Der Psychologe Kris Kelvin, der sich schon seit längerer Zeit mit der Solaristik beschäftigt, wird auserwählt um in der Nähe des Planeten Solaris auf einer Raumstation nach dem Rechten zu sehen. Von dort nämlich wurden seit kurzem seltsame Zwischenfälle vermeldet, so sind inzwischen von insgesamt 84 Besatzungsmitgliedern nur noch drei an Board. Vom Planeten Solaris sollen seltsame Kräfte ausgehen, die die Gedanken der Menschen auf der Raumstation materialisiert. So werden die Insassen nun von ihren innersten Wünschen, ihrer Vergangenheit und ihrer Schuld heimgesucht...
Von "Solaris" als Science-Fiction Film zu sprechen, würde der Qualität dieses Filmes nicht im Geringsten gerecht werden. Wie alle Filme des großen russischen Regisseurs Andrei Tarkowskij behandelt auch "Solaris" zutiefst menschliche Probleme und interessiert sich nicht wirklich ernsthaft für das Genre und seine Themen. So kann man Science-Fiction Elemente hier nur im äußerlichen ausmachen, aber der Gehalt des Filmes liegt woanders. So äußerte sich Tarkowskij auch selbst zu diesem Thema: I don't like science fiction, or rather the genre SF is based on. All those games with technology, various futurological tricks and inventions which are always somehow artificial. But I'm interested in problems I can extract from fantasy. Man and his problems, his world, his anxieties. Ordinary life is also full of the fantastic. Life itself is a fantastic phenomenon.
So handelt der Film also von den Menschen, dem Leben, was sie führen, und die Probleme denen sie sich stellen müssen.
Eines der Hauptanliegen des Filmes, was immer noch zutiefst aktuell ist, ist die Wissenschaft und ihr technischer Fortschritt.
Wie geht der Mensch unserer Zeit mit dem technischen Fortschritt um? Was für Probleme ergeben sich aus diesen "Fortschritten"? Einerseits versucht der Mensche ständig, moralische Schranken abzubauen, auf der anderen Seite schafft er aber auch ständig neue. Dieses dramatische Befreiung von moralischen Schranken einerseits, auf der anderen Seite aber wieder das Suchen nach moralischen Richtlinien, nach Idealen, wird laut Tarkowskij erst dann abnehmen, wenn der Mensch sich nicht mehr Sorgen um sein täglich Brot machen muss, um die Versorgung seiner Familie, und sich dann rein von moralischen Werten leiten lassen kann. Solange wir aber andere ernähren müssen, müssen wir auch arbeiten, und alleine dort schon, zum Beispiel im Bereich der Technik und der Forschung, ist man ständig mit der Moral im Konflikt. Das ist das Dilemma des modernen Menschen. Der Mensch kann nicht ohne Moral, darum immer wieder die Versuche, moralische Werte aufzustellen, andererseits hindert die Moral den Menschen aber auch in vielen Dingen, wo er ohne die Ablegung dieser Richtlinien nicht weiterkommt.
Kelvin hat in „Solaris“ nun den „Preis des Fortschritts“ zu bezahlen. Weil moralische Werte abgelegt wurden, und gewisse Experimente durchgeführt wurden, hat man nun mit den Problemen des Planeten Solaris zu tun. Diesen muss Kelvin sich nun stellen. Zuerst versucht er, dieses Problem, was bei ihm die Heimsuchung seiner Schuld, die Manifestierung von Gedanken seines Bewusstseins in Form von seiner toten Frau Hari ist, mit technischen Mitteln zu unterdrücken. Dann resigniert er, und lässt sie neben sich erst einmal verweilen, während er aber weiter seiner Arbeit nachgeht (er macht dieselben Fehler wie in seinem Leben auf der Erde damals, er kümmert sich einfach nicht um sie). Weil sie merkt, dass er sie nicht liebt, begeht sie, wie damals auf Erden aus dem gleichen Grund, Selbstmord. Bei der dritten Erscheinung von Hari jedoch, stell Kelvin sich seinem Problem, nimmt die Verantwortung auf sich, was von Tarkowskij ganz klar bevorzugt wird. Da Hari aber mittlerweile schon so sehr „menschlich“ geworden ist, so sehr sich bewusst geworden ist, wer sie nun ist, lässt sie sich, ohne es Kelvin wissen zu lassen, vernichten.
