Vor dem Hintergrund des drohenden Russo-japanischen-Krieges, spielt "Lady Snowblood", ein feministisch-brutales Samuraidrama, brillant erzählt, ungewöhnlich präsentiert und fabelhaft gespielt. Ein Jahr nach dem Erfolg von "Baby Cart", der zu einer sechsteiligen Reihe ausgedehnt werden sollte, wurde "Shurayukihime" (Originaltitel) gedreht.
Die Geschichte ist einmalig, tragisch und kraftvoll: Yuki Kashime, eine junge, japanische Frau, ist geboren, um Rache für ihre tote Familie zu üben. Vor 20 Jahren musste ihre Mutter Saro mitansehen, wie ihr Ehemann, ein Lehrer, ermodet wurde. Sie selbst musste dreitägige Folter und Vergewaltigung überstehen. Saro dürstete es nach Rache, und konnte einen der vier Peiniger umbringen, kam jedoch dafür ins Gefängnis. In der Gefangenschaft lässt Saro keine Gelegenheit aus, um Schwanger zu werden, um ihr Kind der Rache zu zeugen. Doch anstatt des erhofften starken Sohnes, gebirt sie eine Tochter. Sauro erliegt sofort nach der Geburt. Yuki wird zu einem Priester gebracht, der aus ihr eine perfekte, kaltblütige Kampfmaschine macht. Und nun ist Yuki auf dem Weg um endlich die Rache an den überlebenden 3 Mördern zu vollenden.
Regisseur Toshiya Fujita schafft hier enormes, aber auch ungewöhnliches: Das von Männern dominierte Samuraigenre hatte bis dato keine starke weibliche Figur, wie es "Lady Snowblood" ist. Aber auch optisch verbindet Fujita mehrere Merkmale miteinander. Die Szenerie ist meist farbenfroh, satt, wirkt so ausladend-opulent wie eine Pekingoper. Doch in den Actionszenen beweist der Film urplötzlich eine Vitalität, die man nicht vermutet hätte. Der Blutgehalt könnte gut aus einem Exploitationkracher kommen - Yuki metzelt ihre Gegner ohne Gnade hin. Und ebenso konsequent hält Fujita mit seiner Kamera auf das sptitzende Blut drauf. Dies bitet Plattform für bemerkenswerte Kontraste: Yuki ist immer in weiß gekleidet, der asiatischen Farbe für den Tod (diese wird natürlich auch durch den fallenden Schnee, bei Yukis Geburt und Tod betont). Wenn also die bleich geschminkte Yuki mit ihrem Schwert schlitzt, und Blutfontänen sich auf ihren Gewändern niederlassen, so wirkt sie wie ein übernatürlicher Engel des Todes. Diese expressionistischen Szenen wirken unglaublich komponiert und effektvoll.
Neben dem optischen Aspekt, fällt gleich etwas anderes besonders heraus: Fujitas Erzählweise ist keineswegs streng geradeaus. Der Film ist in vier Kapitel unterteilt, die bedeutungsschwangere Titel tragen. Außerdem gibt es immer wieder erklärende Off-Kommentare, die das grauenhafte Geschehen in einen Subkontext bringen (die Zeit des drohenden Krieges, und das Ende der Isolation Japans). Aufgrund der historisch verbürgten Ereignisse wirkt das krasse Drama nie trivial oder unschön. So entpuppt sich im dritten Kapitel der Erzähler als Ashio, ein junger Autor, der den zeitgenössischen Leidensweg Yukis aufzeichnet und veröffentlicht. Das erste Kapitel und der Prolog sind unchronologisch erzählt. Verschachtelt, aber plausibel wird uns die Vergangenheit Yukis klargemacht. Um historische Ereignisse deutlich zu machen, benutzt Fujita sogar Bilder aus Mangacomics und anderen Zeichnungen. Indem Fujita spannende Wege eingeht, um wichtige Szenen zu unterstreichen oder zu erklärem, zeigt sich sein enormer Einfallsreichtum.
Wo die erste Hälfte durch spannenden Konfliktaufbau lebt, wird im Rest der Spannungsbogen durch unvorhersehbare Storywendungen hoch gehalten, um dann schließlich in einem fulminanten Showdown zu gipfeln. Im Ende findet Yuki ihr letztes Opfer auf einem dekadenten, europäischen Maskenball. In dieser letzten Sequenz wird noch einmal auf die gegensätzlichen Kulturen hingewiesen. Aus dem traditionellen, verschneiten Japan wird plötzlich ein westliches, industrialisiertes Szenario. Zumindest auf dem Maskenball. Hier finden sich größtenteils nur Europäer wieder - Yuki in ihrem prachtvoll-weißen Gewand sticht aus der Menschenmenge arg heraus. Doch auch in der finalen Actionszene wird aus dem Eastern der Western. Um sich zu verteidigen zieht ihr letzter Gegner eine Pistole. Als sie ihn schließlich niedergestreckt hat, fällt er von einem Balkon, und reißt in einem letzten symbolischen Statement blutverschmierte japanische und amerikanische Flaggen mit in den Tod.
"Lady Snowblood" ist einer der wenigen japanischen Filme, die einen weiblichen Charakter als stark und kämpferisch beschreiben. Sind sie sonst die intriganten, aber cleveren Ehefrauen, die eher mit ihrer Zunge töten, gibt Yuki hier eine handfeste, wenn auch tragische Heroine ab. "Lady Snowblood" ist perfektes, asiatisches Kino. Dramatisch, inhaltlich tief und ausufernd, blutig und einfach nur wunderschön anzuschauen.