Oft wurde mit den Verfilmungen seiner manchmal großartigen, manchmal aber auch durchwachsenen Werken Schindluder getrieben. Stephen King, der Papst unter den Schauerromanautoren der Moderne, dürfte mit einigen Adaptionen seiner Romane und Kurzgeschichten wohl kaum zufrieden sein. Neben großartigen Filmen wie Die Verurteilten (aus seiner Kurzgeschichtensammlung Frühling, Sommer, Herbst und Tod) oder Misery (nach seinem Roman Sie) stehen mittelprächtige Adaptionen wie Es (nach seinem gleichnamigen Mammutwerk) und miese Heuler wie Rhea M. und Manchmal kommen sie wieder (beide aus der Kurzgeschichtensammlung Nachtschicht). Der Nebel, ebenfalls eine Kurzgeschichte reiht sich in die mittlere Kategorie ein.
Dabei geht doch alles so verheißungsvoll los: Ein Sturm beschädigt das Haus von Künstler David Drayton (Thomas Jane), der es am nächsten Morgen reparieren will und zusammen mit seinem Nachbarn Brent (Andre Braugher), mit dem er im Streit liegt, in die Stadt fährt. Im Supermarkt angekommen, herrscht dort reger Betrieb, aber ein rätselhafter Nebel legt sich über den Ort und als ein verängstigter Mann den Laden betritt und etwas von einer Bedrohung im Nebel faselt, beginnt die Situation langsam ungemütlich zu werden...
Das ist ein kurzer Abriss der temporeichen Anfangsviertelstunde von einem Film, bei dem ich relativ häufig auf die Uhr gestarrt habe.
Der Spannungsbogen beginnt zu steigen, weil man ebenso wie die Protagonisten nicht weiß, woher der Nebel kommt und die Bedrohung ist dadurch suggestiv denn manifest. Was passiert nun? Es gibt ein erstes Opfer, was von einem riesigen Tentakelviech bei einer sehr dummen Aktion - beim Versuch des Verlassens des Supermarkts - erst verstümmelt und dann mitgenommen wird. Das Opfer wird gespielt von Chris Owen, dem „Sherminator" aus der American Pie-Reihe. Lustig? Nein... aber Moment!
Das Tentakelviech ist dermaßen mäßig animiert, dass man aus dem Lachen kaum herauskommt und erinnert zudem irgendwie an die „Face Sucker" aus Alien. Im Laufe des Films wird dann diese Parallele weiter ausgebaut (es treten dann noch spinnenähnliche Kreaturen auf, die an Skorpione erinnern, fliegen können und Säure verspritzen - oh mann, welch ein Overkill!), was den offensichtlichen Klau und die Unoriginalität von Der Nebel abseits seines interessanten Ansatzes offensichtlich macht.
Apropos: Als King diese Kurzgeschichte schrieb, interessierte er sich vor allem für die psychologische Komponente, wie Schicksalsgenossen auf engem Raum emotional langsam vor die Hunde gehen. Als hätte es diese Näherung an das Thema noch nie gegeben, befindet sich natürlich gleich eine religiöse Fanatikerin namens Mr. Carmody - gespielt von der ansonsten großartigen, aber hier verschenkten Marcia Gay Harden, die für ihre Rolle in Pollock einen „Oscar" errang - die sofort das Ende der Welt prophezeit und eine immer größere Zahl an Anhängern um sich schert. In Anbetracht der äußeren Bedrohung für das Leben kippen die charakterschwachen Proleten - Willam Sadlers Rolle als der agressive Jim ist denkbar undankbar - um und Thomas Jane darf als Leader des anderen Lagers der Aktionisten das tun, was er am besten kann: Handeln! Bis dahin vergeht aber wieder einige Zeit des Films (wir reden mittlerweile von Minute 30 des Films) und ab da nervt die Rolle von Frau Harden mit ihrem Apokalypsen-Geseiere dermaßen abartig, dass man wünschte, Tom The Punisher Jane würde sich ein Herz fassen und sie à la Howard Saint brennend mit seiner Karre über den Parkplatz schleifen.
Sind wir schon bei der Halbzeit des Films angekommen? Weiß ich nicht mehr, weil ich ja beim Auf-die-Uhr-schauen noch nicht wusste, dass diese nervtötende und unausgegorene Angelegenheit aus Psychodrama, Fantasy-Horror und unfreiwillig komischer Komödie knapp zwei Stunden dauern würde.
