Bei "Liebe pur" handelt es sich um einen für das Fernsehen produzierten Film, der mit dem Prädikat "Der große SAT 1-Film" als Beispiel für eine hochwertige Fernsehunterhaltung dienen soll, die den Vergleich zu gängiger Kinoware nicht scheut. Optisch kann "Liebe pur" sicherlich mit anderen in Deutschland produzierten Kinofilmen mithalten, aber die Story und ihre Umsetzung zeigen doch deutlich, dass man hier eine große (Fernseh)Zielgruppe ansprechen will.
Der Beginn ist noch ganz gefällig. Fred Stromberg (Mark Keller) steigt aus seinem alten Maserati und betritt einen modernen Glaspalast, bei dem es sich um das Verlagsgebäude seines Vaters handelt. Fred ist der Juniorchef, aber Mark Keller gibt ihn sehr ruhig und zurückhaltend, fast ein bißchen ungeschickt, aber ohne arrogante Attitüde. Für diese ist seine Freundin Katrin (Cecilia Kunz) zuständig, die sich bei einer abendlichen Feier im Kreis der Prominenz das Maul über anwesende Möchtegern-Promis zerreisst. Ihr hauptsächliches Interesse gilt einer möglichst schnellen Vermählung mit Fred und es scheint so, als ob alles in die richtige Richtung läuft.
Denn Freds Vater eröffnet ihm am nächsten Tag, dass er sich demnächst aus seinem Job zurückziehen wird und Fred an seiner Stelle der Chef des Unternehmens werden soll. Dazu wünscht er die Hochzeit mit Katrin, da ihn Geschäftsinteressen mit deren Vater verbinden. Fred wirkt zwar wenig glücklich, unterwirft sich aber dieser Erwartungshaltung und fliegt nach Köln, um dort die notwendigen Papiere zu unterzeichnen.
So weit noch erträglich, aber man ahnt schon Schlimmes, als sich Fred, bevor er abreist, noch an den Flügel in seiner Luxuswohnung setzt und ein sanftes Lied singt, worauf seine Verlobte natürlich null reagiert. Nicht nur, das Mark Keller so weit von dem Flügel entfernt sitzt (und auch nicht die Pedale mit den Füßen bedient), dass man ihm seine Musikalität oder überhaupt nur eine echte Beziehung zu dem Instrument keine Sekunde abnimmt, sondern die gesamte Konstellation mit dem sanften, coolen und "irgendwie anders seienden" Fred trieft aus allen Poren. Die Anfangssituation mit dem nur ans Geschäft denkenden Vater und der ehrgeizigen Verlobten hätte man als Kritik an einer selbstverliebten Führungsschicht verstehen können, aber hier soll nur die Grundlage dafür geschaffen werden, Freds Ausbruch aus einer Welt "ohne Liebe" vorzubereiten.
Und es kommt, wie es kommen muss - oder besser, wie es klischeehafter und idiotischer nicht vorstellbar ist. Nachdem Fred in Köln die Papiere unterzeichnet hat, fragt er den Taxifahrer ,der einen starken Akzent spricht, nach einem netten, ruhigen Restaurant. Als ihm dieser einen Nightclub anbieten will, betont Fred ausdrücklich, dass er das nicht möchte. Trotzdem stehen die Schergen schon vor dem Lokal bereit, um Fred zu berauben und niederzuschlagen. Wie der Taxifahrer diese rechtzeitig und ohne das es Fred bemerkte, dorthin bestellen konnte (schließlich fügte sich Fred nicht seinen Vorgaben), bleibt rätselhaft, genauso wie die daraus folgende Amnesie.
