Manchmal ist der Ruf, den ein Film hinterlässt, größer als das Werk selbst - nicht zuletzt deshalb, weil dieser vor allem zum Zeitpunkt seines Erscheinens so sehr beeindruckte, daß Zitate oder einzelne Begriffe daraus in den allgemeinen Sprachgebrauch übergingen. So kennt heute kaum noch Jemand den Ursprung von "08/15" oder "Otto Normalverbraucher", eine Figur, die Gert Fröbe in seinem ersten Film "Berliner Ballade" 1948 verkörpert hatte.
Bei "...und immer lockt das Weib" kommen gleich zwei Dinge zusammen, die den Film in Erinnerung halten. Zum Einen ist es der Titel, der allerdings nur für die deutschen Kinos kreiert wurde, zum Anderen ist es die "BB" - Brigitte Bardot. Spätestens mit diesem Film, der ihr von ihrem damaligen Mann und Regisseur Roger Vadim auf den schönen Leib geschneidert wurde, war das Markenzeichen "BB" erfunden, welches danach noch jahrzehntelang höchsten Bekanntheitsgrad genoss und erst in den letzten 20 Jahren etwas verblasste.
In ihrem Heimatland Frankreich ist die Bardot immer noch ein Thema, gerade in ihrer politisch wirren Mischung aus militanter Tierliebe und rechtsradikaler Anhängerschaft von Le Pen. Viele Jahre war sie Frankreichs verehrtes Schönheitssymbol und betrachtet man "...und immer lockt das Weib" in diesem Zusammenhang, dann begreift man ihn fast als Menetekel für Brigitte Bardots Leben.
Im Grunde spielte die Bardot in allen ihren Filmen nur sich selbst, wenn auch wie hier im Film mit etwas übertriebeneren Posen und exaltierterer Direktheit. Selbst Nouvelle-Vague Regisseur Louis Malle besetzte sie in seinem "Viva Maria" 1965 als Stripperin und sexy Blickfang für die Männer. Jedesmal zum Beginn der Filmfestspiele in Cannes, sieht man sie wieder in alten Schwarz-Weiß Fotos am Strand schreiten und kann keinen Unterschied zu den Aufnahmen aus ihren Filmen erkennen. Nicht erstaunlich, daß sie schon 1973 mit gerade 39 Jahren ihren letzten Film drehte, denn ihre immer wiederkehrende Rolle lebte nicht nur von ihrer Schönheit, sondern auch von ihrer jugendlichen Ausstrahlung. Für eine Frau wie Brigitte Bardot ist ein echtes Happy-End unter diesen Umständen nur schwer vorstellbar...
Vielleicht liegt in dieser klaren Voraussicht ihres damaligen Mannes die eigentliche Qualität des Films, der vordergründig einen eher mittelmässigen Eindruck hinterlässt. Die Story selbst ist äußerst profan und unterscheidet sich nicht von ähnlichen Liebesschmonzetten dieser Zeit. Die 18jährige Vollwaise Juliete (Brigitte Bardot) lebt bei Pflegeeltern, die sich täglich mehr über deren promiskuitives Verhalten ärgern. Dabei läßt der Film offen, ob es dafür einen wirklichen Grund gibt oder ob die Bewohner des damals noch recht verschlafenen Saint Tropez, Juliettes laszive Art und auch ihre gern zur Schau gestellte Nacktheit als ausreichend für ihren Verdacht halten.
Tatsächlich ist Juliete in Antoine Tardieu (Henri Vidal) verliebt, der aber aus Berufsgründen nur selten in seiner Heimatstadt weilt. Als sie kurz davor ist, mit ihm eine Nacht zu verbringen, muß sie erfahren, daß dieser sie für ein Flittchen hält und es nur auf diese eine Nacht abgesehen hat. Enttäuscht rennt sie zu dem reichen Werftbesitzer Eric Carradine (Curd Jürgens), der schon seit längerem um das viel jüngere Mädchen wirbt. Doch mehr, als das sie ihn ein bißchen umgarnt, passiert nicht, so daß für den Betrachter keineswegs der Eindruck entsteht, daß sich Juliete verschiedenen Männern wahllos hingibt.
Das ändert aber nichts an den Vorurteilen in der Kleinstadt und so spricht sich schnell herum, daß Juliete wieder zurück ins Waisenhaus muß. Retten kann sie nur noch ein Mann, der sie heiraten will, was angesichts ihres schlechten Rufes unwahrscheinlich scheint. Doch Antoines jüngerer Bruder Michel (Jean-Louis Trintignant) ist schon lange in Juliete verliebt und so bittet er sie, ihn zu heiraten. Sie willigt ein und trotz der vielen Widerstände scheint die junge Ehe auf einen guten Weg zu gelangen. Bis der ältere Bruder wieder in seine Heimatstadt zurückkehrt...
