Review

Filme über bekannte Personen der Zeitgeschichte haben immer zwei Nachteile, mit denen sich die Filmschaffenden auseinandersetzen müssen. Zum Einen weiß der Zuseher in der Regel, was historisch geschehen ist, so daß es schwierig ist, Überraschungen in die Story einzufügen. Zum Anderen muß mit größtmöglicher Sorgfalt ein authentisches Bild des Charakters der dargestellten Person gezeichnet werden, um sich nicht der geschichtsverfälschung verdächtig zu machen. Bei einer Person wie dem faschistischen italienischen Diktator Benito Mussolini liegt die Latte noch um einiges höher, da man sich hier schnell dem Vorwurf der Verharmlosung oder falschen Parteinahme aussetzen kann.

Die Macher der italienisch/amerikanischen Coproduktion aus dem Jahr 1974 stehen sicher nicht im Verdacht eine Person wie den "Duce", der viel Leid über das italienische Volk gebracht hat und der sich auch Hitlers Rassenideologie angeschlossen hatte, falsch einzuordnen, aber ähnlich wie beim "Untergang" aus dem Jahr 2004, der die letzten Tage Adolf Hitlers beschrieb, muß man sich hier auch fragen, wie sehr man einem solchen Diktator ein menschliches Antlitz geben darf. Und ob dem Film die Gratwanderung zwischen Nachvollziehbarkeit des Charakters und der Achtung vor dessen Opfern gelingt.

Hier hört die Vergleichbarkeit zwischen Adolf Hitler und Benito Mussolini allerdings schon auf. Denn während sich die Welt in der Verurteilung Hitlers zumindest äußerlich einig ist, so ist es in Italien bis heute opportun, Anhänger des "Duce" zu sein. Seine Enkeltochter sitzt im italienischen Parlament als Vertreterin einer Partei, die sich eindeutig an den politischen Zielen des Großvaters orientiert. Und sie trug auch schon Regierungsverantwortung gemeinsam mit Silvio Berlusconi, dessen rechte Gesinnung auch allgemein bekannt ist.

So verwundert es nicht, daß es im Film immer wieder Szenen gibt, in denen die Ehrfurcht der Menschen im Angesicht des "Duce" sichtbar wird. Dazu trägt auch das beeindruckende Spiel Rog Steigers bei, der hier nach Napoleon eine weitere "schwierige Persönlichkeit" der Weltgeschichte verkörpert. Dadurch das es sich hier, wie der Titel schon besagt, um den letzten Akt - genauer die letzten vier Tage - im Leben des Mussolini handelt,liegt das Gewicht in der Darstellung auf dessen Niedergang. Steigers Mussolini ist ein geschlagener, alter Mann ,aus dem nur noch ganz selten Kraft und Egoismus hervorbrechen - Momente, die fast unwirklich wirken und deren in diesem Moment geäußerten Sätze sich schon wenige Augenblicke später als hohle Phrasen erweisen.

Vielleicht liegt es daran, daß 1974 die Geschichte des italienischen Faschismus noch bekannter war - anders ist nicht zu erklären, warum der Film kaum Informationen über die Situation angibt, in der sich Mussolini vier Tage vor seinem Tod in Mailand befindet. Und das obwohl der Film mit einer dokumentarischen Sequenz beginnt, die sich aber nur der Kriegssituation widmet und die voranschreitenden alliierten Truppen zeichentrickartig darstellt. Das Mussolini schon zwei Jahre zuvor durch den italienischen König zur Abdankung gezwungen wurde, das die deutschen Truppen ihn dann aus dem Gefängnis befreiten und im von ihnen besetzten Norditalien in einer Art Marionettenregierung, die komplett Hitlers Kontrolle unterstand, wieder als Führer einsetzten - darüber verliert der Film kein Wort.

