Das die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg unter der Aufsicht von Joseph Goebbels einen versierten Propagandafilm nach dem anderen ins Kino brachten und sämtliche Feindbilder in die Köpfe der Zuschauer hämmerte, ist wohl den meisten bekannt. Das auch auf amerikanischer Seite ebenfalls filmisch gekontert wurde ist auch den misten bekannt, ein berühmtes Beispiel für propagandistisch gefärbte Filmkunst ist der Klassiker „Casablanca“, doch auch etliche andere Filme bekamen einen politischen Anstrich. Beinahe unbekannt ist aber die wichtige Rolle, die Cartoons in diesem Zusammenhang spielten, schließlich wollte man bereits die Kleinsten auf das politische Klima einstimmen.
1943 bekam sogar ein Propagandafilm den Oscar als bester animierter Kurzfilm, dabei handelt es sich um Jack Kinney’s Meisterwerk „Der Fuehrer’s Face“. In vielerlei Hinsicht handelt es sich hierbei um einen filmhistorisch bedeutenden Film und die Auszeichnung der Academy geht völlig in Ordnung. Denn die hier gebotene Qualität sucht in ihrer subversiven Brillanz und der perfekten technischen Umsetzung in der Tat ihresgleichen. Produziert wurde der Film von Walt Disney, aus dessen Schmiede schon etliche andere politisch gefärbte Filme stammten, ob nun trockene Lehrfilme („Four Methods of Flush Riveting“) oder unterhaltsame Cartoons („The Vanishing Private“). Die Handlung, in aller Kürze, zeigt wie Donald Duck im Nazi-Deutschland aufwacht und sogleich den ganzen Tag arbeiten muss; erst als ihm der ganze Stress an die Nerven geht wacht er aus seinem Alptraum auf. Über seinem Bett hängt ein Schild mit der Aufschrift HOME SWEET HOME, eine willkommene Abwechslung zum HEIL SWEET HEIL aus seinem Traum.
Jack Kinney inszenierte den Film auf außerordentlich hohem Niveau und sorgt für ansprechende Bildkompositionen. Atmosphärisch gelingt ihm ein Kunststück, indem er real existierende Missstände satirisch überstilisiert und auf die Spitze treibt, dennoch eine traumartige surrealistische Stimmung beibehält. So bewegt sich die ganze Handlung auf einen explosionsartigen Höhepunkt zu und wirkt wunderbar stimmig komponiert. In den neun Minuten Laufzeit kommt keine Sekunde Langeweile auf, dafür sorgen abwechslungsreiche Schauplätze und eine großartige Farbgestaltung. Erdige Farben bestimmen das Bild, während die phantastische Traumsequenz zum Schluss den Zuschauer mit aggressiven Grün-, Lila-, Blau-, und Röt-Tönen konfrontiert und kurzzeitig überreizt. Als Donald in seinem heimischen Bett aufwacht und feststellt das alles nur ein böser Traum war, ist die amerikanische Flagge allgegenwärtig und sonnige, warme Farben bestimmen das Ende, vermitteln Harmonie, Sicherheit und Freiheit.
Betrachtet man die visuelle und akustische Gestaltung, so findet man ein an Phantasie fast schon überbordendes Sammelsurium kreativer Parodien und spitzer Anspielungen. Oft werden Vergleiche gezogen zu Charlie Chaplins Meisterwerk und das nicht gerade zu Unrecht, meiner Meinung nach ist der Disney-Kurzfilm genauso großartig wie Chaplins Werk und in einigen Szenen huldigt man dem Meister. So erinnern einige Einstellungen an Chaplins „Moderne Zeiten“, auch die urkomische Szene in der Donald frühstückt (das Brot ist hart wie Stein und muss gesägt werden, Speck und Eier gibt es nur als Aroma aus der Flasche) erinnert an den köstlichen Humor aus Chaplins Stummfilmen wie „Goldrausch“. In jeder Einstellung werden die Insignien des Nationalsozialismus boshaft und sarkastisch parodiert, das Hakenkreuz und der Hitlergruß sind omnipräsent.
So sind Strommäste und Windmühlen in Hakenkreuzform gezeigt, auch die Tapete ist mit diesem Symbol bedruckt, genauso wie die Uhr. Der Hitlergruß schlägt einem überall entgegen, sogar aus der Kuckucksuhr (als typisch deutscher Einrichtungsgegenstand) schnellt ein kleiner Führer hervor und weckt seine Untertanen sehr unsanft. Dialoge gibt nur wenige, wobei die Mischung aus englischer Sprache und deutschen Wortfetzen einfach nur köstlich ist, der Alltag eines durchschnittlichen deutschen Bürgers wird hier treffend karikiert. Auch akustisch steigert sich der Film stetig, das allgegenwärtig gebrüllte „Heil Hitler“ wird penetrant oft wiederholt, bis Donald schließlich gar nicht mehr weiß wo ihm der Kopf steht. Erst zum Schluss wird klar, dass es sich um einen Traum handelte und Donald lobt sein geliebtes Heimatland:
„I’m glad to be a citizen of the United States of America“
Filme wie „Der Fuehrer’s Face“ bergen natürlich die Gefahr, ein ganzes Volk zu verteufeln und in ein schlechtes Licht zu rücken. Genau das vermeidet Disney in den meisten Propagandafilmen und auch hier lässt man die deutsche Bevölkerung komplett außen vor. Keine deutschen Bürger treten als Personen auf, das Volk wird nur repräsentiert durch Donald Duck, der als einziger Untertan des Regimes auftritt. Und mit Sicherheit soll hier die Überlegenheit der USA zum Ausdruck gebracht werden, die deutschen Bürger werden aber nicht verteufelt. Ausschließlich politische Funktionäre werden hier angegriffen und das Volk wird glasklar als unterjocht und unfrei dargstellt.
So wird Donald zu Beginn geweckt von einer Kapelle, allesamt natürlich in nationalsozialistischen Uniformen. Die Gesichter dieser Männer sind entweder nicht zu erkennen oder sind leicht angelegt an reale Vorbilder wie zum Beispiel Hermann Göring, Mussolini oder dem japanischen Kaiser Hirohito. Wirklich genial ist aber auch die musikalische Begleitung zum Film, die von den Deutschen klischeehafterweise so geschätzte Marschmusik wird hier gekonnt verulkt. Der gleichnamige Titelsong wird interpretiert von Spike Jones and his City Slickers, war ein großer Erfolg und verhalf Jones zum Durchbruch. Seine Musik prägte die akustische Untermalung von Zeichentrickfilmen in entscheidender Weise. Echten Ohrwurmcharakter hat der Song auch heute noch, ganz abgesehen von den ironischen Lyrics.
Fazit: Ganz klar der beste Propagandafilm aus dem Hause Disney, mit allen Wassern gewaschen und einzigartig witzig. Sämtliche Mittel audio-visueller Manipulation werden gebündelt und in diesen neun Minuten untergebracht, ohne den Film jemals überladen wirken zu lassen. Leichtfüßig, unterhaltsam und in seiner propagandistischen Absicht voll ins Schwarze treffend, kann ich „Der Fuehrer’s Face“ nur die Höchstnote geben. Einmalig gut!
10 / 10