Review

Alle Jahre wieder zu Weihnachten erfreut uns das Kino wieder mit einer neuen Kreation aus der CGI-Küche, die uns das nächste Fantasy-Epos mundgerecht auf den Gabentisch legt. Nach "Narnia" im letzten Jahr, wird diesmal der erste Teil der noch recht jungen Trilogie ""His Dark Materials" von Philipp Pullman serviert.

"Der goldene Kompass" weist dabei sämtliche beliebte Details auf, die das Kinopublikum scharenweise an ihre Kultstätte führen soll : optisch beeindruckende, meist am Computer entworfene Locations, bekannte Stars (Daniel Craig, Nicole Kidman), eine pfiffige Kinderdarstellerin (Dakota Blue Richards) und viel, viel animierte Action. Fantasy-Romane bieten sich in der Regel als geeignete Grundlage für eine solche Umsetzung an, da sie einerseits in fremde Welten führen und gefährliche Konstellationen zeigen, andererseits nicht wirklich etwas riskieren und das Publikum mit einer historisierenden Optik und auf einfache Strukturen reduzierte Auseinandersetzungen bewusst nicht fordern.

So werden die vielen Millionen bei der Produktion des Films gelungen eingesetzt, aber es ist an jeder Einstellung zu erkennen, dass die Designer nicht das geringste Risiko eingingen. Das technisch aufgemotzte Zeppelin-Luftschiff, der Blick auf ein Art-Deco-London, die Eiswelten mit dem Eisbären-Palast oder der Forschungsstation bis hin zu Details wie dem Eisbärenpanzer gehen auf eine unzählige Anzahl von Bilderbüchern, Comics (Schuiten-Peeters) und historische Fotos zurück, die nur eins im Sinn haben - unser Auge möglichst störungsfrei zu verwöhnen. Eine solche Vorgehensweise ist angesichts des erheblichen investierten Kapitals verständlich, lässt bei Ansicht des Films allerdings niemals den Eindruck entstehen, an einem individuellen Werk teilzuhaben, wie es so gerne mit einer solchen Fantasy- Geschichte um den goldenen Kompass behauptet wird.

Ähnlich einfach gestrickt wird auch die politische Konstellation aufgebaut, die wie üblich von diktatorischen Verhältnissen ausgeht, die hier durch das Magisterium repräsentiert wird. Interessanterweise sehen die Herrscher in ihrem Ornat Kirchenfürsten nicht unähnlich, was aber im Film nicht zu ernsthaften Seitenhieben genutzt wird. Die Schwäche der filmischen Konstellation liegt besonders darin, dass es nur freiheitsliebende,gute Menschen (und Tiere) gibt oder Vertreter der herrschenden Klasse, deren Zustandekommen nicht nachvollziehbar ist.

Schon die Szenerie zu Beginn verdeutlicht das, als die selbstverständlich wilde, freche Lyra (die sich bei gesellschaftlichen Anlässen natürlich sofort in ein wohlerzogenes Mädchen wandelt), Zeuge eines Attentates auf ihren Onkel Lord Asriel wird, welches von einem finsteren Vertreter des Magisteriums ausgeführt wird. Abgesehen davon, dass diese Situation viel zu spannungsarm im Sekundentakt erledigt wird, fragt man sich, warum ein Freidenker wie Lord Asgard bis zu diesem Zeitpunkt unabhängig walten konnte und sogar Geldmittel für seine Forschungen erhielt, während die Herrscher auf solche Mittel zurückgreifen müssen, obwohl sie doch die Polizeioberhoheit haben.

Fast wirkt es so, als bräche das Unheil erst im Moment des Filmbeginns ein. Wie die Herren des Magisterium an die Macht kamen (z.B.durch Wahlen), welche Intentionen sie verfolgen (außer natürlich die Weltherrschaft) und warum Mrs.Coulter für die Machthaber arbeitet, wird nicht erklärt. Die einen sind Gut, die anderen Böse, fertig ! - Zur Erleichterung der Identifikation wird dabei ein im Grunde origineller erzählerischer Schachzug benutzt - die Symbolisierung des Charakters durch so genannte Dämonen, die jedem Menschen ein Tier zur Seite stellen. Das ist optisch ausgezeichnet umgesetzt und macht schnell klar, welche Rolle hier Jemand inne hat. Schlangen, bösartige Wölfe und sonstige Raubtiere stehen majestätischen Geparden oder süßen Mäusen gegenüber - wer das nicht versteht, dem kann selbst dieser Film nicht mehr helfen.

Darin ist auch die interessanteste und einzig nicht eindeutige Figur zu erkennen, die von Nicole Kidman dominant dargestellt wird. Ihre Affe ist vordergründig freundlich, kann aber zum bösartigen Raubtier werden. Sie vermittelt die Form von Ungewissheit, die Spannung erzeugen kann und auf die der Film sonst leider gänzlich verzichtet. Denn das Geschehen, dass mit einer Unmenge an Fakten und schnellen Aktionen zuerst mehr Verwirrung als Klarheit stiftet, läuft in einer Linearität ab, die keine Sekunde Zweifel am Ergebnis lässt. Immer wieder wird dabei auf einen "Deus ex Machina" gesetzt, der in kritischen Situationen wie aus dem Nichts zur Hilfe auftaucht.

Als zum Beispiel einmal Unmengen von Hexen (deren Existenz nie erklärt wird) über die Protagonisten hinweg fliegen, werden Zweifel an deren Parteinahme geäußert, was einen kurzen Spannungsmoment erzeugt. In einer kritischen Kampfsituation sind sie dann plötzlich da und stehen Lyra und ihren Freunden bei. Warum sie auf ihrer Seite sind, wieso Lyra zuvor daran Zweifel hatte, warum sie im richtigen Moment kamen und wohin sie dann wieder gehen, wird nicht erklärt.

Angesichts dieser Unmenge von Ereignissen und Informationen, die in den zweistündigen Film gequetscht werden, erstaunt es nicht, dass Identifikationen oder tiefere Charakterisierungen hier nicht stattfinden, so dass der Film nie fesseln kann, wenig Spannung erzeugt und nur deshalb unterhält, weil er auf eine unzählige Menge an populären Details setzt, die man einem Fast-Food-Menü gleich konsumiert - viel leere Luft und ohne ein Gefühl der Sättigung zu erzeugen (4/10).

Details
Ähnliche Filme