Genauso wie über den Fakt, daß sich Italien schon 1943 den alliierten Truppen ergab, worüber sich Hitler so sehr ärgerte, daß daraufhin die eigentlich nur zur Unterstützung anwesende deutsche Armee die Kontrolle in Italien übernahm. Nachdem 1944 die alliierten Truppen gemeinsam mit italienischen Partisanen Rom befreit hatten und dort eine demokratische Regierung eingesetzt hatten, entstand das bürgerkriegsartige Kuddelmuddel, daß den gesamten Film bestimmt. Sämtliche übrig gebliebene Anhänger Mussolinis hatten sich immer weiter in den Norden zurückgezogen, wo sie gemeinsam mit der deutschen Armee gegen die Alliierten und Partisanen kämpften.

Dieses Wissen ist unbedingt notwendig, um in den Film hineinzufinden. Gleich in der ersten Szene dringt ein deutscher General ohne anzuklopfen in das Amtszimmer Mussolinis. Der Film verdeutlicht sehr schnell, daß Mussolini nichts mehr zu sagen hat und vollständig unter Kontrolle steht. Er trifft sich gemeinsam mit wenigen Ministern seiner Partei mit dem Kardinal von Mailand (Henry Fonda), der Mussolini dazu überreden will,nicht gegen die italienischen Partisanen, also die eigenen Landsleute, zu kämpfen. Er fürchtet nicht nur viele Tote, sondern auch die Zerstörung Mailands. Wer aber glaubt, bei diesem Gespräch geht es hart zur Sache, irrt. Im Gegenteil, die Gespräche wirken fast diplomatisch gelassen und aus dem Mund des Kardinals kommt kein Wort der Kritik gegenüber Mussolini. Erst als plötzlich bekannt wird, daß die deutschen Truppen sich ohne Mussolini zu informieren, ergeben haben ,springt dieser noch einmal auf in seine bekannte "Cäsar"-Geste und behauptet, daß er selbst wieder die Kontrolle übernommen hätte.

In diesen wenigen Momenten erkennt man den Größenwahn, der dazu führte, daß Mussolini Italien in einen sinnlosen Krieg führte. Da den Machern das bewußt war, versuchte man den "bösen" Charakter des Diktators mit Rückblenden zu verdeutlichen. Diese "Erinnerungssequenzen" laufen vor dem geistigen Auge des "Duce" ab und wirken insgesamt etwas unwirklich, wie nachträglich eingefügt. Zwar sind die Informationen deutlich, indem sie zum Beispiel seine Gedanken schildern, nicht hinter Hitler in die zweite Reihe zurückfallen zu wollen und deshalb unbedingt mit den eigenen Soldaten am Kriegsgeschehen teilnehmen zu wollen, aber die Wirkung ist deutlich schwächer als Rod Steigers sonstige Darstellung.

Auch das Mussolini jeden im Stich läßt und im Grunde nur seine Haut und die der Geliebten retten will, ist eher subtil dargestellt. Nur kurz nach seinen heroischen Worten gegenüber dem Kardinal, läßt er gegensätzliche Taten sprechen und haut nach Como ab, natürlich ständig von der deutschen Armee bewacht, die sich gemeinsam mit ihm nach der Kapitulation auf dem geordneten Rückzug nach Österreich befindet. Aber er will natürlich nicht nach Österreich, sondern in die Schweiz, in die er vorsorglich schon über 100 Millionen Lire transferieren ließ.

Als er versucht unbemerkt einen Abzweig zu nehmen, gerät er zusätzlich in eine peinliche Situation. An einem konspirativen Treffpunkt angekommen, muß er erfahren, daß die ihm zur Unterstützung versprochenen italienischen Truppen sich in Luft aufgelöst haben. Kaum hat er das begriffen, strömen von allen Seiten deutsche Soldaten auf ihn zu, die sein Verschwinden schnell bemerkt hatten...

So sehr sich der Film bemüht, Ordnung in das wirre Geschehen zu bringen, so wenig gelingt ihm das. Es bedarf schon eine gehörige Portion Aufmerksamkeit gegenüber dem sprachintensiven Film, immer auf der Höhe des Geschehens bleiben zu wollen - dafür gibt es zu viele Interessenten an Mussolini. Ständig wechselt der Film zwischen Partisanentruppen, amerikanischen Soldaten und deren Interessenvertretern, Mitgliedern der italienischen demokratischen Regierungspartei, die wiederum mit den Partisanen zusammenarbeitet, Mussolini mit seinen Getreuen und verschiedenen deutschen Armeeangehörigen, von denen die einen nur ihre eigenen Truppen in Sicherheit bringen wollen und die anderen unbedingt Mussolini in Obhut behalten wollen. Einzig Rod Steiger und seine Geliebte bleiben da als Protagonisten in Erinnerung, deren Charakter man angemessen nachvollziehen kann.

