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„ Indy light-Wochen mit dem Jerry-Burger"

Auch wenn es keiner so recht zugeben mag, hin und wieder gehen wir alle ganz gern in den Fast Food Tempel unseres Vertrauens. Das Vorurteil minderwertiger Zutaten ist ohnehin längst widerlegt, warum also nicht? Gut, kulinarischer Hochgenuss sieht anders aus, auch schmeckt es nur kurzfristig nach mehr, dafür weiß man aber, was man kredenzt bekommt.
Die Filme des Hollywood-Produzenten Jerry Bruckheimer genießen einen ähnlichen Ruf wie die Produkte der Fast Food Industrie. Schnell und unkompliziert zubereitet und konsumierbar, schmecken sie in regelmäßigen Abständen gar nicht mal schlecht. Natürlich äußert sich der Cineast naserümpfend über so viel Profanität und natürlich hat er die einschlägigen Werke trotzdem gesehen. Zwar hinterlassen sie nie einen bleibenden Eindruck, können sich aber trotzdem auf eine breite Basis von Sympathisanten und Gelegenheitsfans stützen. Ähnlich den beliebten „Menü-Wochen" einschlägiger Schnellimbissketten beackert Bruckheimer allseits populäre Genres, ohne die bewährten Grundzutaten seines Erfolgsrezepts entscheidend zu verändern. Und das geht so: Man nehme eine Prise Topstars und verrühre diese mit ein paar Charaktermimen zu einem illustren Darstellerensemble. Man würze das eher simple Storygerüst mit einer ordentlichen Portion Action und schmecke es dann mit einem fetzigen Pop-Rock Soundtrack und/oder einem am Synthesizer pürierten Bombastscore ab. Schließlich verpacke man das Ganze in eine farbfiltergetränkte Hochglanzoptik und fertig ist der „Jerry-Burger". Ob Musikfilm (Flashdance), Sportfilm (Gegen jede Regel), Kriegsfilm (Pearl Harbour, Black Hawk Down), Teenie-Komödie (Coyote Ugly), Verschwörungsthriller (Der Staatsfeind Nr. 1) oder Jugenddrama (Dangerous Minds), nichts ist vor Jerrys "Film(fleisch)wolf " sicher. Vor allem aber steht sein Name für bildgewaltiges, hochexplosives und extrem erfolgreiches Actionkino. Filme wie Top Gun, The Rock, Armageddon oder Con Air wurden allesamt weltweite Blockbuster.

Bruckheimer hat schon so manches Genre aus seinem Dornröschenschlaf erweckt, in den letzten Jahren galt dies insbesondere für den Abenteuerfilm. Seit der Blütezeit in den 1950er Jahren - lediglich unterbrochen durch den Erfolg der Indiana Jones-Filme - ist es sehr ruhig um die einstige Cash Cow der Filmstudios geworden. Spätestens mit der Wiederbelebung des klassischen Piratenfilms durch den globalen Siegeszug der Fluch der Karibik-Serie hat sich dies schlagartig geändert. Aber Bruckheimer ruhte sich keineswegs auf seinen Lorbeeren aus - das war schon immer das Geheimnis seines (Dauer-)Erfolgs gewesen. Frei nach dem Motto „Man muss das Eisen schmieden, so lange es noch heiß ist!" schuf er mit dem Historiker Benjamin Franklin Gates einen weiteren Abenteuerhelden. Diesmal orientierte er sich mehr am zweiten Frühling seiner neuen Genremuse - den 1980er Jahren.
Dass Das Vermächtnis der Tempelritter ein solch großer Publikumsrenner wurde, erscheint lediglich auf den ersten Blick überraschend. Schließlich hatte das überdrehte und weitaus unverhohlenere Indiana Jones-Plagiat Die Mumie ebenfalls bestens funktioniert und sogar eine noch erfolgreichere Fortsetzung ermöglicht. Vor allem aber hatten die ständigen Gerüchte um einen vierten Auftritt des Peitsche schwingenden Archäologieprofessors einen regelrechten Heißhunger nach vergleichbaren Stoffen geschaffen. Und wer wäre besser geeignet den schnellen Hunger zu stillen als Bruckheimer?

