Mitte der 70er Jahre war "Shampoo" ein sehr erfolgreicher Film, aber aus Gründen, die seiner Qualität nicht gerecht wurden, was dazu führte, daß dieser großartige Film des "New Hollywood" heute nicht nur in Vergessenheit geriet ,sondern auch sein Ansehen stark gelitten hat.
Warren Beatty, der den Film produzierte und das Drehbuch dazu schrieb, war zum damaligen Zeitpunkt als Womanizer in Hollywood berühmt und hatte sich die Rolle als Mann, den die Frauen lieben, scheinbar auf den eigenen Leib geschrieben, was zum großen Teil den damaligen Erfolg ausmachte. Beatty und Regisseur Hal Ashby wählten dabei den Kniff, das Geschehen ein paar Jahre zurückzusetzen, genau auf den November 1968, als Richard Nixon zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. Während wir immer wieder im Hintergrund Fernseheinblendungen mit Nixon sehen und dessen Parolen über Vertrauen und Zusammenhalt mithören, war dieser zum Zeitpunkt der Entstehung des Films längst auf Grund seiner Verwicklung in die sogenannte "Watergate Affäre" zurückgetreten.
Diesen Background aus leeren Versprechungen und der erwiesenen Unwahrheit hatte der bis heute als linker Aktivist der Demokraten bekannte Beatty für seine Geschichte gewählt. Wer hier deshalb eine beißende Satire auf diese Zeit erwartet, wird enttäuscht, denn dem Film werden zwei Dinge zum Verhängnis - seine Subtilität und sein Pessimismus.
Während sich das damalige Publikum an den Stars erfreute (neben Beatty noch der großartige Jack Warden, die erfrischend junge Goldie Hawn, die attraktive, lebenserfahrene Julie Christie und die wunderbare Lee Grant, die für ihre Rolle einen Oscar gewann) und eine Story über freie Sexualität für sich schon als spannend galt, wird vom heutigen Zuseher eine gewisse Grundkenntnis über die damalige Zeit abverlangt, um Beattys allgemeingültige Intention in dieser zwar locker erzählten, aber sehr sprachintensiven Komödie zu spüren, die tatsächlich alles andere als eine Komödie im heutigen Sinne ist.
Die hier erzählte Geschichte zeigt einen knapp zweitägigen Ausschnitt aus dem Leben des George Roundy. Und sie beginnt in fast völliger Dunkelheit, aus der heraus wir einem Gespräch zwischen Mann und Frau lauschen, die gemeinsam in ihrem Bett liegen. Während der Mann noch erzählt, wie großartig er sie findet, zieht er sich schon mitten in der Nacht seine Hosen an, um kurz darauf mit dem Motorrad zu einer anderen Frau zu fahren, der er ebenfalls erzählt, wie großartig er sie findet. Das Erstaunliche an George ist aber, daß er dabei gar nicht verlogen wirkt, sondern immer sichtlich bemüht, es den Frauen recht zu machen.
Beatty spielt den etwa 30jährigen Friseur in einer Mischung aus Naivität und Begeisterung, aber auch ohne besonderes Intellekt und innere Konsequenz. Man ist sich nie ganz sicher, ob er das alles selber will, denn die Frauen, die ihn nicht nur wegen seines guten Geschmacks und Könnens als Friseur schätzen, sondern vor allem als attraktiven Mann, sind in ihrer Forderung nach Sex meist sehr offensiv. Seine Freundin Jill (Goldie Hawn) ahnt nichts davon und hofft deshalb, daß es George endlich gelingt, sich selbstständig zu machen. Doch sein Besuch bei einer Bank scheitert kläglich, da sich George mit den Gepflogenheiten in der Business-Branche nicht auskennt. Beatty gelingt es hervorragend, hier die Traumfigur eines Mannes, der ständig mit den attraktivsten Frauen Sex hat, zu differenzieren und auch die Tragik dahinter spüren zu lassen.
Zusätzlich wird er mit einer anderen Männerfigur, Lester (Jack Warden), dem Ehemann seiner Geliebten Felicia (Lee Grant), konfrontiert. Lester ist ein typischer "Self-Made-Man", der es aus dem Nichts zum schwerreichen Geschäftsmann gebracht hat. Doch auch der konservative Mittvierziger kann sich nicht der Faszination der späten 60er Jahre erwehren. Schon lange seiner Ehefrau entfremdet, treibt ihn neben dem Geldverdienen meist der Wunsch nach Sexualität um und wir sehen ihn auf einer typischen Party fast naiv begeistert dem Treiben mit Drogen und Sex zusehen. Dank Jack Wardens Spiel wird diese Figur nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern vermittelt erstaunlich viel Sympathie und auch Professionalität und Selbsterkenntnis, die wiederum George völlig abgeht.
Mit der Konfrontation dieser zwei exemplarischen Männerfiguren, kombiniert mit drei Frauen, die die Hoffnung, die Realität und den Niedergang verkörpern, gelingt hier ein äußerst komplexes Bild eines gesellschaftlichen Umbruchs. Hal Ashby und Beatty verdeutlichen dabei schon 1975, daß der politische Gedanke oder gesellschaftliche Bestrebungen dabei nur eine geringe Rolle spielten. George, der mit seinen langen Haaren und seiner unbürgerlichen Lebensweise scheinbar den Gegner des " Establishments" verkörpert, ist hier ein völlig unpolitischer Nutznießer der neuen Freiheiten und letztendlich damit einem Lester unterlegen, der zwar bei Frauen weniger Chancen hat, aber die Fähigkeit besitzt, die Vorteile des Marktes für sich zu nutzen.
Fazit : unterhaltsamer, sprachlastiger Film über einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben eines bei Frauen sehr beliebten Friseurs. Warren Beatty nutzte diese Story nicht nur dazu, sein eigenes Image zu demontieren, sondern ein sehr differenziertes Bild des gesellschaftlichen Umbruchs Ende der 60er Jahre zu zeigen. Regisseur Hal Ashby, der zuvor durch "Harold und Maude" berühmt wurde, bleibt hier zwar äußerlich seiner Linie treu, sich mit neuen gesellschaftlichen Strömungen zu beschäftigen, aber in Zusammenarbeit mit Warren Beatty fehlt hier der optimistische Blick und der Glaube an eine Utopie.
Tatsächlich ist "Shampoo" ein Abgesang auf das Ende der 60er Jahre, indem hier die äußerlichen Veränderungen als hohler Aktionismus gezeigt werden und damit verdeutlicht wird, daß hinter der Fassade alles beim Alten bleibt. Dabei verzichtet der Film auf plakative Schuldzuweisungen und ein klassisches Gut/Böse Schema. Mitte der 70er Jahre wurde diese subtile Botschaft dank der äußeren Attraktivität des Films kaum erkannt und aus heutiger Sicht wünscht man sich eine klarere Aussage.
Dabei kann man Beattys Weitsicht nur bewundern und diesen intensiven, authentisch gespielten und auch tragischen Film nur weiter empfehlen (9/10).