Es werden außerdem Fragen gestellt, inwiefern der Mensch denn eigentlich alles wissen muss. Muss der Mensch das Geheimnis des Glücks, der Liebe, des Todes kennen? Darf denn kein Geheimnis einfach Geheimnis bleiben? Das Glück ist das Glück, der Tod der Tod, die Liebe die Liebe. Das sind einfache menschliche Antworten auf diese großen Begriffe. Aber manchen Leuten reicht das nicht, sie wollen immer mehr erfahren. Aber macht das glücklich? Sind nicht gerade die Leute die glücklichen, die sich keine Fragen über den Tod, die Liebe etc. stellen? Die einfach leben?
Zuviel zu wissen, macht auch unglücklich. Tarkowskij bringt im Film einen schönen Gedanken auf: „ Kennen wir alle Geheimnisse, wäre das fast so, als ob man den Tag seines eigenen Todes kennen würde. Die Unkenntnis dieses Tages aber macht uns unsterblich.“ Wüsste man alles über den Tod, könnte man nicht mehr glücklich leben. Man soll einfach leben. Man soll einfach lieben. Man soll einfach glücklich sein. Nicht diese Sachen hinterfragen, weil es die Menschen nicht weiterbringt.
Viele Leute beklagen sich bei Tarkowskij über angebliche Langsamkeit. So wird gerade bei "Solaris" die lange Einführung auf der Erde kritisiert, das Verweilen bei Pflanzen, Flüssen und dem elterlichen Haus in der ruhigen Landschaft.
Die Erde benutzt Tarkowskij hier aber als Kontrast zur kalten, sterilen Atmosphäre des Planeten Solaris. Ein Objekt der Schönheit, was Sehnsucht weckt. Als Kelvin in seinen Träumen, Vorstellungen wieder die Erde vor sich sieht, fühlt er sich wieder geborgen und zuhause. Er fängt an, sich nach dem Gewöhnlichen zu sehnen, wie auch seine anderen Kollegen in der Raumstation, so zum Beispiel nach dem Rauschen der Blätter. Muss der Mensch immer das Ungewöhnliche erfahren, immer nach neuen Erkenntnissen streben, wenn er das schönste, einfachste, das, was wir intuitiv begreifen, nämlich die Natur, schon um sich hat? Bleiben tut Kelvin jedoch auf Solaris, das sieht er als seine menschliche Pflicht an, es ist sein Job (hier wieder das moralische Dilemma: es sind teils unmoralische Experimente, aber es ist nun mal sein Job…). Die Erde dient am Schluss noch einmal in wunderschönen Bildern dazu, dem Zuschauer diese dramatische Entscheidung begreifbar zu machen, ihn fühlen zu lassen, was dieser Mensch hier aufgegeben hat.
Fazit: Mit "Solaris" ist, obwohl Tarkowskij den Film selbst als einen seiner schlechteren ansieht, da er sich hier noch nicht ganz von dem unnötigen Sci-Fi Kram befreien konnte, dem großen russischen Genie ein weiteres poetisches Meisterwerk gelungen, das Fragen aufwirft, die schon immer Gültigkeit besitzen, und es auch in Zukunft noch tun werden. Tarkowskij sah die Kunst als etwas zutiefst Erhabenes an, was dem Menschen Hoffnung und Hilfe zum Leben zu geben hat. So ist auch "Solaris", trotz all seiner schwermütigen Szenen, am Ende doch hoffnungsvoll: Am Schluss hat Kelvin nun anerkannt, dass er damals etwas falsch gemacht hat. Vielleicht, so fragt Tarkowskij, erkennt ja auch unsere Gesellschaft einmal, wohin wir mit der ganzen Forscherei und dem angeblichen Fortschritt hinkommen, und übernimmt endlich Verantwortung dafür. Der Mensch versteht sich selbst und die Erde noch nicht vollkommen. Wie könnte er das Universum verstehen?