In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wählte eine illustre Jury die 50 größten Cartoons aller Zeiten aus und Zeichentricklegende Chuck Jones war mit vier Filmen in den Top 5 vertreten: „What’s Opera Doc“, „Duck Amuck“, „Duck Dodgers“ und „One Froggy Evening“ gehören in der Tat zu den Meisterleistungen des Genies und repräsentieren das umfangreiche Gesamtwerk in hervorragender Weise. Die 50er Jahre stellten einen Höhepunkt dar im so genannten Golden Age of Cartoons, folglich stammen alle genannten aus dieser Dekade.
„Duck Amuck“ verzichtet auf eine herkömmliche Storyline, so sehen wir Daffy Duck zunächst als Musketier und erwarten einen klassischen Cartoon in Anlehnung an die Mantel-und-Degen-Romane von Alexandre Dumas. Würde ja auch ganz zum Stil der Merrie Melodies- bzw. Looney Tunes-Reihe passen, doch weit gefehlt, Jones geht hier einige Schritte weiter und verleiht dem Genre ungeahnte Tiefe. Schon in vielen weitaus früheren Kurzfilmen bewiesen die Tex Avery, Bob Clampett, Jones oder Freleng schon den Mut, ihren Cartoons eine einzigartige Transzendenz zu verleihen. Oft kommunizieren die Toons mit dem Zuschauer selbst und sind sich teilweise bewusst, als unterhaltende Schauspieler in einer künstlichen Geschichte aufzutreten. Zum Beispiel will Elmer Fudd aufgrund des stets vorhersehbaren Handlungsablaufes (er kriegt Bugs Bunny schließlich nie) seinen Vertrag mit Warner hinschmeißen, zu sehen im 1946 veröffentlichten „The Big Snooze“. Diesen Umstand persifliert Chuck Jones in „Duck Amuck“ auf köstliche Art und Weise und schöpft wahrlich aus dem Vollen: Der unsichtbare und stumme Zeichner quält Daffy auf jede erdenkliche Art, lässt ihn zunächst ins Leere laufen und vergisst die Szenerie. Anschließend wird Daffy vor falsche Hintergründe gestellt, in unterschiedlichste Outfits gesteckt, lächerlich gemacht, sogar ausradiert. Auch sämtliche anderen medialen Möglichkeiten werden genutzt, seien es kreative Späße mit dem Ton oder die viel zu frühe Ankündigung des Film-Endes – die cholerische Ente flippt natürlich völlig aus, doch der übermächtige Zeichner behält die Oberhand. Erst am Ende sehen wir, welcher Sadist den armen Daffy lieber zur Verzweiflung bringt, statt ihn arbeiten zu lassen: Hier hat Bugs Bunny seinen kurzen Cameo-Auftritt und rundet den Film wunderbar ab. Nach knapp sieben Minuten ist der wohl perfekteste Cartoon aller Zeiten zu Ende, auch wenn die oben erwähnte Jury „Duck Amuck“ nur auf den zweiten Rang wählte.
Bemerkenswert sind in erster Linie der Mut zur selbst selbstreflexiven Übertreibung und die ungeheure intellektuelle Tiefe, schließlich bietet „Duck Amuck“ sogar Raum für existenzialistische Auslegungen und Interpretationen, worin Daffys regelrechte Gefangenschaft geradezu prototypisch wirkt. Erst mit diesem Meisterwerk bewies Chuck Jones, dass Figuren wie Daffy Duck eine eigenständige Persönlichkeit haben, weitab von den einfachen Rollen, in die sie in der Regel gesteckt werden und bringt das Genre auf eine ganz neue Ebene, welche in ihrer Absurdität nicht mehr zu übertreffen ist, schließlich nutzt Jones alle nur erdenklichen medialen Möglichkeiten und übersieht kein Klischee. Wahrscheinlich gibt es keinen anderen Warner-Cartoon, der mit so vielen Anspielungen und Variationen geehrt wurde wie „Duck Amuck“. Wer den Film sieht weiß warum.
Fazit: In jeder Hinsicht ist „Duck Amuck“ Bahn brechend und unvergesslich – in keinem anderen Cartoon aus dem Hause Warner Brothers geht man derartig weit, wenn es heißt die Grenzen des Genres auszuloten. Daffy Ducks bester Auftritt und mit einem solch hohen intellektuellen Facettenreichtum versehen, dass man den Film immer und immer wieder genießen kann, ohne jegliche Abnutzungserscheinungen. Ganz eindeutig die Höchstnote…
10 / 10
Bis heute ist „Duck Amuck“ auch einer der bekanntesten Warner-Cartoons und fand seine Verbreitung weitestgehend über diverse Fernsehausstrahlungen (teilweise leicht gekürzt), außerdem ist der Film enthalten im Flickwerk „Bugs Bunnys wilde, verwegene Jagd“ sowie auf zahlreichen Compilations auf DVD.