Frederico Fellini gehört zweifelsohne zu den am meisten individuellen und einflussreichen Filmemachern aller Zeiten und schuf über mehrere Jahrzehnte ein facettenreiches Gesamtwerk, welches eine ausführliche Betrachtung verdient da sie ein wichtiges Stück Filmgeschichte ausmachen.
Damian Pettigrew nähert sich dem Thema auf eine eher essayistische Art und verzichtet auf den üblichen Rahmen eines solchen Dokumentarfilms. „Ich bin ein großer Lügner“ ist nicht gegliedert in einzelne Schaffensperioden Fellinis und behandelt weder jeden Film einzeln noch einen chronologischen Abriss. So wird dem Zuschauer eine teilweise unübersichtliche Collage aus seltenen Archivaufnahmen von Dreharbeiten präsentiert, angereichert mit Interview-Sequenzen mit Fellinis Darstellern und dem Maestro selbst.
Für die eigenen Aussagen des Regisseurs musste man ausschließlich auf bereits vorhandene Aufnahmen zurückgreifen da Fellini zur Drehzeit schon lange tot war. Entsprechend kryptisch wirken daher die Äußerungen des Genies, welche durch mangelnde Themenvertiefung leider allzu oft unklar bleiben. Fellini war bekannt dafür niemals einfache Sätze oder Erklärungen zu liefern, daher bieten seine Aussagen nur schwer Hilfestellung zu seinen schwierigeren Filmen an.
Da die verwendeten Originalszenen aus Fellinis Filmen durcheinander gezeigt werden und sogar auf eine Zuordnung verzichtet wird, ist die Dokumentation völlig ungeeignet als Einstieg in das filmische Schaffen der Legende. Kennt man nicht jeden einzelnen Film hat man unweigerlich Probleme der Dokumentation zu folgen. Da so spezifische Kenntnisse nicht vorausgesetzt werden sollten versagt der Film in dieser Hinsicht völlig. Anstrengend, langsam und nur schwer zu verfolgen – ganz anders als durch die leichtfertige Kost eines Fellini-Films muss man sich durch „Ich bin ein großer Lügner“ durchbeißen und sich während der gesamten Laufzeit angestrengt konzentrieren.
Nur die Interviews mit Stars wie Terence Stamp, Donald Sutherland oder Roberto Benigni können für Unterhaltung sorgen: Während der hyperaktive Benigni von seiner Hauptrolle in „Die Stimme des Mondes“ schwärmt, erinnert sich Sutherland mit Grausen an die anstrengende Zusammenarbeit mit dem cholerischen Fellini. Kurioserweise stellt dieser in einer Szene fest, nie irgendwelchen Ärger mit Darstellern gehabt zu haben.
Insgesamt ist „Ich bin ein großer Lügner“ eine interessante aber sperrige Betrachtung der komplexen Filmwelt Fellinis, wird seinem Vorhaben letztendlich nicht gerecht. Zu wenig nimmt der Zuschauer aus der Dokumentation mit, insbesondere wenn keine ausreichenden Vorkenntnisse vorhanden sind.
Fazit: Weniger eine werkumfassende Dokumentation als eine essayistische Zusammenstellung rund um das filmische Schaffen Fellinis. Der Mensch, der Exzentriker, der Künstler – in selbstreflexiven Aussagen umreißt Fellini selbst seinen persönlichen Hintergrund und seine Art zu drehen. Als genauso schwierig wie komplex erweist sich das Verständnis des eher schwer zugänglichen Films.
05 / 10