Während sich also die „Spitzenköche" Steven Spielberg, George Lucas und ihr „Oberkellner" Harrison Ford lange Zeit nicht auf eine neue Menüzusammenstellung einigen konnten, servierte Bruckheimer flugs die bewährten Ingredienzien in abgespeckter Form. Und bevor Indiana Jones 4 nun endlich im Mai 2008 über die Leinwände flimmern wird, nutzt Bruckheimer nochmals die Gunst der Stunde und beglückt das halb verhungerte Abenteuerpublikum mit National Treasure 2. Warum den Fans nicht die Wartezeit mit einer passenden Vorspeise versüßen? Und wieder ging die Rechnung auf. In den USA wurde das Einspielergebnis des ersten Films bereits überflügelt. Die Macher der Mumie-Filme sind da weitaus ungeschickter und lassen ihren dritten Aufguss erst nach der Neuauflage des berühmten Originals laufen. Den damit riskierten Vergleichskampf können sie nur verlieren. Solche Fehler unterlaufen Bruckheimer nicht.
Ganz wie seine Seelenverwandten aus der Verköstigungsindustrie ist Bruckheimer vor allem ein cleverer Geschäftsmann mit einem überaus feinen Gespür für die aktuellen Wünsche und Bedürfnisse seiner Kundschaft. So ist National Treasure keineswegs eine bloße Indiana Jones-Kopie. Bruckheimer würzte seine Filme auch noch mit Zutaten der dank Pierce Brosnan wiedererstarkten Bondformel (technische Gimmicks und berühmte Locations) und knüpfte geschickt an den Hype der Verschwörungsthriller Dan Browns an (in historischen Ereignissen und Artefakten versteckte Codes und Rätsel).

National Treasure - The Book of Secrets
(Das Vermächtnis des geheimen Buches) enthält exakt die gleichen Zutaten wie sein Vorgänger. Von der Produktion, über die Regie, bis hin zum Darstellerensemble und der Filmmusik sind alle Erfolgsgaranten wieder mit an Bord.
Auch die Story erfuhr lediglich eine sanfte Modifikation. Erneut ist der Historiker Benjamin Franklin Gates (Nicolas Cage) mitsamt seiner (anfangs Ex-)Freundin Abigail (Diane Kruger), seinem technikvernarrten Assistenten Riley (Justin Bartha) sowie seinem verschrobenen Vater (Jon Voight) auf der Jagd nach einem sagenumwobenen Schatz. Diesmal geht es um „Cibola", eine legendäre goldene Stadt amerikanischer Ureinwohner. Erneut sind die Rätsel zur Auffindung mit der amerikanischen Geschichte verwoben. Wieder gilt es Codes an streng bewachten und kaum zugänglichen Orten zu knacken. Besonderes Augenmerk gilt diesmal einem geheimen Buch der US-Präsidenten, das entscheidende Hinweise zum Standort des Schatzes beinhalten soll. Natürlich gibt es wieder ein Konkurrenzteam - diesmal angeführt von dem zwielichtigen Antiquitätenhändler Mitch Wilkinson (Ed Harris) - das sich an Gates Fersen heftet, um schlussendlich Ruhm und Ehre des Funds für sich zu beanspruchen. Um die Suche zu forcieren, bringt Wilkinson Gates Vorfahren mit der Ermordung Abraham Lincolns in Verbindung. Der Plan scheint aufzugehen: Die Sorge um den guten Ruf ihrer Familie spornt sämtliche Mitglieder zu Höchstleistungen an.

Bei der Umsetzung dieser hanebüchenen Geschichte offenbaren sich insbesondere die Schwächen von Regisseur Jon Turteltaub. Ohne Gespür für Timing und Spannungsaufbau filmt er das abstruse Geschehen herunter. Trotz Hochglanzoptik, ein paar schnelleren Schnitten und auslandender Kamerafahrten will so recht weder Spannung noch Dramatik aufkommen. Gerade bei einem Film, der seinen Hauptreiz aus dem Lösen diverser Rätsel und Codes bezieht, ist dies ein unverzeihlicher Faux Pas. Alles geht viel zu schnell und viel zu leicht. Auch die diversen Schauplatzwechsel (Paris, London, Washington und Mount Rushmore) können die gepflegte Langeweile nicht verdecken, die sich recht schnell einstellt. Lediglich die flott inszenierten Szenen im Buckingham Palace und dem Weißen Haus lassen erahnen, was möglich gewesen wäre. Wie im Fast Food Restaurant keine großen Ansprüche an die Geschmacksnerven gestellt werden, so werden in Turteltaubs Film die grauen Zellen des Zuschauers nicht einmal gekitzelt. Gates und sein Team lösen jedes Rätsel scheinbar mühelos. Da sämtliche Hinweise an verborgenen Orten versteckt sind, besteht die Spannung lediglich in der Möglichkeit entdeckt zu werden. Der Zuschauer wird bei der rastlosen Ratehatz jedenfalls völlig vergessen. Keine Sackgasse oder falsche Fährte zwingt das Publikum zum Mitdenken oder Miträtseln.
Kratergroße Logiklöcher und Ungereimtheiten trüben zusätzlich den Filmgenuss. Warum fällt der US-Präsident auf Gates plumpen Überrumplungsversuch herein? Wie gelangt der landesweit gesuchte Gates ohne Probleme von Washington nach South Dakota? Wie viel Dusel braucht man, um mit ein paar Halbliterflaschen nur durch Bewässerung sichtbar werdende Hinweise auf einer gut 50m2-großen Felsformation zu finden? Na ja, ein paar Rätsel sollen dann doch wohl ungelöst bleiben.