Im Grunde hätte die Story eine Menge Potential für eine Abrechnung mit einer bigotten und moralisch verlogenen Bürgerschicht Mitte der 50er Jahre zur Verfügung gehabt, die bis in die Gegenwart ihre Gültigkeit behalten hätte. Auch wenn heute sicherlich andere Verhaltensweisen dafür notwendig sind, hat sich an den Vorurteilen und heimlichen Verurteilungen gegenüber Frauen, die sich sexuell offensiv verhalten, kaum etwas geändert. Gerade Antoines Haltung, mit Juliete ganz selbstverständlich Sex haben zu wollen, ihr aber gleichzeitig die Schuld dafür auf Grund ihres Verhaltens zu geben, hat sich bis heute nur wenig geändert. Genauso wie die Ablehnung vor allem der älteren Frauen, die an Juliete auch deren Faulheit bezüglich der Hausfrauenarbeit kritisieren.
Natürlich sind diese Kritikpunkte zu spüren, aber Roger Vadim ist vor allen Dingen an Brigitte Bardot interessiert und an deren natürlicher erotischer Ausstrahlung. Er gibt ihr eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich in aufreizenden Posen zu zeigen, die nur wenig verhüllte Nackheit demonstrieren. Das Ganze muß deshalb sehr im Zeitkontext betrachtet werden, denn die Provokation, die hinter dieser Optik steckte, ist aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar. Im Grunde konnte man die Denkweise, die Vadim hier der Bevölkerung andichtete, durchaus als allgemein voraussetzen, worin auch die Begründung liegt, daß er es mit der Kritik an dieser nicht übertrieb. Ihm ging es nicht um die Diffamierung einer verlogenen Sexualmoral, sondern einfach um Modernität. Sein Film mit dem kreierten Symbol "BB" und nicht zuletzt der Ruf, den St. Tropez zur selben Zeit als Luxusort für die Berühmten und Reichen erlangte, war ein Schritt heraus aus dem Mief der Nachkriegszeit und bereitete eine zumindest äußerliche Offenheit vor.
Gerade Filme, die sehr zeitbezogen ihre Wirkung entfalteten, haben heute mit einer gewissen Veralterung zu kämpfen. Das hier geschilderte Drama wirkt deshalb ein wenig zahnlos. Die Konflikte zwischen den Brüdern, Julietes Verzweiflung zwischen ihrer Liebe zu einem Mann, der sie nicht will, und dem Wunsch, Michel eine gute Ehefrau sein zu wollen, erinnert heute ein wenig an Frau Pilchers Liebesdramen. Dazu noch von Vadim recht betulich und ohne optische und erzählerische Besonderheiten in Szene gesetzt. Deshalb kann sein Werk nicht wirklich mitreißen und auch die Spannung hält sich in Grenzen, da eine Identifikation mit Juliete heute nicht mehr so direkt funktioniert.
Letztendlich bleibt der Film in seiner Aussage reaktionär und Vadim zeigt sich dabei ganz im Sinne der allgemeinen bürgerlichen Haltung, auch wenn er natürlich einen liebevolleren Blick auf Brigitte Bardot zeigt und seine eigene Begeisterung für sie immer zu spüren ist. Nicht ohne Grund heißt der Film im Original " Und Gott erschuf... die Frau", denn genau das will uns Vadim hier demostrieren - die Frau, wie er sie sieht und als Idealbild verehrt - frei und ungezwungen in ihrer erotischen Ausstrahlung und mit dem Antlitz von Brigitte Bardot. Das er damit den Prozess zu einer freieren Sexualität weiter vorangetrieben hat, möchte ich nicht bezweifeln ,aber Frau Bardot hat er damit nicht wirklich einen Gefallen getan.
Fazit : "...und immer lockt das Weib" ist ein exemplarischer Film für eine sich aus den Zwängen der Moralvorstellung der Vorkriegszeit befreienden Gesellschaft, Mitte der 50er Jahre. Roger Vadim entwickelte das Symbol "BB" und setzte ihr mit diesem Film ein Denkmal, von dessen Sockel sich Brigitte Bardot bis heute nicht befreien konnte.
Das Drama in der Kleinstadt St.Tropez mit der jungen Juliete im Mittelpunkt zwischen vielen Männern und einer verlogenen Moral im Hintergrund, bleibt in der Darstellung seiner Konflikte an der Oberfläche und ist nur das Vehikel für Roger Vadims Huldigung an sein Idealbild einer Frau.
Seine Wirkung hinsichtlich einer gesellschaftlichen Entwicklung (egal ob als Abbild oder als Katalysator) ist dem Film nicht abzusprechen und allein über den deutschen Titel und dessen Urheber könnte man trefflich philosophieren, aber deshalb bleibt "...und ewig lockt das Weib" ein durchschnittlicher Film, der vor allem in seinem Zeitkontext Interesse wecken kann (5,5/10)