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Robert Zemeckis war schon immer ein Mann des großen Kinos und setzte schon immer auf moderne Technik um visuell und akustisch aufregende Filme zu inszenieren. So revolutionierte er die Symbiose aus Zeichentrick- und Realfilm in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ oder setzte auch in seinem vielleicht besten Film „Forrest Gump“ perfekt dosierte Bildeffekte ein und ließ zum Beispiel Tom Hanks täuschend echt John F. Kennedy die Hand schütteln. 2004 folgte mit „Der Polarexpress“ eine neue Stilrichtung des Animationsfilms – mit dem neuen Verfahren des Performance Capture wurden nun die reale Mimik, Gestik und die natürlichen Bewegungsabläufe der agierenden Schauspieler in Computerdaten verwandelt. Damit entstand eine völlig neue Optik, die bei aller technischer Brillanz (vor allem in der Gestaltung der Hintergründe) ihre Charaktere merkwürdig seelenlos und grobschlächtig erscheinen ließ.

Die Verbesserung des Motion Capture scheint Zemeckis zu beschäftigen, ja zu begeistern. Zwei Jahre nach dem „Polarexpress“ folgte „Monster House“, bei dem Zemeckis allerdings nur als ausführender Produzent fungierte und mit „Beowulf“ eine weitere Regiearbeit im selben Verfahren. Und gleich vorweg: Auch der neue Zemeckis-Film leidet mindestens genauso stark an der neuen Technik wie er von ihr zweifelsohne auch profitiert. Wieder krankt der Film an seiner harten Oberflächenästhetik, an der größtenteils unnatürlichen Körperlichkeit der Figuren. Deutlich wird dieser Aspekt schon zu Beginn als der Zuschauer die emotionslose Maske der Königin Wealthow erblickt. Sicher passt dieser stoische Blick bestens zu der emotionalen Kälte, der die Königin ausgesetzt ist – dennoch offenbart ihr erschreckend künstliches Gesicht ein Defizit der Technik. Robin Wright Penn ist kaum zu erkennen in der starren Figur. Überhaupt bleibt unklar, warum Zemeckis jeden Schauspieler nur als Computer-Ich auftreten lässt – „Herr der Ringe“ hatte mit einem genialen Andy Serkins als Gollum bewiesen, wie sinnvoll der Einsatz von Performance Capture Technik sein kann. Doch auf echte Schauspielerei zu verzichten und ganz auf die stilisierte Animationsoptik zu setzen kostet den Film leider seine Seele.

Dennoch schafft es „Beowulf“ menschlich zu wirken und vor allem durchweg zu unterhalten. Um ein älteres Zielpublikum anzusprechen als mit den beiden vorigen Animationsfilme aus dem Hause Imageworks. Auch die Filme aus dem Hause Pixar oder Fox richten sich in ihrem Subtext und ihrem skurrilen Charakterdesign an erwachsene Zuschauer doch „Beowulf“ beinhaltet grafische Gewalt sowie viele düstere Sequenzen. Dabei verzichtet man nicht auf augenzwinkernden Humor, der sich nicht die Gelegenheit entgehen lässt bekannte Heldenmythen zu ironisieren, ihnen aber dennoch ein Denkmal zu setzen. Das Drehbuch nimmt das zugrunde liegende Epos durchaus ernst, peppt den etwas trivialisierten Handlungsverlauf durch saloppen Humor auf. Beowulf selbst, übrigens in der Animation am menschlichsten geraten, wird von Ray Winstone („The Proposition“) hervorragend interpretiert. Zunächst wirkt der als strahlender Held eingeführte Krieger leicht arrogant und affektiert. Während Zack Snyder in „300“ archaische Männlichkeitswerte bierernst in ein stylisches Gewand hüllte, so unterliegt das klassische Heldentum in Gestalt Beowulfs damit einer ironischen Brechung. Ein wenig Aufschneiderei ist dabei wenn er von alten Ruhmestaten erzählt doch in den Kampfszenen beweist er dann seine real existenten Qualitäten. Nackt steht er dem Monster Grendel gegenüber und in geradezu lächerlicher Prüderie verschleiert der Film während des gesamten Kampfes die Geschlechtsteile des Kriegers. Im Simpsons-Film gibt es eine denkwürdige Szene, die diese absurde Hollywood-Gewohnheit exakt karikierte.

