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Im Jahr 1966 begannen sie aufgrund des Vietnam-Krieges, breiteten sich über die ganze Welt aus und stellten am Ende nicht nur den Vietnam-Krieg sondern auch die soziale Gerechtigkeit und die Werte der älteren Generationen in Frage: Die Studentenunruhen der 68ziger-Bewegung. Bedauerlicherweise gibt es nur wenige ernsthafte und angemessene cineastische Kommentare zu dieser Ära. Es existieren zwar all zu viele psychedelische Flowerpower-LSD-Räusche, die auf Zelluloid gebannt wurden, doch letzten Endes kann man hier ganz klar einige Filme herausziehen, die man, interessiert man sich für diese Zeit (und hier beziehe ich mich jetzt auf die Entwicklung dieses Umschwungs in den USA, ein europäischer Film dieser Art ist mir bisher noch nicht aufgefallen) unbedingt gesehen haben sollte und die auch zeigen, das damals nicht alles bunt und schön war. Bekanntestes Beispiel ist hier Peter Fondas "Easy Rider". Eine intelligentere und reifere Sicht der Dinge vermittelt jedoch "Zabriskie Point" des italienischen Autorenfilmers Michelangelo Antonioni.

Inmitten einer Versammlung von Studenten, die ihre Zukunft und offenbar auch einen gewaltsamen Kampf um ihre Rechte diskutieren, erhebt sich Mark (Mark Frechette). "Ich bin auch bereit, zu sterben" beantwortet er die Äußerung eines Farbigen, man müsse bereit, sein alles, auch das eigene Leben zu geben. Mark verlässt die Versammlung. Seiner Meinung nach handeln Menschen immer erst dann wenn sie unter Druck stehen. Ein sinnloses Warten. Auf der am nächsten Tag stattfindenden Demo spielt Mark mit dem Gedanken, auf einen Polizisten zu schießen. Doch genau der Polizist den er anvisiert hatte wird vor seinen Augen von einem Anderen erschossen. Mark flieht in Panik. Auf einem Flughafen für Privatflieger besteigt er eine rosafarbene Maschine und fliegt mit ihr davon. Mitten in der Kahlheit der Wüste überfliegt er Daria (Daria Halprin), die in ihrem Wagen unterwegs nach Phoenix zu ihrem Chef (Rod Taylor) ist. Er umfliegt ihren Wagen übermütig werbend und landet. Gemeinsam spazieren sie durch das Flussbecken am Fuß des "Zabriskie Point". Sie lieben sich im Sand und philosophieren ob es Gut und Böse gibt. Daria kann Mark nicht zurückhalten, als dieser das Flugzeug zurück nach L.A. bringen will. Dort wird er von Polizisten erschossen. Daria, die inzwischen an der Luxusvilla ihres Chefs angelangt ist, hört die Nachricht im Radio. Vor ihrem geistigen Auge sieht sie die Villa in einer gigantischen Explosion immer wieder explodieren. Mit einem leichten Lächeln um die Lippen fährt sie davon.

Soweit der Inhalt des Filmes. Ich bin im Normalfall dagegen, zuviel davon vorwegzunehmen, aber in diesem Fall ist es wohl angebracht. Zu dem Zeitpunkt, als Antonioni den Film drehte, Im Spätsommer 1969 war er bereits 57 Jahre alt. Er gehörte also mehr oder weniger der Generation an, die für die Studentenbewegung als Feindbild herhalten musste. Und doch spürt man im ganzen Film sein Verständnis, seine Akzeptanz, ja seine Befürwortung der gesellschaftlichen Veränderung, die Ende der 60ziger begann.

Sein Drehbuch zeichnet Mark und Daria nicht als aufbegehrende Rebellen, sondern Ihn als jungen Mann der trotz seines so kurzen Lebens bereits resigniert ist über die Unfähigkeit der Menschen, sich zu entwickeln und für ihre Träume zu kämpfen, Daria hingegen als lebensbejahende, aktive Frohnatur, die durch ihn einen Einblick in eine nachvollziehbare aber unbequeme Sichtweise erhält.

Ein Motiv das Antonioni im Laufe seiner Karriere immer wieder aufgegriffen hat und das sein bekanntes Kernwerk, die Trilogie aus "Das Abenteuer", "Die Nacht" und "Liebe 1962" durchzieht ist die Unmöglichkeit der Liebe. Stets werden zwischenmenschliche Beziehungen und die Liebe als hoffnungsloser Wunschtraum dargestellt, als betäubender Ausweg aus der Einsamkeit der dann aber doch zu noch mehr Isolation führt.

