Review

Mit „Futurama“ entwarf das Team um Matt Groening kurz vor der Jahrtausendwende eine weitere Erfolgsserie die zunächst als zweites Standbein neben dem Evergreen „Die Simpsons“ gedacht war. Doch schon bald fand sich eine eigene Fangemeinde – kein Wunder denn es handelte sich nicht um einen Abklatsch der Simpsons sondern um ein völlig eigenständiges Konzept auch wenn der Humor und der Zeichenstil (z.B. der charakteristische Überbiss der menschlichen Figuren) schon in die gleiche Kerbe schlagen. Bei Publikum und Kritik gleichermaßen beliebt avancierte „Futurama“ kurzfristig zum Quotenhit, nur um schon im fünften Jahr abgesetzt zu werden. Auch durch ungünstige Sendetermine fielen die Quoten und so war zum Leidwesen der beachtlichen Fangemeinde nach weniger als einhundert Episoden Schluss. In den nächsten Jahren hielten sich hartnäckig etliche Gerüchte über eine mögliche Reanimation der Serie. 2007/08 ist es nun soweit – nachdem die Simpsons ihren weltweiten Triumphzug kürzlich auch im Kino fortsetzen konnten wagen es die Produzenten mit einer „Futurama“-Rückkehr. In „Bender’s Big Score“ kehren Fry, Leila, Bender und die anderen Kultcharaktere ebenfalls in Spielfilmlänge zurück doch am Stil blieb alles unverändert. Der Film erscheint als Direct-to-DVD Produktion, 2008 folgen drei weitere 90minüter die dann letztlich in sechzehn 22minütige Episoden für eine Ausstrahlung auf Comedy Central gesplittet werden. Rein marktstrategisch eine fragwürdige Entscheidung da sich die ‚neuen’ Episoden im Fernsehen dann komplett aus bereits gesehenem Material zusammensetzen. Für den Fan zählt aber in erster Linie die Freude über ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten, den man schon lange vermisst hat und der sich glücklicherweise nicht verändert hat.

Bender: WE’RE BACK BABY!!!

Und wie, bereits die brillante Eröffnungssequenz zeigt deutlich, das die Serie ihren ureigenen Charakter behalten hat und das man es hier lediglich mit einer Episode in Spielfilmlänge zu tun hat. Wie im Simpsons-Film findet man eine wunderbar selbstreferenzielle Anspielung an die Zeit ohne Futurama. Auch die Figurenkonstellation blieb unverändert, selbst die einzelnen Synchronsprecher konnten wieder gewonnen werden für die vier Langfilme. Gleiches gilt für den Animationsstil, der das hohe vorgegebene Niveau durchweg hält und beibehält – besonders die Hintergründe erinnern noch immer stark an die stilisierte Einfachheit der Zeichnungen von Bill Plympton, dem erklärten Vorbild für Groening. Im Hinblick auf die Synchronisation ist dem Film etwas meines Wissens bisher nicht da gewesenes gelungen: Al Gore spricht sich tatsächlich selbst und beweist Sinn für Selbstironie statt seinen Auftritt als reine Promotionmöglichkeit zu nutzen. Ein klein wenig aufgesetzt erscheinen die popkulturellen Anspielungen schon knapp tausend Jahre in der Zukunft doch ohne diesen realen Background würde ein entscheidender Aspekt wegfallen den man als eingeschworener Fan des Groening-Touches nicht missen will.

„Futurama“ bietet von der ersten Episode ein unendlich großes Universum und hat die Möglichkeit, auf jede noch so obskure außerirdische Rasse bzw. den dazu gehörigen Schauplatz zurückzugreifen. Mit satirischer Cleverness überträgt man menschliche Problematiken in die daraus resultierenden, unerschöpflichen Storylines. So entsteht ein gigantisches Gag-Repertoire, welches schon Douglas Adams in seinen berühmten Anhalter-Romanen zu nutzen wusste. In „Bender’s Big Score“ wagt man den thematischen Schwerpunkt der Zeitreise und den daraus resultierenden Konsequenzen. Brillant verkettet das Drehbuch etliche, zunächst schwer überschaubare, Zeitsprünge und entwickelt mehrere Realitätsebenen. Alle Zeitreisegeschichten kämpfen mit dem Problem des Paradoxen – im optimalen vergisst der Zuschauer die Widersprüchlichkeiten, doch auch unter dieser Voraussetzung gestaltet sich eine halbwegs logische Dramaturgie nur sehr schwer. Elegant lässt der Film alle diese Unzulänglichkeiten hinter sich und blickt dem Paradoxon spöttelnd in die Augen. Als überraschend komplex erweist sich somit der klug gesponnene Handlungsverlauf der am Ende mit einem starken Twist aufwartet, jedoch keineswegs selbstzweckhaft auf das wenig vorhersehbare Ende hinarbeitet. Referenzwerke des Zeitreisefilms werden ausgiebig zitiert, die deutlichsten Parodien erhalten dabei die beiden Terminator-Filme von James Cameron, doch auch die Eigenzitate kommen nicht zu kurz. Außerdem kehren die denkwürdigsten Nebencharaktere wie Zapp Brannigan, Kif oder der bösartige Roboterweihnachtsmann – auch ihre Auftritte verkommen nicht zu sinnlosen Cameos sondern offenbaren teilweise sogar neue Seiten der jeweiligen Figur (Bsp. Robot Santa oder der erstmals sprechende Nibbler). All diese harmonisch vermengten Qualitäten beweisen eindrucksvoll, dass „Futurama“, oder besser gesagt die Kreativität der Macher, noch lange nicht am Ende ist.

Die 88 Minuten vergehen wie im Flug , dank einer hohen Gag-Frequenz und der ausgefeilten Geschichte kommt keine Minute Langweile auf und selbst die beiden Musical-Nummern fügen sich nahtlos in das Gesamtbild ein ohne das Tempo zu bremsen. Mit dem schrillen, durchweg bösartigen Zynismus solcher Serien wie „South Park“ und „Family Guy“, hat „Bender’s Big Score“ glücklicherweise nichts gemein (auch wenn es auf beide Serien Anspielungen gibt) und ist sich nicht für einen schön romantischen Subplot zu schade, der nicht nur bittersüß endet, obendrein bietet er auch neue Perspektiven für das Verhältnis zwischen Leela und Fry.

Fazit: Es bleibt zu hoffen, dass die vier produzierten Spielfilme genug Erfolg einfahren denn dann sollte einer endgültigen Wiederbelebung der Serie nichts im Wege stehen. So gut „Bender’s Big Score“ auch geworden ist, so macht er eine Tatsache doch deutlich: das 22-Minuten-Format steht „Futurama“ besser als eine Spielfilmlänge. Dennoch fast makellos und wahrscheinlich der beste Direct-to-DVD Film den ich je sehen durfte. Futurama is back on Air!

8,5 / 10

Details
Ähnliche Filme