Die Mondos von Angelo und Alfredo Castiglioni sind, mit Ausnahme der Werke von Prosperi und Jacopetti, die besten und sehenswertesten überhaupt in ihrem Genre, das bis auf überflüssige Sex-Dokus und menschenverachtender Kost a la „Gesichter des Todes“ nicht wirklich viel zu bieten hat. Der Anteil an polarisierenden und wirklich harten Sequenzen ist in „Africa Ama“ ziemlich hoch und bietet viel Angriffsfläche. Rassismus und plumpe Gewaltverherrlichung sind nicht die Stilmittel mit denen die Regisseure arbeiten, wohl aber mit brutalen Details und drastischen Bildern.
Wohl erstmals in der Filmgeschichte sind explizite und ungeschönte Bilder von Frauenbeschneidungen in „Africa Ama“ zu sehen – die Macher lassen die grausamen Bilder aber nicht zum Selbstzweck verkommen und machen schon früh auf ein heutzutage immer noch brandaktuelles Thema hin. Dabei urteilen sie nicht vorschnell über archaische Riten sondern geben sich bewusst kulturrelativistisch. Die hier dargestellten Fakten können von mir nicht als wahr oder unwahr klassifiziert werden, insgesamt scheinen die Castiglioni-Brüder aber große Ahnung von ihrem Stoff zu haben und schlachten die Bilder nicht gänzlich kommerziell aus.
In einigen Szenen schimmert genretypischer Voyeurismus durch und die nackten Afrikanerinnen werden oftmals unnötig mit Close-Ups bedacht. Ein cleverer Schachzug, im Mondo-Genre üblich, denn nackte Frauen durften im italienischen Kino nicht einfach so nackt gezeigt werden und um Skandale zu vermeiden, bediente man sich dem Deckmantel der Dokumentation um nackte Tatsachen exotischer Frauen zu präsentieren. Hinter jener plakativen Fassade hat „Africa Ama“ als seriöse Dokumentation aber durchaus Bestand und vermittelt viele interessante Details über afrikanische Ureinwohner.
Als Produzent fungierte der berühmte Alberto Grimaldi, der schon für etliche Klassiker der Filmgeschichte („1900“, „Die 120 Tage von Sodom“ und viele mehr) verantwortlich war und eigentlich niemals Total-Ausfälle heraus brachte. Daher befanden sich die Produktionsstandards auf hohem Niveau und die gebotene Kameraführung kann sich mehr als nur sehen lassen. Schnitt und Montage des Bildmaterials sind ebenso gelungen wie der unaufdringliche Score, der aber zu keinem Zeitpunkt mit den Arbeiten Ortolanis konkurrieren kann.
Tierisches Leid ist nur wenig zu sehen, trotzdem rate ich zart besaiteten Gemütern dringend ab, eigentlich von allen Castiglioni-Filmen, dann doch eher der vergleichsweise harmlose „Mondo Cane“. Nach 100 Minuten Blut, Schweiß und Tränen hat es der Zuschauer geschafft, eine filmische Erfahrung ist „Africa Ama“ mit Sicherheit, vor allem, da das Wissen über den afrikanischen Kontinent bei den meisten doch eher dürftig ist. Ach ja, zum Schluss gibt es noch eine sehr detaillierte Geburts-Szene zu bestaunen…
Fazit: „Africa Ama“ ist ein Höhepunkt des Mondo-Films, die gleiche Qualität erreichten die Macher später auch noch in „Magia Nuda“ und „Addio Ultimo Uomo“. Für Genre-Fans Pflicht, auch wenn der Film nicht allzu leicht zu bekommen ist.
6,5 / 10