Am diffizilsten ist in diesem Zusammenhang der Partisanenoffizier Valerio anzusehen, von Franco Nero wie gewohnt cool und perfekt dargestellt. Ihm obliegt die Aufgabe, Mussolini, nachdem dieser von den Partisanen aufgegriffen wurde, heil am Volk vorbei nach Mailand zurückzuholen, wo ihm der Prozess gemacht werden soll. Valerio versichert gegenüber der Regierung, daß er keine persönlichen Rachegefühle mehr hat und macht sich auf den Weg. Als er dann Mussolini von den Kameraden, die den "Duce" korrekt und respektvoll gefangen hielten, übernommen hat, erschießt er diesen kaltblütig an der nächsten Straßenkurve, womit der Film schlagartig endet. Diese Darstellung ist aus der heutigen Sicht mehr als fragwürdig, auch wenn Mussolini hier "wie ein Hund stirbt". Aber dem alten Mann gehört zumindest unser Mitleid, während man von der inneren Zerrissenheit und der aufgestauten Wut des Valerio und dessen Vorgeschichte nichts weiß und in ihm nur einen kaltblütigen Killer sehen kann, der auch noch den Tod der Geliebten in Kauf nimmt.

Fazit : Man merkt dem Film durchgehend an, daß es ihm um eine seriöse Aufarbeitung der Geschichte geht. Das erkennt man an den ausgezeichneten Darstellerleistungen, an dem fast vollständigen Verzicht von Action und drastischen Darstellungen, an den teilweise sehr ausgefeilten Dialogen vor allem zwischen Mussolini und seiner Geliebten und an der Vermeidung von Klischees und Pathos. Weder werden die deutschen Soldaten bösartig, noch die Partisanen heldenhaft dargestellt - auch macht der Film deutlich, wie sehr schon der zukünftige kalte Krieg gegen den Kommunismus in den Startlöchern steht, weshalb Mussolini von Engländern und Amerikanern so händeringend gebraucht wird.

Steigers Spiel, das immer deutlicher werden läßt, welch erniedrigendes Schicksal Mussolini kurz vor seinem Tod erleiden muß, wie wehrlos, feige und schwach er wurde, ist von beeindruckender Intensität. Aber hier geht der Film in seiner scheinbar objektiven Ausrichtung zu weit, denn Steigers Spiel zeigt einen alternden Menschen, der seinen Zenit überschritten hat und nur noch manchmal wie ein Ertrinkender versucht, an alte Herrlichkeiten anzuknüfen. Die wenigen Sequenzen, die die Auswirkungen dieser selbstherrlichen, sich überschätzenden Macht zeigen, sind zu schwach im Film betont und erfordern so ein erhebliches Hintergrundwissen, um das hier zu sehende Geschehen auch richtig einordnen zu können.

Gerade durch die oberflächliche Darstellung des letztendlich die Todesstrafe ausführenden Partisanenoffiziers, hinterläßt "Mussolinis - der letzte Akt" einen äußerst fragwürdigen Eindruck. Hier zeigt sich eben deutlich, daß ein Film keine Dokumentation ist und da hätte den Machern schon bewußt sein müssen, daß die hier angewendeten filmischen Mittel beim Zuseher einen konträren Eindruck hinterlassen.

Das dieser Film inzwischen in Vergessenheit geraten ist, ist einerseits schade auf Grund der großartigen Darstellerleistungen und der intensiv gezeigten Atmosphäre des Kriegsendes in Italien, andererseits ist es zu begrüßen, da hier ein mißverständliches Bild des Diktators gezeigt wird, daß zum richtigen Verständnis ein großes Hintergrundwissen erfordert - bei Erfüllung dieser Voraussetzung bietet der Film ein beeindruckendes Erlebnis und ist sehr sehenswert (5/10).

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