Den Darstellern ist dagegen kaum etwas vorzuwerfen. Natürlich bietet das Popcornkino Bruckheimers kaum Raum für mimische Glanzleistungen. Niemand erwartet hier differenzierte Charakterstudien. Jedenfalls harmoniert der prominente Cast ganz ordentlich und glänzt fast ausnahmslos durch Spielfreude. Vor allem Jon Voight und Helen Mirren geben eine amüsante Vorstellung als Gates zänkisches Elternpaar. Hauptdarsteller Cage schüttelt solche Rollen mittlerweile aus dem Handgelenk und agiert eher routiniert als engagiert. Lediglich Diane Kruger fällt deutlich aus dem Rahmen und schafft das Kunststück, ihre bestenfalls durchschnittliche Leistung aus dem ersten Teil noch zu unterbieten.
Es ist immer wieder erstaunlich, welch illustre Namen Jerry Bruckheimer für seine Unterhaltungsprodukte gewinnen kann. War schon der Originalfilm bis in die kleinsten Nebenrollen prominent besetzt (u.a. Jon Voight und Harvey Keitel), setzt National Treasure 2 hier noch eins drauf. Zu Hauptdarsteller Nicoals Cage gesellen sich mit Ed Harris und Helen Mirren gleich zwei weitere Hochkaräter. Vor allem von der letztjährigen Oscar-Preisträgerin war ein Auftritt in einem solchen Film kaum zu erwarten gewesen. Nic Cage dagegen führt bereits zum fünften Mal den Cast einer Bruckheimer-Produktion an. Fairerweise muss man zugeben, dass der eher dem Charakterfach entstammende Cage erst durch den cleveren Produzenten - mit dem 1996er Hit The Rock - seinen heutigen Superstarstatus erlangte. Ein Kunststück das Bruckheimer bereits mehrfach gelang. Wo wären Eddie Murphy, Tom Cruise oder Will Smith ohne Beverly Hills Cop, Top Gun und Bad Boys? Und sind wir mal ehrlich. Johnny Depp ist dem profanen Mainstream Kinogänger auch erst seit seinen Auftritten als überdrehter Loser-Pirat Jack Sparrow ein Begriff.

Letztendlich bietet das Vermächtnis des geheimen Buches solides Popcornkino von Genre-Chefkoch Jerry Bruckheimer. Der erheblich unterhaltsamere, weil witzigere und temporeichere erste Teil kann allerdings nicht erreicht werden. Zu groß sind die Logiklöcher, zu wenig wird der Zuschauer am Rätselspaß beteiligt und zu uninspiriert ist die Regie Jon Turteltaubs. Er ist in seinen Mitteln einfach zu limitiert, um die Schwächen des Drehbuchs kaschieren zu können. Hochglanzoptik und Schauplatzwechsel reichen dafür nicht aus. Der prominente Cast dagegen gibt sein Bestes und rettet den Film gerade noch ins gehobene Mittelmaß. Von seinen berühmten Vorbildern Indiana Jones und James Bond ist National Treasure 2 mehrere Michelinsterne entfernt. Wer Genre-Gourmetunterhaltung sucht, sollte besser bis Mai warten. Da kommt der Mann mit dem Hut zurück. Für den schnellen Hunger dagegen kann man mal bei Bruckheimer vorbeischauen. Man weiß ja, wies schmeckt.

(5,5/ 10 Punkten)

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