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1971 war ein bedeutendes Jahr für die so genannte ‚Gay Culture’. Gleich zwei bedeutende Independentwerke erschienen in diesem Jahr und avancierten aus dem Stand heraus zu Kultfilmen innerhalb der Schwulenszene. Dieser Status blieb sowohl vorliegendem Streifen „Pink Narcissus“ als auch dem berühmten Pornofilm „Boys in The Sand“ bis heute erhalten. Die sexuelle Revolution zog sich seit Jahren durch die gesamte amerikanische und europäische Filmkultur und bereitete den Weg für etwas Neues. Anfang der 70er stellte „Pink Narcissus“ einen Tabubruch dar obwohl William Friedkin bereits ein Jahr zuvor mit dem bedeutenden „The Boys in The Band“ eine Lanze brechen konnte und schwule Themen im Mainstreamkino salonfähig machte.

Doch im Gegensatz zu Friedkins Werk verzichtet „Pink Narcissus“ gänzlich auf narrative Konventionen und gleicht einer Verkettung visualisierter sexueller Wunschträume. Auch wenn die Grenze zum Hardcore nicht überschritten wird, erweisen sich einige sexuelle Details als überaus provokativ, besonders in der rein amourösen Bildsprache. Die schwärmerisch arrangierten Bilder verzichten auf jegliche Psychologisierung der Hauptfigur und so beinhaltet der Film beinahe keine gesprochenen Worte.

„Pink Narcissus“ blieb die einzige Regiearbeit des berühmten amerikanischen Fotografen James Bidgood, in dessen Gesamtwerk schon immer der ästhetisierte männliche Körper im Vordergrund stand. Dementsprechend treffend und sorgfältig überlegt erscheinen die Kameraperspektiven und die exzellente Ausleuchtung der bizarren Szenerie. Allerdings ist das Produktionsdesign kitschig und klischeehaft gewählt – auch wenn genau dieser träumerische Kitsch Bidgoods oft verwendetes Stilmittel ist, so schafft er es nicht seine Kreativität filmisch zu imaginieren. Warme Farben dominieren die improvisierten Szenenbilder, denen man das bescheidene Budget überdeutlich ansieht – Rot, Orange, Gelb und gedeckte Farben unterstützen die erotisch aufgeladenen Bilder. Mit einem Kleinstetat von knapp 27 000 Dollar drehte Bidgood auf Super 8 und mit einer nur fünfköpfigen Crew, drei davon Darsteller. In teilweise stark verfremdeter Optik lässt er seine Hauptfigur verschiedene sexuelle Fantasien auszuleben, sei es als stolzer Matador (Dominierender Part), als griechischer Sklave (devoter Part) oder schlichtweg als heimlicher Voyeur.

James Bidgood veröffentlichte seinen einzigen Film unter dem schlichten Banner ‚Anonymous’ und es blieb lange unklar, wer „Pink Narcissus“ tatsächlich inszenierte, Gerüchte brachten auch Pop Art Legende Andy Warhol mit dem Film in Verbindung. An dessen radikal experimentellen filmischen Arbeiten erinnert Bidgoods Film mehr als einmal und eine eventuelle Orientierung an Warhols Arbeiten kann nicht ausgeschlossen werden.

Fazit: Mit Sicherheit verdient „Pink Narcissus“ filmhistorische Beachtung und kann mit einigen clever gefilmten Szenen aufwarten doch der Konsum des Films stellt sich als sehr langatmig und wenig lohnenswert heraus. Nur wenig nimmt man als Zuschauer mit und angesichts der unfreiwilligen Komik erweist sich Wakefield Pooles „Boys in The Sand“ als das wesentlich interessantere Werk der Gay Culture. Dennoch leistete auch Bidgood einen wichtigen Beitrag zur schwulen Ästhetik, wobei seinem fotografischen Werk eine weitaus größere Bedeutung zuzukommen ist als seinem einzigen Film.

05 / 10

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