In Deutschland hatte "American Beauty" beim Kinostart einen wesentlichen Nachteil, weshalb der Tragikomödie der große Erfolg an den Kinokassen im Vergleich zur Qualität doch verwehrt blieb: Denn Sam Mendes' Gesellschaftssatire lief unmittelbar nach der Teeniekomödie "American Pie" an. Das Mainstreampublikum in seinem Teeniefilmwahn konnte daher natürlich nicht viel mit "American Beauty" anfangen, sodass das auf moderne Weise kunstvoll in Szene gesetzte Werk damals zu Unrecht etwas unterging.
Dabei gehört der gesellschaftskritische Film unter Einbeziehung von leichten komödiantischen Elementen zu einer der besten Produktionen der letzten Jahre, die den trügerischen Schein des American Dream gnadenlos offen legt. Unter der glänzenden Oberfläche scheinbar normaler Familien aus einer Vorstadtidylle brodelt es nämlich gewaltig. Ehepartner führen nur eine Scheinehe, in der es mit der Kommunikation und dem sexuellen Verhältnis zwischen einander schon lange nicht mehr funktioniert.
Der dramaturgische Aufbau des Werkes folgt hierbei noch dem pyramidalen Bau des Dramas nach dem Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Gustav Freytag. Die Exposition zeigt sich logischerweise gleich zu Anfang während einer virtuosen Kamerafahrt in die Vorstadt mittels einem Prolog, in dem uns Hauptprotagonist Lester Burnham sein tristes Leben beschreibt, dessen täglicher Höhepunkt das morgendliche Masturbieren unter der Dusche bildet. Es dauert nicht lange, bis wir uns auch eine Vorstellung seiner Familie gemacht haben. Seine charakterlich ekelhafte, egozentrische, seelisch allerdings ebenfalls angeknackste Frau interessiert sich kaum noch für ihn, geschweige denn für sexuelle Annäherungen. Seine Tochter Jane hasst ihn, sodass auch hier eine liebevolle Beziehung längst zu Bruch gegangen ist. Dazu kommt Lesters trostloser Job, der in ihm ebenfalls kaum Freude aufblühen lässt. Der lamentable und frustrierte Lester kennt keine Abwechslung in seinem langweiligen Leben; er ist ein Gefangener der freien Welt. Diese Tatsache macht ihn schließlich zur Identifikationsfigur des Zuschauers.
Analog dem Freytag'schen, pyramidalen Bau findet das Werk schließlich bald seine Peripetie, die mit dem ersten Erblicken von Janes Freundin Angela eingeleitet wird, wobei inszenatorische Stilmittel wie Allegorien, Lesters neuartige, sprudelnde Gefühle dem Zuschauer vermitteln. Symbolhafte Rosenblätter, in denen Angela eingebettet wird, sind Sinnbilder, die die Verliebtheit Lesters ganz eindeutig offenbaren. Sein Neuanfang, auch unterstützt durch die imponierende Lebenseinstellung des Nachbarsjungen Ricky, ist letztendlich der Wendepunkt des Filmes. Lester hat zu Selbsterkenntnis gefunden und nichts mehr zu verlieren, daher ändert er fortan radikal seinen Lebensstil. Das Treiben von Sport, das Rauchen von Marihuana, eine gehörige Portion an Selbstbewusstsein und eine bitterböse Ehrlichkeit, die sich unter anderem auch in der Entladung von hineingefressenem Frust in der Familie zeigt, bringen ihm endlich wieder die vermisste Lebensfreude.
Spritzige, beißerische und ironisch witzige Wortgefechte sind nun Lesters neue Stärke und leisten für das Gesamtwerk satirische Arbeit. Doch auch dramatisch wird der Plot weitergeführt, indem uns das zerrüttete Verhältnis der Nachbarsfamilie, überwiegend zwischen Ricky und seinem auf Disziplin versessenem Vater, näher gebracht wird. Offensichtlich lässt sich das männliche Elternteil von seinem Sohn mit "Sir" anreden und unterzieht ihm fanatisch militärischen Gehorsam. Rickys Vater wird später zudem in die Kernhandlung mit impliziert, die schließlich traditionell in der bereits im Prolog angedeuteten Katastrophe enden soll. Groteskerweise lässt uns Regisseur Sam Mendes, begleitet von einem emotionalen, sinnlichen, schlicht hervorragenden Soundtrack, der den Film eigentlich durchgehend unterstützt, erst jetzt die wahre visuelle Schönheit erkennen. Sie liegt in kleinen unbedeutenden Dingen, denen wir keine Beachtung mehr schenken. Sie zeigt sich in ästhetisch im Bilde liegenden toten Vögeln und Menschen. Sie lässt uns beim Anblick einer im Wind tanzenden Plastiktüte dahin schmelzen - sie ist eigentlich unbeschreiblich.
Ein brillant aufgelegter Kevin Spacey trägt hier einen enorm großen Anteil zu dieser großartigen Gesellschaftssatire bei. Er ist die perfekte Inkarnation des Lester Burnham, der eine radikale Änderung seines Lebensstils einschlägt. Völlig zurecht wurde Kevin Spacey für diese Leistung mit einem Oscar für die beste Hauptrolle ausgezeichnet. Nur auf gering minderem Niveau sind auch die Darbietungen der Nebendarsteller anzusiedeln. Besonders hervorzuheben ist dabei Annette Bening als spießige Ehefrau Carolyn Burnham. Die Darstellung ihrer materiell eingestellten, heuchlerischen, aber dennoch seelisch bereits zerbrochenen, daher emotional oftmals gestellten Persönlichkeit ist auch ihr hervorragend gelungen.
"American Beauty" präsentiert uns einen herrlichen, bewusst überspitzten Eindruck des scheinbar amerikanischen Normalbürgers. Amerikanische Schönheit ist nur eine Fassade, die eine verlogene, infame, aber auch verklemmte Gesellschaft mit infertiler Atmosphäre schützt. Wahre Schönheit wird hier mit einer herausragenden Kamera eingefangen und findet sich in ganz anderen Dingen wieder.