Apropos unfreiwillige Komik: Frau Harden nervt weiter mit ihrem Gelaber (hin und wieder gibt's dumme Kommentare von genervten Leuten bzgl. Steinigung), hin und wieder stirbt irgendjemand und die flachen Charaktere können dem Zuschauer leid tun, wenn man sieht, dass sie doch irgendwie darum bemüht sind, sich voneinander abzuheben, was aber nicht gelingt. Natürlich wurde noch eine tragisch verlaufende Liebesgeschichte mit einem Soldaten in den Film hereingenommen, der dann noch schnell notdürftig erklären kann, warum der Nebel und die bösen Kreaturen, den es nach Menschenfleisch dürstet (BTW: Nette und blutige Gore-Effekte gibt's einige), bevor er den Weg allen Irdischen gehen muss.
Spätestens ab den Ausflug in eine nicht weit entfernte Apotheke, um Medikamente zu beschaffen, wurde nach der pseudo-tiefsinnigen Psychologisierung der Protagonisten sowie von Gruppendynamik nach etlichen lahmen Dialogen der neue unfreiwillig komische Tiefpunkt erreicht: „Wir nehmen nur mit, was wir unbedingt brauchen" brüllt Tom Jane sinngemäß und nimmt sich ein Comic-Büchlein aus dem Zeitungsständer, „Oh nein, er ist tot... Lasst ihn liegen" spricht ein Anderer nachdem bei der Entdeckung, dass es viele eklige Methoden gibt, wie Menschen als Wirt dienen und sterben können, plötzlich alle um ihr Leben bangen müssen. Diese Szene hat mich - um nicht zuviel zu verraten - ebenso wie die wehrhafte Oma mit Spraydose irgendwie an Arac Attack erinnert, aber dort war das ganze gewollt witzig.
Was gibt's noch zu sagen? Ah ja, die mitreißend-melancholische Musik von Mark Isham sowie die Grusel-Atmosphäre (wenn sie denn bei all diesen dummen Handlungen der Protagonisten einmal aufkommt) sind als ganz gelungen zu bezeichnen. Die Dramaturgie, die Dialoge und die durchwachsenen Darstellerleistungen jedoch nicht - und sie machen den Hauptteil aus.
*AB HIER ETWAS MEHR SPOILER-ALARM ALS SCHON ZUVOR*
Die Verfilmung des Nebels endet dann anders als die literarische Vorlage, bleibt aber in letzter Konsequenz genau wie diese offen. Die Schlussviertelstunde wertet den Film dann besonders durch die emotionale Tiefe, die Thomas Jane seiner Figur kurzzeitig einhauchen kann, noch einmal etwas auf. Es spricht jedoch nicht für die Klasse des Films sowie Stephen King im Allgemeinen, dass das Ende abseits von der Erkenntnis, dass die bedrohlichen Kreaturen Aliens sind, die durch ein gescheitertes Militär-Experiment auf die Erde kamen, offen bleibt und es Film und Buch nicht gelingt, eine logisch nachvollziehbare Erklärung für das plötzliche Verschwinden des Nebels zu geben, der genau so schnell wieder geht wie er kam. Insofern erinnert mich das ganze Film-Setting vom Supermarkt, der äußeren Bedrohung, der inneren Zerstrittenheit der Gruppe sowie letztendlich der Flucht an Dawn of the Dead von George A. Romero, der letztendlich auch keine Antworten auf die Fragen „Warum?", „Woher?" etc. lieferte.
*AB HIER KANN MAN BEDENKENLOS WEITERLESEN*
Der Nebel liefert zwar kein so bedenkenswertes Selbst-Recycling Stephen Kings wie seinerzeit Dreamcatcher bzw. wie auch die Romanvorlage Duddits, welche King ungeniert aus verschiedenen Motiven seiner früheren Werke zusammenwürfelte (4 Freunde gegen eine äußere Bedrohung = Es und Stand By Me; abgelegener häuslicher Schauplatz im Schnee = Shining etc.), jedoch zeugt auch diese Geschichte nicht von Originalität, wenn wieder eine ungeklärte, rätselhafte Bedrohung auftritt.
Nach einer verheißungsvollen Exposition sackt der Film in der Mitte ab, um in der Schlussviertelstunde wieder an Klasse zu gewinnen. Doch bis dahin muss der Zuschauer den langen Weg durch seichte und unfreiwillig komische Dialoge, eindimensionale Charakterzeichnungen, durchwachsene Spezialeffekte und eine hanebüchen anmutende, da unglaubwürdige und simplifizierte Holzhammer-Psychologisierung durchhalten, die bar jeder Realität ist. Ja, ich habe gelacht, aber das dürfte nicht Frank Darabonts Absicht gewesen sein, der doch schon mit seiner Regiearbeit bei The Green Mile oder Die Verurteilten bewies, dass er Stephen King verfilmen kann. Hier gelang ihm dies nicht. (5/10)