Review

„Die Müßiggänger“ war für Frederico Fellini der erste kommerzielle Erfolg und auch die Kritiker zeigten sich erstmals positiv überrascht nachdem die beiden vorigen Werke („Lichter des Variete“ und „Der weiße Scheich“) weitgehend verrissen wurden und auch finanzielle Flops waren. Mit „La Strada“ erntete er trotz einiger negativer Stimmen einen weiteren Erfolg, dennoch erwies es sich zunächst als schwierig, einen Geldgeber für „Il Bidone“ zu finden.

Nicht nur die anfängliche Sequenz, in der sich die Schwindler als Priester ausgeben um trickreich arme Leute auszunehmen, stieß auf heftige Kritik im katholischen Italien. Schon die Grundkonstellation der Charaktere, in der durchweg unmoralische Menschen als Sympathieträger und Hauptfiguren agieren, entsprach keineswegs gängigen Moralvorstellungen. Doch in Italien hatten die Filmemacher bekanntlich trotz allem schon immer relativ große künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten. Der italienische Neorealismus ist vielleicht die Geburtsstunde des Autorenkinos, welches die nachfolgende französische Strömung, die Novelle Vaque, als endgültig definierten Begriff durchsetzte. Zur Zeit der Veröffentlichung fand das Werk keinen großen Zuspruch bei der Kritik, was Fellini persönlich verletzte und ihn dazu veranlasste, nie wieder einen Film zum Festival von Venedig zu schicken denn auch dort ging das Werk unter. Erst spät wurde das Frühwerk Fellinis von der seriösen Filmwissenschaft wieder entdeckt und im Zuge dieser Renaissance kam auch „Il Bidone“ zu später aber verdienter Anerkennung.

Der Originaltitel bedeutet wörtlich übersetzt „Der Schwindler“ und trifft den Charakter des Films natürlich auch wesentlich besser als die deutsche Abänderung „Die Schwindler“. Im Zentrum der Handlung steht keine Gruppe sondern der gealterte Augusto, dessen Partner (Picasso und Roberto, zwei wesentlich jüngere Männer) eher als Nebenfiguren fungieren. Eine Freundschaft besteht nicht, ihre geschäftliche Partnerschaft dient dem reinen Zweck. Daraus resultiert eine Atmosphäre, die von Misstrauen, Betrug und Lügen vergiftet wird – Picasso (gespielt von Richard Baseheart, „Moby Dick“) kann seine Verbrechen nicht mehr vor seiner Frau Iris (Giulietta Masina) verschweigen und beendet seine Laufbahn als Krimineller bevor es sein Leben ähnlich zerstört wie schon Augustos. Franco Fabrizi spielt, ähnlich wie schon in „Die Müßiggänger“ einen von sich selbst eingenommenen Frauenhelden mit Hang zu diversen Lastern. Fellini engagierte neben diesen professionellen Darstellern, ganz im Stil des Neorealismus, zahlreiche Laien für die Darstellung der einfachen Leute aus dem Volk. So bleibt trotz der teils poetisch anmutenden Dialoge und der eher klassisch konstruierten Handlung auch ein Teil ungeschminkter Authentizität der neorealistischen Bewegung erhalten. Dennoch wurde Fellini von Zeitgenossen wie Visconti oft gescholten für seine gänzlich anderen Drehbuchmechanismen und seine eigenwillige Ästhetik.

Für die Hauptrolle des Augusto konnte Fellini, wie schon zuvor in „La Strada“ mit Anthony Quinn, einen bekannten amerikanischen Charakterdarsteller gewinnen. Broderick Crawford hatte wenige Jahre zuvor den Oscar gewonnen und befand sich auf einen Karrierehöhepunkt, den er leider nicht lange beibehalten konnte. Seine Leistung in „Il Bidone“ ist herausragend in ihrer poetischen Gestaltung. Beinahe nur mit seinen Augen und seiner Mimik spielt Crawford den abgestumpften Gauner hingebungsvoll und mit gebührender Ernsthaftigkeit. Seine Läuterung zum Schluss wirkt nicht aufgesetzt sondern nur verständlich und in ihrer humanistischen Konsequenz berührend aufrichtig. Als Augusto eine weitere schwer arbeitende Familie um ihr hart verdientes Erspartes bringen will kommt es zufällig zum Gespräch mit der behinderten Tochter der Familie. Der hier in Szene gesetzte Dialog ist frei von jeglichem Pathos und ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Die Wirkung jedoch ist erstaunlich verstörend, trifft den Zuschauer bis ins Mark wenn er sich auf den Gegenstand der Unterhaltung richtig einlässt. Wenn das Mädchen ihre Dankbarkeit für ihr Leben und ihre aufrichtige Liebe zur Familie ausdrückt und sich Augusto seiner eigenen Tochter besinnt, beschließt er das Geld nicht zu nehmen. Seine Komplizen gehen von einem hinterhältigen Betrug seinerseits aus und ironischerweise wird die erste gute Tat Augustos zu dessen Verderben.

Wie auch „La Strada“ ist „Il Bidone“ ein Film über die Erlösung. Auch hier stehen die zentralen Figuren am Rand der Gesellschaft doch Fellini unterlässt politische Aussagen, die ihm in Filmen stets zuwider waren. In dieser Zurückhaltung äußert sich nicht etwa mangelndes Interesse an sozialkritischen Themen, vielmehr untermauert eine solche Herangehensweise die unweigerliche Abkehr Fellinis von Neorealismus. Dieser filmischen Strömung hatte ‚Il Maestro’ mit wichtigen Beiträgen zu den Drehbüchern der Werke Rossellinis entscheidende Aspekte abgerungen doch mit im Laufe der voranschreitenden eigenen Karriere distanzierte sich Fellini vollends von der Stilrichtung, in der er seine künstlerischen Kinderjahre verbrachte. Zampano wird nicht erlöst am Ende von „La Strada“ und der Film schließt mit einem verzweifelten Aufschrei Anthony Quinns. Ganz anders schafft es Augusto beinahe Erlösung zu finden und findet durch die Konsequenzen seiner ersten guten Tat letztendlich den Tod. Augusto stirbt verzweifelt und allein doch seine Seele ist vielleicht gerettet.

Fazit: Auch „Il Bidone“ ist ein frühes Meisterwerk Fellinis, vereint die heitere Leichtigkeit seiner Inszenierung mit einer zutiefst moralischen, ernsten Lebensbetrachtung, welche auf hervorragende Weise eingefangen wurde. Mit bitterer Ironie serviert uns der Film ein konsequentes Finale, welches mit der Wucht einer griechischen Tragödie auf den Zuschauer einstürzt und diesen zutiefst erschüttert zurücklässt.

09 / 10

Details
Ähnliche Filme