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Hach ja, gehen wir einmal in der Zeit zurück. Wir waren jung, so ca. 10-12 Jahre und im Fernsehen gab es "Eis am Stiel". Oder der Papa hatte die Reihe auf VHS im Regal liegen. Wer, frage ich euch, hat sich da, vor allem als Mitglied der männlichen Geschlechtsgattung, nicht auch einmal heimlich vor die Glotze gesetzt und hat diese "Schmuddelfilme", als welche die EAS-Filme durchaus verrufen waren, angeschaut? Für viele Männer die heute zwischen 25 - 40 Jahre alt sind, dürften die Abenteuer von Benny, Momo und Johnny die ersten filmischen Kontakte mit nacktem Fleisch und sexgeilen Teenagern gewesen sein. Von der Presse nur all zu gern verrissen, genießen die Sexklamotten aber heute schon einen Kultstatus, der nicht zu bremsen ist und das obwohl die Teile durchaus von durchwachsener Qualität sind. Vor allem Teil 1 unterscheidet sich doch deutlich von den Nachfolgern. Denn während Teil 2 - 8 größtenteils wirklich in die (meist höchst amüsante) Klamottenkiste passen, ist das Original durchaus als ein ernstzunehmender Vertreter der Teeniefilmgattung anzusehen.

"Eis am Stiel" erzählt die Geschichte der drei Freunde Benny, Momo und Johnny, die zusammen Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre in Tel Aviv aufwachsen. Wie alle Jungs, sind sie natürlich hauptsächlich an Partys, Spaß und guter Laune interessiert und vor allem an Mädchen. Während Momo ein unverbesserlicher Casanova ist, und Johnny ein leicht trotteliges Moppelchen mit dem Hang zur Selbstüberschätzung, ist Benny der ruhige, schüchterne Junge. Als sich Benny in die schöne Nili verliebt, glaubt er sein Glück gefunden zu haben, doch Momo schnappt sie ihm vor der Nase weg. Kann Benny sein Glück dennoch finden?... Die Geschichte zu "Eis am Stiel" dürfte im Vergleich zu sonstigen Genrevertretern definitiv zu den Besseren gehören. Denn neben Unterhaltung und einigen frivolen Witzen, legt die Story hier auch unheimlich viel Wert auf das Drumherum, sowie einer gewissen Glaubwürdigkeit. Übertreibung oder realitätsferner Blödsinn sind hier nicht auszumachen, alles was uns hier gezeigt wird, ist durchaus denkbar und im Rahmen des realistischen gehalten worden. Und genau das ist es, was diesen ersten Film schon von seinen Nachfolgern spürbar unterscheidet.

Die größte Stärke steckt allerdings in den Figuren. Denn nicht nur das diese durchaus glaubwürdig agieren und nur selten einmal über den Tellerrand springen, so ist es vor allem der unglaublich hohe Sympathiewert, den man den Figuren rüber bringen kann. Hauptsächlich mit dem stehts unglücklichen Benny, dem aber auch immer wieder irgendwelches Pech wieder fährt, kann man nur zu gut mitfühlen. Trotz alledem kann man aber mit ihm seinen Spaß haben, genauso wie mit seinen Freunden und all den anderen Charakteren. Keiner geht einem am Arsch vorbei, alle spielen sich sehr schnell in die Herzen der Zuschauer.

Hinzu kommt die gelungene Mischung aus Humor und Frivolität, die hier wirklich hervorragend passt. Die Witze und Jokes klappen, wirken niemals platt und haben immer einen schnippischen Hang zur Frivolität, ohne damit allzu sehr unter die Gürtellinie zu greifen. Szenarien wie der Schwanzvergleich oder das Einfangen von Filzläusen bei einer ungewaschenen Straßenhure sind dabei dann sicher wirklich etwas hochgegriffen, aber immer noch im Rahmen des Glaubwürdigen. Die gebotenen Sex-Szenen sind verhältnismäßig kurz, wenn auch schon durchaus knackig und freizügig und fügen sich in das Gesamtbild wunderbar ein.

Aber auch eine gewisse dramatische Note darf nicht übersehen werden. Denn trotz allem Fun beschäftigt sich der Film durchaus auch mit den Problemen der Kids von damals. So sind Liebeskummer, verlogene Freunde und falsche Hoffnungen auch hier präsent, werden dabei aber wirklich ernst genommen und verkommen nicht zu großartigem Kitsch und unglaubwürdigem Gesäusel. Den Hammer in dieser Richtung bildet dabei vor allem der Filmschluss, der dieses mal kein Happy End anzubieten hat, was für einen Film dieser Art nun wirklich nichts Gewöhnliches ist. Spätestens mit diesem Schluss hat sich "Eis am Stiel" als wirklich ernstzunehmender Teeniefilm geäußert, der trotz aller Unterhaltung die Ernsthaftigkeit der Teenieprobleme nicht leugnet, diese aber auch nie mit übertriebener Bedeutungschwangerhaftigkeit überdeckt. Gut so!

Doch was wäre ein "Eis am Stiel"-Film ohne seine Musik? Kaum andere Teeniereihe konnte später so ein enormes Kultpotenzial in seiner Musikuntermalung auffahren als die EAS-Reihe und so natürlich auch Teil eins. Alles was damals so Rang und Nahmen in der Musikbranche hatte, ist hier vertreten. Egal ob "Rock around the Clock", "Lollipop", "Hey Baby" oder "Mr. Lonley", ein Hit ist hier schärfer als der Nächste und man kommt aus dem mitschnippen und abfeiern nicht heraus. Ich möchte glatt behaupten wollen, dass es später nie wieder Teeniefilme gegeben hat, die einen besseren Soundtrack zu bieten hatten, als diese hier. Einfach nur wunderbar.

Und natürlich dürfen auch die Darsteller nicht vergessen werden. Allen bekannt dürfte definitiv Zachi Noy sein, der hier als dicklicher, tollpatschiger Johnny seine Paraderolle hatte, an die er in anderen Filmen nie wieder anknüpfen konnte. Des weiteren der in Kanada geborene Jonathan Sagall, welcher hier ebenfalls brilliert, nach der EAS-Reihe aber leider nie wieder größeren Erfolg haben sollte, genauso wie Yftach Katzur, den man leider auch (fast) nur in diesen Filmen gesehen hat. Schade eigentlich das nur Noy den Sprung über die Grenzen hinaus geschafft hat, denn Talent haben eigentlich alle drei.

Fazit: Der Startschuss der wohl beliebtesten und erfolgreichsten Teeniereihe aller Zeiten entpuppt sich, im Gegensatz zu den kommenden Nachfolgern, als alles andere als eine Klamotte. "Eis am Stiel" ist ein durchaus ernstzunehmender Teeniefilm, der sich neben einigen frivolen Späßen, sowie so mancher Sexszene, auch mit der Charakterzeichnung seiner Figuren beschäftigt und die Probleme der Jugend nicht durch den Kakao zieht, sondern so aufzeigt, wie sie sind. Auch wenn sich der Streifen ab und an ein wenig in Belanglosigkeiten verhakt, so ist und bleibt "Eis am Stiel" dennoch Kult und wurde in dieser Qualität nie wieder erreicht. Wer die "Eis am Stiel"-Reihe schon immer als schundiges Klamottenprodukt gesehen hat, der dürfte zumindest mit dem Original eines Besseren belehrt werden!

Wertung: 8/10 Punkte

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