Als Beowulf Jahre später erneut gegen ein Ungeheuer Kämpfen muss und sich das Schicksal gleich auf mehreren Ebenen wiederholt will er zumindest seiner Gemahlin in Erinnerung bleiben wie er wirklich war – nicht nur ein glanzvoller Held sondern ein fehlerhafter Mann der sich oftmals dem Laster hingab. Nicht nur in die königlichen Fußstapfen des alten Monarchen (Anthony Hopkins als träge gewordener, innerlich zerfressener Herrscher Dänemarks), dem Beowulf einst zu Hilfe gegen das Monster kam, tritt der Held. Er erliegt gleichwohl denselben Verlockungen und kann nicht gegen Grendels Mutter ankommen. Diese wird dargestellt von einer Plastikversion Angelina Jolies, erscheint als hypersexualisierte Femme Fatale und zieht alle Männer in ihren dämonischen Bann. Die familiären Verstrickungen sind leicht durchschaubar und offenbaren keinerlei Überraschungen, außer eben den simplifizierenden Eingriffen in die alte Geschichte. In Szenen wie der übereilten Thronübergabe entfernt sich die Story weit von den Intentionen der Vorlage, deren Struktur zwar weitgehend übernommen wird, letztendlich wird aber nur lose das symbolbehaftete Versepos zitiert. Neben den ironischen Anspielungen verweisen aber auch Details wie das Schwert, welches Beowulf überreicht bekommt, auf den originalen Text.

Dieser stellt einen der größten Schätze der angelsächsischen Dichtkunst dar und blickt auf eine traditionsreiche Geschichte der Modifizierungen und Modernisierungen. Wie universell die Geschichte funktioniert beweisen die wie von selbst auf wallenden Gefühle, denen nur noch die unbeholfene Mimik der Figuren im Wege steht um sich endgültig zu entfalten können. Somit ist „Beowulf“ ein bedeutender technischer Fortschritt gelungen, mehr als nur eine visuelle Fingerübung aber zugleich zeigt der Film eben auch Grenzen der Animationstechnik auf. Wie sinnvoll und bereichernd der Einsatz eines Motion-Capture-Anzugs sein kann beweist eindrucksvoll der toll designte Grendel, Crispin Glover ist zwar nicht zu erkennen, gibt der Figur aber mehr emotionale Tiefe als die anderen Schauspieler es bei ihren menschlichen Äquivalenten erzeugen können. In Hinblick auf solche Charaktere - Grendel ist ein furchtbar entstelltes, groß gewachsenes Monstrum (wahrscheinlich ein Troll) – erweitert die neue Technik die Möglichkeiten traditioneller Kostümierung um einen entscheidenden Punkt. Überraschenderweise wirken so die Bewegungen des Monsters und die aufwendigen Kampfszenen naturalistischer als die Menschen. Mit echten Darstellern und sparsamerem Einsatz von Motion Capture wäre Zemeckis wahrscheinlich ein eindrucksvollerer Film gelungen.

Bei aller Schelte in Hinblick auf das leblose Charakterdesign und die manchmal tumben Bewegungsabläufe, müssen auch die positiven Aspekte erwähnt werden. In „Beowulf“ beeindrucken die wunderschön arrangierten Landschaftsaufnahmen, die detailreichen Hintergründe, die gut getimten Actionsequenzen. Auch akustisch überzeugt der Film, eine Vielzahl effektiver Soundeffekte unterstreicht die organische Wucht der tadellos inszenierten Action und der sauber komponierte Score von Altmeister Alan Silvestri hebt besonders den heroisch-märchenhaften Charakter der Geschichte hervor.

Fazit: Nach drei Jahren Abstinenz gelingt Zemeckis wieder ein astrein inszenierter Blockbuster der großen Schauwerte. Teilweise Schwindel erregende Kamerafahrten und atemberaubende Bildkompositionen lassen die uralte Legende in einem neuen Licht erstrahlen und statt sich sklavisch an die verstaubte Vorlage zu binden fügt das Drehbuch entscheidende neue Impulse zu. Insgesamt scheitert Zemeckis nur an seinen zu hohen Erwartungen an das Motion Capture Verfahren – denn echte Emotionen können (noch) nicht in Daten verwandelt werden. Zum Glück, kann ich da nur sagen.

5,5 / 10

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