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Das Thema, dem sich „I am Legend“ widmet, wirkt erst einmal wie ein zeitlicher Anachronismus. Die Warnung vor der allgemeinen Fortschrittsgläubigkeit und der Allmacht der Wissenschaften entstammte den 50er und 60er Jahren, als Atombombentests und Umweltverschmutzung die Ängste der Menschen vor einer ungewissen Zukunft stärkten. Filme wie der „Omega-Mann“, dessen Story auf der gleichen Romanvorlage wie „I am Legend“ basierte, waren ein Spiegelbild der 70er Jahre, als Science-Fiction auch als Warnung davor verstanden wurde, so unkritisch wie bisher weiterzumachen. „Quiet Earth“, welches ein ähnliches Thema mit leichten Differenzierungen Mitte der 80er Jahre umsetzte, war ein letztes Ausrufezeichen, bevor Science-Fiction wieder das wurde, was es lange Zeit vor allem gewesen war – Abenteuergeschichten im futuristischen Gewand.

Der Grund für den Verlust dieser kritischen Sichtweise, lag keineswegs in der Lösung der Probleme, sondern in dem fallenden Interesse des Publikums an der Behandlung dieser Themen innerhalb des Genres. Erst in den letzten Jahren konnten Stoffe, die sich mit fehlgeleiteten Experimenten oder Umweltschutzschäden beschäftigten, wieder Erfolge erzielen, wie etwa „24 Stunden“ oder „Children of men“. Wichtig bei der aktuellen Umsetzung blieb aber der Unterhaltungsfaktor, der die Problematik zwar andeutete, aber nicht zu sehr in den Vordergrund schob.

Unter diesem Gesichtspunkt kommt „I am Legend“ genau zum richtigen Zeitpunkt in die Kinos. Der Stoff von dem einzigen Überlebenden einer Forschungskatastrophe, der sich im verwaisten New York allein einer feindlichen Umgebung erwehren muss, bietet einerseits der heutigen Filmtechnik eine Vielzahl von Möglichkeiten, beeindruckende Bilder zu schaffen, zum Anderen hat die Story genug Material, um auf Actionszenen nicht verzichten zu müssen. Dazu wurde mit Will Smith ein geeigneter Schauspieler gefunden, dem man die Power, allein zu überleben, und die Intelligenz zu Forschen, abnimmt, und der genug Charisma besitzt, einen Film lange Zeit als einziger Darsteller zu tragen.

Darin lag wahrscheinlich die größte Problematik bei der Umsetzung des Stoffes, denn bei den heutigen Sehgewohnheiten und Blockbuster-Ansprüchen, war die Vorstellung, dem Publikum eine Anfangssequenz wie etwa in „Quiet Earth“ bieten zu müssen, in der der Hauptdarsteller mehr als 30 Minuten in ruhigen Bildern erst einmal feststellen muss, dass er allein ist, kaum umsetzbar. Gelöst wurde diese Einführung damit, dass der Film erst drei Jahre nach Eintritt der Katastrophe beginnt. „I am Legend“ bietet deshalb gleich Einblicke in den Tagesablauf von Robert Neville – und der hat einiges zu bieten. Von der Jagd auf Antilopen in den Häuserschluchten New Yorks, über den Besuch einer Videothek, die Beschaffung von Nahrungsmitteln in leer stehenden Wohnungen bis zum Golfspiel auf Düsenjetflügeln, ist Nevilles Alltag sehr abwechslungsreich. Auch seine hochgerüstete Wohnung und das Forschungslabor im Keller verfügen über erhebliche Showwerte, auch wenn man sich nur schlecht vorstellen kann, wie er sich angesichts der chaotischen Zustände kurz nach der Katastrophe so einrichten konnte.

