Review

Season 02

SEASON 2

Johnny Smith wusste es sicher schon vor uns, jetzt wissen wir es auch: in der zweiten Staffel werden seine autarken Einzelabenteuer endlich konsequenter in einen übergeordneten Handlungsstrang eingebettet.

Mit dem Auftauchen des von Sean Patrick Flanery gespielten Politikers Greg Stillson deutete sich das schon am Ende der ersten Staffel an. Die CGI-Künstler haben sich spürbar angestrengt, ein Schlüsselbild von einer zerstörten Großstadt in Form einer Apokalypse zu animieren, mit weitläufigen Kamerafahrten und vielen Details. Klar, dass uns dieses Bild bei dem Aufwand noch öfters begegnen wird. “The Dead Zone” nimmt zusehends mehr die formale Linie der 90er-Erfolgsserie “Akte X” an, die nicht umsonst im Verlauf der Staffel gleich zweimal erwähnt wird.

Das Prinzip des Schmetterlingseffektes (der Flügelschlag eines Schmetterlings kann auf dem anderen Ende der Erdkugel einen Orkan auslösen, sprich: Johnny Smiths Eingreifen in die Zukunft hat stets fatale Konsequenzen) ist nicht mehr nur Vorwand, sondern wird über den Geltungsbereich einer abgeschlossenen Einzelfolge endlich mal ausgeweitet. So erinnert sich Johnny auch mal an zurückliegende Folgen und verwendet Erkenntnisse dazu, das aktuelle Problem möglichst elegant zu lösen. Auch taucht in den letzten Folgen der Staffel immer mal wieder eine ominöse Gestalt in einer Kutte auf, die mit der eigentlichen Storyline in dem Moment nichts zu tun hat; was es mit ihr auf sich hat, wird in der Abschlussepisode gelüftet.

Trotzdem gilt es, das Publikum nicht mit zu vielen Erzählsträngen zu überfordern - die oft schon übertriebene Komplexität der “Akte X”-Verschwörungstheorien wird nicht im Mindesten erreicht. Der Fokus liegt doch immer noch auf extra für 40 Minuten konstruierte Szenarien wie dem Verhindern eines Flugzeugabsturzes (im Sinne der reinen Abendunterhaltung sicherlich eine der aufregendsten Episoden), dem Umgehen eines Orkans oder dem Bewahren eines Boxers vor dem Tod im Ring.

Wie schon aus der ersten Staffel bekannt, werden die hellseherischen Fähigkeiten dabei oft sehr originell umgesetzt. Von der noch in Season 1 geäußerten Feststellung, die hellseherische Omnipotenz des ehemaligen Lehrers sei spannungstötend, muss ich mich zumindest teilweise inzwischen wieder distanzieren: Wenngleich man leider stets mit einem positiven Ausgang der Geschichte rechnen kann, so ist der Weg zum berechenbaren Ziel doch zumindest immer wieder spannend zu verfolgen. Die Tatsache, dass Johnny gleichermaßen in die Zukunft, in die Gegenwart (an einem anderen Ort) sowie in die Vergangenheit schauen kann, nutzen die Autoren für interessante Szenarien: So steht Johnny im Auftrag der US-Regierung (wieder mit Bezug zum 11. September) mitten in einem Kriegsgebiet im Nahen Osten und Kugeln fliegen nur Millimeter an ihm vorbei, während er mit aller Ruhe dasteht und Anweisungen gibt, wo sich der Feind befindet. In “Deja Voodoo” muss Johnny das Leben einer Bekanntschaft aus einer Bar (Reiko Aylesworth, “24") beschützen, was ihm nur durch beharrliches “Try & Error” gelingt, das Erinnerungen an “Und täglich grüßt das Murmeltier” weckt; in “Precipitate” wird es wahrhaft interaktiv, als eine Vision zwar Todesort und -Zeitpunkt einer Person verrät, jedoch sechs verschiedene Personen die Betroffen sein könnten. Ein Marktplatz wird dabei richtiggehend dreidimensional durchanalysiert und mit dem bekannten Stilmittel des “Anhaltens” einer dreidimensional begehbaren Szene durchleuchtet. Den Höhepunkt bildet aber sicher “Zion”, in der ein intelligenter Bezug zu Cronenbergs Film erstellt wird und die bislang noch eher ungeklärte Frage, wie das Universum der Serie mit dem der Kinoverfilmung zusammenpasst, geklärt wird.

“Zion” kümmert sich auch um die Vertiefung der Figur Bruce Lewis (John L. Adams), der als Zeichen seiner neuen Selbsterkenntnis sogar seine Dreadlocks gegen einen Kurzhaarschnitt eintauscht. Typisch für zweite Staffeln im Generellen werden Nebencharaktere stärker durchleuchtet und zumindest zeitweise macht Anthony Michael Hall die Bühne frei für seine Co-Stars, obwohl die Abhängigkeit der Serie von Halls Figur jederzeit überdeutlich ist. Denn lange lässt sich abseits der Visionen nicht palavern, dafür ist die Serie charakterlich zu oberflächlich.

Überhaupt ist die Charaktervertiefung des Bruce Lewis mehr Trug und Schein als wirklich Sein. In Wahrheit werden viele wichtige Bezugspersonen Johnny Smiths zunehmend bedeutungsloser für die Plots. Besonders hart hat es Chris Bruno als Sheriff Bannerman getroffen, der erstaunlich oft (nicht anders übrigens als John L. Adams) gar nicht erst in bestimmten Folgen auftaucht.
Aber selbst Anthony Michael Hall spielt im Grunde weiterhin nur eine Comicfigur. Die Tiefe bleibt in Sachen Charakterzeichnung ferner, als den Machern lieb sein kann. Da entwickelt sich Johnny, der bei fast jeder Berührung Visionen hat, lächerlicherweise zu einem psychisch absolut stabilen und ausgeglichenen Menschen (wenn man es genau nimmt, sogar ausgeglichener als alle anderen Figuren), nur um in einer speziellen Folge plötzlich nicht mehr klar zu kommen mit der riesigen Belastung (“Wie oft muss ich noch mit ansehen, wie Menschen sterben, bis ich daran zerbreche? Ich schaffe das alles nicht mehr.”). In der nächsten Episode ist das alles natürlich wieder vergessen. Auch der Umstand, dass er, der längst nationale Berühmtheit erlangt hat, so unbehelligt in einem kleinen Örtchen namens Maine sein Leben leben kann, erscheint wenig glaubwürdig. Mit Realismus wird es da nicht so genau genommen.

Die zweite Staffel übertrifft die erste letztlich aufgrund des Umstandes, dass die ausgedachten Stories meistens äußerst unterhaltsam sind und die Möglichkeiten der Serie immer weiter ausgelotet werden. Die alte Schwäche der Serie, die Charakterzeichnung, bleibt trotz entsprechender Bemühungen (“Zion”) unterentwickelt, bildet sich womöglich gar zurück. Doch immerhin hält nun auch eine Haupthandlung bei der Stange, die in der Hoffnung mündet, dass die Serie irgendwann in einem spektakulären Endzeitszenario mit Pauken und Trompeten beendet wird.
Season 2: 5.5/10

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