Schon in der ersten Season von "24" wurde eine Amnesie als völlig an den Haaren herbeigezogene Plotwendung benutzt, aber da betraf das nur eine Nebenhandlung, während hier die gesamte Story daran hängt. Im Grunde verdeutlicht sich daran die Feigheit der Macher, dass Publikum mit einer psychologisch überzeugenden Story zu konfrontieren, die erklärt, warum ein reicher Schnösel aus seiner gewohnten Umgebung ausbricht. Denn als Fred aufwacht, sieht er in das schöne Gesicht der Schwester Sezen (Mandala Tayde) und selbst dem unbedarftesten Zuschauer ist klar, wohin die Reise geht.
Interessant wäre gewesen, ob Fred sich auch ohne Gedächtnisverlust an sie gehängt hätte, aber das hätte ja bedeutet, dass er seiner Pflicht als Verlegersohn nicht nachgekommen wäre und "Liebe pur" riskiert in seinen Charakterbeschreibungen nicht die geringste Abweichung von einer einseitigen Linie. So nimmt sich Sezen des einsamen und unwissenden Fred an und bringt ihn gleich zu ihrer türkischen Familie nach Hause, wo es vor Temperament und Familiengeist nur so strotzt ( man bemerke den Unterschied zu Freds trister Familie). Doch damit nicht genug, dauert es nur wenige Tage, bis Fred mit einer erfolgreichen Musikkarriere beginnt und zwischen ihm und Sezen zärtliche Gefühle entstehen.
Der Hauptvorwurf an "Liebe Pur" liegt aber nicht in dieser klischeeüberladenen und vorhersehbaren Story, sondern an der konventionellen, immer ernsthaft bleibenden und fast schmerzhaft langweiligen Inszenierung, die auch keinerlei Trash-Gelüste befriedigt. Der Film traut sich wirklich gar nichts - keinen echten Gefühlskitsch, keine wilden temperamentvollen Ausbrüche und die musikalischen Darbietungen sind von einer hochstimmigen Pop-Glätte, dass man sich die Ohren zuhalten muss. Fred wird selbst in dieser Situation nicht als anarchischer Charakter gezeigt, der tatsächlich aus gesellschaftlichen Zwängen ausbricht, und deshalb bleibt auch die hier als romantisch bezeichnete Story völlig emotionslos. Am deutlichsten zeigt sich das an der Figur der Sezen, die ihr hübsches Gesicht nur vor Begeisterung für Fred strahlen lässt oder bittere Tränen vergiesst. Das wird dermaßen penetrant und immergleich dargeboten, dass man sie mit der Zeit gar nicht mehr ansehen möchte...
Dazu verwendet der Film noch Plotwendungen, die seit den seligen Zeiten der deutschen 50er-Jahre-Klamotten ausgestorben schienen. Nachdem ein Detektiv Fred entdeckt hat und Katrin plötzlich in Köln auftaucht, flieht Sezen unglücklich zu ihrer Familie. Doch diese ermutigt Sezen zu einem Gespräch und taucht in Mannschaftstärke in dem Hotel auf, wo Fred die unglückliche Katrin gerade ganz offensichtlich tröstet. Doch das wird natürlich als Küssen missverstanden und man verschwindet wieder klammheimlich ,ohne das der ahnungslose Fred etwas bemerkt. Anspuchsloser ist ein Spannungsaufbau kaum vorstellbar.
Fazit : Gerade weil sich "Liebe pur" als anspruchsvolle Unterhaltung versteht, ist hier der Niedergang in der Fernsehunterhaltung besonders deutlich zu erkennen. Während sich frühere Tatort-Folgen oder deutsche Krimiserien vielleicht zu sehr dem deutschen Alltag widmeten und damit weltmännisches Flair vermissen liessen, aber immerhin Authentizität vermittelten, wirken die Versuche hier, eine scheinbar an Kino-Standards orientierte Geschichte zu fabrizieren, besonders provinziell.
Denn "Liebe pur" riskiert weniger als die einfachste amerikanische Filmkomödie und biedert sich einem möglichst großen Publikum an, dass sich eigentlich dagegen wehren müsste,für so dämlich gehalten zu werden. Oder haben die Macher mit diesem Konzept gerade richtig gelegen ? (2/10).