‚Bullenkloster’ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für ein Junggesellenheim. Dorthin verschlägt es den Hauptcharakter Heiner und außerdem nimmt er seinen alten Job als Kumpel unter Tage wieder auf. Inmitten dieses hormonell aufgeladenen Wohnheims platziert ist der zweite und vielleicht beste Teil der kultigen Kumpel-Reihe von Regisseur Franz Marischka.
Schon der erste Teil schockierte mit kontroversen Szenen, am berühmtesten mit der offenherzigen Darstellung eines erigierten Penis’. Auch „Das Bullenkloster“ ist angefüllt mit rassistischen und sexistischen Untertönen, zeigt einige Gewaltszenen in einem ernsten Kontext und neben einigen barbusigen Damen auch mehrmals den nackten Hauptdarsteller Michel Jacot. Der Kampf um Würde und Anerkennung wird veranschaulicht am Beispiel des alten Boxers Jupp, der nochmals in den Ring steigt um eine Frau zu beeindrucken und sich selbst zu beweisen. Er scheitert kläglich an seinen zu hoch gesteckten Erwartungen. Anders dagegen das verklärende Happy End um den Hauptcharakter Heiner, dessen Frau eine völlig unglaubwürdige Wandlung zur Straßenhure durchgemacht hat. Beim Gedanken an das Wohl seines Sohnes beschließt Heiner einen Neuanfang und befreit seine Ex-Frau vom Strichleben. Diese holprige Storyline wirkt unnötig versöhnlich, zerstört den zuvor aufgebauten, eher ernsten Grundton eindeutig.
Hans-Henning Claer, Autor der gleichnamigen literarischen Vorlage, war schon im Vorgänger als Nebendarsteller dabei, im zweiten Teil übernimmt er als Boxer Jupp aber eine tragende Rolle und kann als verbitterter Alt-Kumpel auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Seine derben Romane sind autobiografischer Natur und spiegeln die Erfahrungen des Autors im Arbeitsleben unter Tage ungeschminkt dar, einen Teil der Authentizität kann sogar unbeschadet in die Verfilmung hinüber gerettet werden. So versteht sich der Film keinesfalls als reine Komödie sondern als sleazige Milieuschilderung, auch wenn viele Szenen unfreiwillig komisch gerieten. Die Story knüpft direkt an die Vorgänge des ersten Teils an und führt sie letztendlich zu einem scheinbar harmonischen Schlusspunkt. Claers Drehbuch enthält wesentlich mehr narrative Stringenz als der etwas konfuse Vorgänger, beinhaltet auch weniger psychologische Ansätze. Vielmehr geht Marischka trocken mit seinem Sujet um und setzt den Film überraschend unprätentiös in Szene, auf die obligatorischen erotischen Abschweifungen und zotigen Humor verzichtet er natürlich nicht und baut viele Schauwerte mit ein. Damit entspricht der Film aber genau der Literaturvorlage, die mit nackter Haut und obszöner Sprache auch nicht geizte und ihr ernstes Anliegen trivial und allgemein verständlich verpackte.
Darüber hinaus erscheint die politische Inkorrektheit in den Dialogen und in der klischeehaften Charakterzeichnung sehr realitätsnah, zumindest was die Geisteshaltung und die eingefangene Stimmung betrifft. Die deutschen Arbeiter wurden konfrontiert von einer Flut von Gastarbeitern, von deren Anwesenheit sich die Einheimischen bedroht fühlten. Dieses Misstrauen wird am deutlichsten verkörpert von Johannes Buzalski – seine Figur ist ein gealterter Kumpel, der von den Zeiten bei der Hitlerjugend schwärmt. Wie gut es uns unter Adolf heute gehen würde. Seine hier vorgetragenen Stammtischparolen und der lapidare Umgang damit portraitieren vielleicht sogar ungewollt die engstirnige Sicht eines deutschen Spießbürgers überraschend treffsicher. Buzalski („Mark of The Devil“) ist in guter Form und überzeugt vollauf in seinen Auftritten. Rinaldo Talamonti ist in seiner Paraderolle zu sehen, als überzeichneter heißblütiger Südländer, der die Klischees des Latin Lovers und dessen Omnipotenz gekonnt auf die Schippe nimmt. Nur selten lief er zu solcher Spielfreude auf wie in der „Lass Jucken Kumpel“-Reihe.
Die Nacktszenen mit Michel Jacot hatten übrigens hohen Anteil am Erfolg des Films, immerhin avancierte er, nachdem schon der Vorgänger mit der Goldenen Leinwand ausgezeichnet wurde, zum zweiterfolgreichsten deutschen Film des Jahres 1973. Mit verantwortlich für diesen Erfolg war der berüchtigt große Penis Jacots, der nach einer klassischen Schauspielausbildung zunächst nur in diesem Genre Rollen bekam. Anfang der 70er machten die Sexfilme einen enormen Anteil von nahezu fünfzig Prozent der deutschen Kinoproduktionen aus, eine unwahrscheinlich hohe Zahl. Nach den Erfolgen mit den Kumpel-Filmen distanzierte sich Jacot aber von seinem Image und mied von nun an das Genre. Dasselbe galt für die renommierte Theaterdarstellerin Helga Bender, die nur unter dem Pseudonym Helga König in den einschlägigen Produktionen auftrat um ihr Ansehen nicht zu beschmutzen. Stur verleugnete sie ihre Verbindung zu den unseriösen Sexfilmen, erst spät bekannte sie sich auch öffentlich zu ihrem ‚Doppellleben’.
Fazit: Unterhaltsamer und erneut drastischer Nachfolger zum Überraschungshit „Lass Jucken Kumpel“, dem noch drei weitere Fortsetzungen folgen sollten. „Das Bullenkloster“ ist ein Paradebeispiel für einen ansprechenden deutschen Erotikfilm und überzeugt durch zahlreiche Frivolitäten, einnehmenden Charme und gut aufgelegte Darsteller. Ein echtes Fest für Genre-Kenner und solche, die es werden wollen. Klarer Tipp!
07 / 10