollte.    

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