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Woher kommt bloß die Annahme, dass Woody Allen erst mit „Match Point“ wieder in erstarkter Form inszenierte? Immerhin ist sein Gesamtwerk durchzogen mit gelungenen Filmen. In jeder seiner unterschiedlichen Schaffensperioden gelangen dem Altmeister hervorragende Werke, die weit über dem Durchschnitt liegen und nur selten passierte mal ein künstlerischer Missgriff. „Geliebte Aphrodite“ ist einer von vielen guten Allen-Komödien und folgte auf „Bullets Over Broadway“ und den TV-Film „Don’t drink The Water“. Mit vorliegendem Film liefert er uns eine Hommage an das griechische Theater in seiner klassischen, aristotelischen Form. Dementsprechend durchstrukturiert erscheint dann die originelle Handlung – ein Chor führt uns in die Story ein und kommt zwischendurch immer wieder zu Wort, kommuniziert mitunter auch mit den Protagonisten in ihren Tagträumen. Die zeitlose Geschichte spielt mal wieder im New York der Gegenwart (also der 90er) und wartet mit allen Zutaten auf, die eine intelligente Dialogkomödie braucht.

Wie schon so oft treibt Allen seine Schauspieler zu Höchstleistungen, Mira Sorvino erhielt völlig zu Recht den Oscar als beste Nebendarstellerin. Ihr verschmitztes Spiel verleiht ihrer Figur genau die richtige Mischung aus Naivität, herzensguter Offenheit und erotischer Ausstrahlung. Den nötigen Kontrast bietet Allen selbst und legt seinen Charakter wie immer eher schüchtern und verschlossen an. Wenn die beiden aufeinander prallen ist für herzhafte Lacher gesorgt. Michael Rapaport ist als leicht beschränkter Zwiebelfarmer zu sehen, die wenigen Szenen in denen er auftritt bleiben prägnant in Erinnerung. Außerdem ist Helena Bonham Carter als Woodys Frau mit dabei, hat aber nicht viel Screentime und ist für die Story auch nur am Rande wichtig. In ihrer kühlen aber eleganten Erscheinung erscheint sie als gebildete, starke Charakterfrau und zeigt ihr darstellerisches Können. Das kompliziert gestrickte Beziehungsgeflecht wird mit leichter Hand von Allen geführt und mit vielen überraschenden Momenten variiert.

Mit einer wunderbar absurden Schlussszene klingt der Film leise aus und hinterlässt einen durchweg positiven Eindruck, wie immer schafft es Allen ohne plakative Mittel starke Unterhaltung zu erzeugen. Die sich anbietenden Vulgarismen werden allesamt in den schreiend komischen Dialogen entladen, ansonsten ignoriert Allen jeglichen derben Humor. Viel mehr wirkt der Film schon wie ein mildes Werk eines alternden Zynikers, der seine inszenatorische und schriftstellerische Klasse zwar beibehalten hat, der es aber leid ist, eine schwarzseherische Quintessenz zu ziehen.

Allen ist nicht zu alt für seine Rolle, auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag. Erstens ist es durchaus nichts Ungewöhnliches in der New Yorker Upper Class, im fortgeschrittenen Alter noch ein Baby zu adoptieren weil vorher die eigenen Karrierepläne im Weg standen. Zweitens und noch viel wichtiger scheint der nötige Kontrast zwischen Allen und Sorvino: Lenny (Allen) besitzt zwar mehr Lebenserfahrung und die eindeutig bessere soziale Stellung, kommt aber im Gegensatz zur unbeschwerten und ungebildeten Linda (Sorvino) nicht mit dem Leben klar.

In einem clever konstruierten Subtext stellt der Film eine interessante filmische Analyse dar, wie weit die vermeintlichen Verbesserungen eines Regisseurs an seinen handelnden Figuren gehen sollen. Lennys Absichten sind gut, doch sind seine Eingriffe in die Kleidung, Verhaltens- und Ausdrucksweisen von Linda wirklich förderlich? Im Endeffekt steht ein Kompromiss als Antwort auf diese Frage, denn unter anderem verdankt Linda ihren positiven Lebenswandel am Ende doch zum Teil Lennys Bemühungen. Doch der Regisseur, als der Lenny für Linda zeitweise allegorisch fungiert, sollte dem Schauspieler (auch Lindas Berufswunsch ein Leinwandstar zu werden unterstützt diese These) nur die Richtung vorgeben und ihn nicht dazu animieren gegen seine eigene Natur anzuspielen.

Ein immer wiederkehrender Vorwurf greift allerdings auch für „Geliebte Aphrodite“: Woody Allen bemüht sich nicht im Ansatz um Innovationen, bleibt seiner filmischen Ästhetik, seinen bevorzugten Themen und seinem typischen Wortwitz absolut treu. Doch eine derartige Kontinuität kann sich auch positiv bemerkbar machen, vor allem in Anbetracht an die stetig sehr hohe Qualität der Arbeiten Allens. Nervös und penetrant, wie in seinen schwächeren Auftritten, zeigt sich der Altmeister hier nicht, glänzt eher durch angenehme Zurückhaltung. Betrachtet man Allens Gesamtwerk allerdings tiefgehender, so stellt man schnell fest, dass die unterschiedlichen Filme oft ihre medialen Möglichkeiten voll nutzen bzw. ins Gegenteil verkehren. „Geliebte Aphrodite“ bleibt oberflächlich gesehen unexperimentell und ist daher auch für ein breiteres Mainstreampublikum zugänglich.

Fazit: Allen in Topform, sowohl inszenatorisch als auch in Bezug auf das dichte Drehbuch und seine wie immer stimmige Schauspielführung. Schade, dass der Film völlig unterging und es wie bei vielen Perlen des Regisseurs einfach mal wieder kaum einer gemerkt hat. Einfach gute Unterhaltung mit dem richtigen Maß an Hintersinn. Und noch mal, in aller Deutlichkeit: Allen hat nie aufgehört gut zu sein, befand sich nahezu immer in filmischer Topform. Das war in den 90ern so und ist auch heute noch der Fall.

8,5 / 10

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