In dieser Hinsicht stellt "Zabriskie Point" nicht nur den Generationenwechsel dar, er zeigt auch eine Wende in der Einstellung des Regisseurs. Wenn sich Daria und Mark in der sonnendurchfluteten Wüste liebkosen und die Kamera zurückfährt und noch viele weitere Liebespaare um die beiden herum in zärtlicher Verspieltheit zeigt, erklingt hierzu eine fröhliche und Frieden verheißende Gitarrenmelodie. Antonioni demonstriert hier, das die Liebe noch nicht gänzlich verloren ist. Doch sie liegt in den Händen, derer, die sich von alten Werten und Lasten befreien, der Jugend, der neuen Generation. Doch der "Sieg der Liebe" (um es mal so kitschig auszudrücken) ist nur dann möglich, wenn die Eltern ihre Kinder verstehen und akzeptieren. Hätten Daria und Mark sich 5 Jahre später kennengelernt hätte sich in Mark und seiner Umwelt ein Wandel vollzogen, der ihrer Beziehung vielleicht eine Zukunft ermöglicht hätte.

Und das diese Akzeptanz nicht vorhanden ist oder damals zumindest noch nicht war lässt Antonioni wiederholt deutlich werden. Insbesonders die zynische und abfällige Behandlung, die den Studenten nach einer Demonstration auf der Polizeiwache wiederfährt kann als Paradebeispiel verwendet werden. Als "linke Revoluzzer" werden die Studenten behandelt, von Polizisten, die ihre konservative Vorstellung von staatlicher Ordnung im Wanken sehen, jedoch letzten Endes als ungebildet und dumpf dargestellt werden (nur eine von vielen ätzenden kleinen Attacken auf "Good old America"): Als ein Polizist Mark nach seinem Namen fragt und dieser feixend "Karl Marx" angibt, notiert der Polizist dies tatsächlich. Während im Hintergrund die Studenten darüber höhnen. Zu recht. Der Kommunismus, der große Feind amerikanischer Politik. Und nicht einmal der Name seines wichtigsten Urhebers ist den Vertretern des Gesetzes bekannt.

Mit einem gewissen Zweifel, bzw. mit einem großen "Aber" ist in "Zabriskie Point" hingegen die Frage beantwortet, ob der gewünschte Umschwung möglich ist. Der offene Schluss kann als "Vielleicht" oder "Wahrscheinlich" gedeutet werden, nicht jedoch als "Nein".

Steter Tropfen höhlt den Stein, und so ist denn die legendäre Schlusszene auch optimistisch: In ständig wechselnden unterschiedlichsten Einstellungen zelebriert Antonioni die imposante Explosion der Nobel-Villa, des Statussymbols von Darias Vorgesetztem. Der ganze Reichtum geht in Flammen auf, in Zeitlupe fliegen die Trümmer durch die Luft, Kühlschränke und Regale explodieren und Brathähnchen, Konservendosen, Bücher, Sonnenschirme und Möbel schweben vor dem blauen Himmel, schön bunt wie aus dem Werbekatalog. All das, was für die Eltern der 68ziger Jugend Wohlstand, materielle Sicherheit und Annehmlichkeit verdeutlicht hat wird mit brachialer Wucht zerstört. Um diese Zerstörung des "amerikanischen Traumes" und des altmodischen Spießertumes noch zu krönen werden diese Visionen von Pink Floyd begleitet (die auch den übrigen Soundtrack lieferten, abgesehen von einigen anderen Songs), einer Band die bekanntermaßen zur gleichen Zeit, bzw. Anfang der 70ziger mit ihren sphärischen, progressiven Klängen auch eine musikalische Revolution einleitete.

Dieses brachiale Inferno kann als Metapher für die Subversion der konservativen Werte, des scheinheiligen Spießertums gelten. Die Wucht der Explosionen drückt den emotionalen, unbändigen Ausbruch der Jugend aus den Richtlinien vergangener Dekaden aus, der irreversibel sein sollte. Nach der 68ziger-Bewegung sollte nichts mehr so sein wie früher.

FAZIT: Ein Meisterwerk das sich schützend aber auch fragend vor die Ziele einer aufbegehrenden Jugend stellt, das große Forderungen stellt aber auch die Verwirklichung dieser Ziele verheißt, sollten die Forderungen erfüllt werden. Sowohl in inszenatorischer, emotionaler und vor allem auch in ästhetischer Hinsicht durch seine intensiven Bilder ein unvergessliches innovatives Meisterwerk das dem Zuschauer den Geist seiner Zeit und die Emotionen seiner Protagonisten auf schlichtweg grandiose aber nie artifizierte sondern stets nachvollziehbare Art und Weise vermittelt.

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