Dazu wird die Handlung immer wieder von Rückblenden unterbrochen, die den Beginn und die Ursache der Ereignisse verdeutlichen und damit auch die Zerstörung von Nevilles Kleinfamilie. Smith zeigt dabei nur in wenigen Momenten Einsamkeit und Trauer, denn er ist viel zu sehr mit den ständigen Ereignissen beschäftigt, die ihn und seinen geliebten Hund Sam in Atem halten. Zwar begibt sich Neville täglich zu dem Punkt, an dem er andere Überlebende zu treffen erhofft, aber „I am Legend“ kann keinen Moment die Langatmigkeit und öde Gleichförmigkeit vermitteln, die in den täglich gleichen Abläufen liegen muss, da der Film letztendlich nur einen durchschnittlichen Tag schildert. Dadurch erschließt sich auch nicht die Tragik, die darin liegt, dass man zwar alleine über eine Stadt verfügen kann, aber im Endeffekt jede Handlung – und sei sie noch so aberwitzig – auf Dauer ohne andere Menschen langweilig wird.

In „Quiet Earth“ wird dieser Fakt besonders betont. Gut auch daran zu erkennen, dass der Protagonist beim ersten Anblick eines anderen Menschen – dazu noch eine junge Frau – fast den Verstand verliert. Will Smith wirkt dagegen, als er endlich anderen Menschen begegnet, so erstaunt, als hätte er gerade eine zweiwöchige Abenteuerreise hinter sich. Fast widerspenstig setzt er sich an den von einer jungen Frau gedeckten Frühstückstisch, als wenn er sich darüber beklagen wollte, dass sie ihn von der Arbeit ablenken wollte. Selbstverständlich entstehen auch keinerlei erotische Spannungen oder gar Übersprungshandlungen, denn „I am Legend“ bleibt in seinen Charakterdarstellungen immer oberflächlich und ohne jegliches Risiko hinsichtlich heutiger Erwartungshaltungen an einen ewig treuen Helden.

Stattdessen widmet sich der Film einer Kreatur, die wie eine Mischung aus Vampir und Zombie wirkt. Dabei handelt es sich um Menschen, die zwar die Katastrophe überlebt haben, aber durch den Virus verändert wurden und jetzt ein trauriges Dasein in der Dunkelheit führen müssen, was sie zu nachtaktiven Jägern werden lässt. Während Neville in den vergangenen Jahren gut damit zu recht kam und sich immer wieder Exemplare für seine Forschung einfing, beginnen sie mit Tag 2 der hier dargestellten Ereignisse selbst Jagdintelligenz zu entwickeln und rücken Neville gefährlich auf den Leib. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat „I am Legend“ jegliche Berührungspunkte zu seiner kritischen Grundidee verloren. Hatte der Film in der ersten Hälfte noch ruhige Momente und beeindruckende Bilder von New York zu bieten, so verliert er sich ab diesem Zeitpunkt in reinen Aktionismus, der die Handlung in ein letztlich wenig überzeugendes, wenn auch nur ganz schwaches „Happy End“ führt.

Die Beurteilung des Films wird ganz von der Erwartungshaltung des Zusehers abhängen. Misst man „I am Legend“ mit seinem populären Hauptdarsteller an aktuellen Blockbuster-Produktionen, so kann der Film mit seinem Unterhaltungswert und seiner angedeuteten Zivilisations-Kritik, durchaus punkten. Vergleicht man ihn aber mit der eigentlichen Intention, betrachtet Charakterdarstellungen, Authentizität der Situation und Herausarbeitung der Folgen der Katastrophe, so wird er zu einem oberflächlichen, populistischen Machwerk, das dazu noch in religiöse Verschrobenheit abdriftet.

Trotz der professionellen Bilder und der mit modernster Technik erzeugten glänzenden Optik, ist an einem Werk wie „I am Legend“ zu erkennen, wie stark sich nicht nur die Sehgewohnheiten seit den 80ern verändert haben, sondern wie konservativ das Weltbild trotz der darin enthaltenen Kritik geworden ist. Früher enthielten Filme dieses Genres auch immer eine umfassende Gesellschaftskritik, doch „I am Legend“ nutzt die Thematik nur als Hintergrund, ohne wirklich Kritik an bestehenden Zuständen zu üben (3/10).

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