Review

Achtung! In dieser Review sind SPOILER enthalten!

Wyoming 1880: Der Prostituierten Delilah wird von einem Freier das Gesicht zerschnitten. Nachdem der Sheriff den Schänder und seinen Freund in den Augen der Huren Big Whiskeys zu milde bestraft, setzen diese 1000 Dollar Kopfgeld auf die beiden aus.
Die Nachricht spricht sich herum. So bekommt der ehemalige Revolverheld William Munny Besuch von „Schofield Kid“, dem Neffen eines früheren Weggefährten. Zusammen mit Munnys altem Freund Ned Logan brechen die drei auf, um das Geld zu kassieren.
Sheriff Little Bill Daggett will indes Kopfgeldjäger von seiner Stadt fernhalten. Zur Abschreckung misshandelt er den angereisten Killer English Bob. Auch Munny, Logan und Kid werden aus Big Whiskey vertrieben. Trotzdem gelingt es ihnen, die zwei Cowboys zu erschießen. Allerdings wird Ned vom Sheriff gefangen genommen und zu Tode gepeitscht. Bill Munny rächt daraufhin den Tod seines Freundes: er tötet Little Bill, vier seiner Deputies und den Barbesitzer, der seinen Saloon mit Neds Leiche schmückt.

Mit Unforgiven setzt Eastwood dem Genre ein Denkmal, welches ihn zum Star werden ließ: dem rauem, dreckigem und von Anti-Helden erzählendem Western-Genre. Eastwood verzichtet größtenteils auf die in Western üblichen Braun- & Gelbtöne. Stattdessen verwendet er meist natürliche Farben, die dem Film Authentizität verleihen. Die Landschaftsaufnahmen wirken trotz der dargestellten Weite sehr beschränkt. So positioniert Eastwood sehr oft Menschen oder Gegenstände, die die Weite eingrenzen oder zeigt wenig vom Horizont.

Inhaltlich ist das Besondere an Unforgiven sicherlich die Demontage des Mythos’ vom coolen und unverwüstlichen Revolverhelden, den Eastwood selbst in Sergio Leones „Dollar-Trilogie“ darstellte und so populär machte. In Unforgiven gibt es erneut keine reinen Helden. Neu ist hingegen, dass es auch keine klaren Schurken gibt. Die Figuren sind generell vielschichtiger als in früheren Western. Ganz eindeutig legt Eastwood sein Hauptaugenmerk auf die Gestaltung und Tiefe der Charaktere:
Bill Munny (C. Eastwood) ist erneut ein wortkarger Cowboy, der auch wieder von Eastwood mit minimalistischem Mienenspiel dargestellt wird. Munny ist ein verletzlicher gealterter Mann, der sich seiner berüchtigten Vergangenheit schämt. Im Prolog erfahren wir, dass seine Lebensgeschichte seiner Schwiegermutter bekannt ist, weswegen diese immer gegen die Liaison ihrer Tochter mit dem Cowboy war. Dass seine Frau an den Pocken und nicht an seinem Lebensstil gestorben ist, erfuhr Munnys Schwiegermutter nie...
Mittlerweile lebt William Munny als Viehzüchter mit seinen beiden Kindern abseits der Zivilisation. Seine Frau, die ihn läuterte ist tot, was Munny meiner Meinung nach ein, zwei Mal zu oft erwähnt. Munny hat verlernt zu schießen und wie man reitet. Er wirkt bemitleidenswert, teils gar erbärmlich. Heute braucht er einen überzeugenden Anlass zum Töten. Die Verstümmelung einer Frau ist jedoch Grund genug, für die Zukunft seiner Kinder ein letztes Mal zu morden.
Sheriff Little Bill (G. Hackman) ist ein durchaus moralisch und ethisch denkender Mann. Allerdings beschränken sich seine Ethik und Moral auf Männer mit Courage und mit Charakter. In Big Whiskey ist der Sheriff auch ein durchaus angesehener Mann und wenn Eastwood ihn als schlechten Tischler darstellt, kann er auch durchaus Sympathien wecken. Außerdem ist er stolz auf die Revolvergeschichten, seiner Vergangenheit und erzählt diese nur all zu gerne weiter. Ebenso sein Widersacher English Bob (R. Harris), der mit seinem Biographen W.W.Beauchamp (S. Rubinek) nach Big Whiskey kommt. Diese drei Männer stehen in Unforgiven für die Entstehung der heroischen und fern ab jeder Realität angelegten Mythen rund um den Wilden Westen.
Dem gegenüber stehen Bill Munny, Ned (M. Freeman) und Kid (J. Woolvett). Wieder erzählen zwei Männer von vergangenen Tagen. Wieder haben sie einen neugierigen Zuhörer. Aber Munny und Ned prahlen nicht und erfinden nichts hinzu, wenn sie überhaupt einmal von früheren Zeiten erzählen.
Kid, dessen Schwäche die eigene Sehkraft ist, hängt jedoch an den eben diesen fiktiven und übertriebenen Geschichten. Seine Sehschwäche kann man also auch durchaus als symbolisch betrachten. Seine heroischen Illusionen zerplatzen jedoch, als er seinen ersten Mann tötet.
Ned ist zweifelsohne die tragische Gestalt in Unforgiven. Auch er hat seiner Vergangenehit abgeschworen. Im Gegensatz zu Bill ist ihm dies auch im Geiste gelungen. Er hat sich zur Ruhe gesetzt und ist glücklich. So kann er auch keinen Menschen mehr töten und bricht die Kopfgeldjagd nach dem ersten Mord ab. Trotzdem lässt Eastwood ihn auf elende Weise sterben. Dies erweckt wiederum den „früheren” Munny zu neuem Leben. Ein Gewitter zieht auf, als Eastwoods Charakter nach Big Whiskey reitet, um Rache zu verüben. Erbarmungslos tötet er und trinkt darauf seinen ersten Whiskey seit Jahren. Spätestens jetzt ist nichts mehr Heroisches am Protagonisten zu erkennen.

Keiner der Charaktere hat sein eigenes Handeln hinterfragt. So wird z.B. nicht einmal erwähnt, dass der zweite Cowboy an der Verstümmelung der Hure nicht beteiligt war. Er muss trotzdem sterben. Little Bill handelt präventiv ohne Beweise zu haben. „Das habe ich nicht verdient.“ Sagt Hackmans Charakter, als er von Munny hingerichtet wird. „Was Sie verdienen, hat nichts damit zu tun.“ Entgegnet der ihm und drückt ab.
Unforgiven ist zweifellos Eastwoods Abgesang auf jegliche Westernromantik.

...und Munnys Schwiegermutter wird niemals etwas von dessen Unschuld und seiner Wandlung erfahren. Hier wird niemandem irgendetwas verziehen: Unforgiven.

Details
Ähnliche Filme