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Theo van Gogh war mir als Regisseur kein Begriff bis es zu dem berüchtigten brutalen Anschlag auf den holländischen Berufsprovokateur kam. Für seine drastische Islam-Kritik in „Submission: Part 1“ zahlte er mit seinem Leben als er am zweiten November 2004 hinterhältig ermordet wurde. Wie kann ein kleiner Film solch großes Aufsehen erregen und solche Reaktionen hervorrufen? Nun ja, was auf den ersten Blick durchaus einfach zu beantworten erscheint erweist sich als wesentlich komplexeres Problem – letztendlich kann man „Submission“ nicht in wenigen Sätzen abtun und das Sujet vereinfachen.

Die Darstellung der muslimischen Frauen ist in höchstem Maße polemisch und provozierend: Ihre fast gänzlich nackten Körper sind mit Koran-Versen beschrieben und der erotisierende Aspekt der Fotografie darf hier nicht unterbewertet werden. Van Gogh wollte in der kurzen Laufzeit von nur elf Minuten einen facettenreichen Kommentar abgeben – kein Urteil über den Islam fällen sondern auf Missbrauch und fundamentalistische Auswüchse einer Religion hinweisen. Das der Regisseur schon oft den Islam als rückständig bezeichnete und auch noch offener beleidigte, ist bekannt, sollte aber nicht einseitig betrachtet werden. Neben seinen aggressiven Provokationen war er vor allem in seinen spitzen Kolumnen stets in der Lage stichhaltig zu argumentieren. Außerdem gerieten auch Juden und Katholiken in seine Kritik, aufgrund angeblichen Antisemitismus stand Van Gogh sogar schon vor Gericht. Ihn also als geistlosen Provokateur abzutun käme der Person und auch dem relativ umfangreichem Gesamtwerk (alleine über 20 Filme) nicht gerecht.

Zunächst einmal ist „Submission“ optisch einwandfrei gelungen: Die düstere Ausleuchtung erzeugt eine düstere Atmosphäre, die durch den verbitterten und plastischen Monolog der Frau exquisit abgerundet wird. Für ein filmisches Pamphlet sicher nicht zu kurz, denn es handelt sich hier nicht um eine Dokumentation - schon gar nicht um eine die um Objektivität bemüht wäre. Van Goghs Herangehensweise ist nicht journalistisch, zumindest nicht im klassischen Sinne. Er stellt einen subjektiven Erlebnisbericht unkommentiert in den Raum und garniert das Ganze mit zweideutigen Versen aus dem Koran. Den gesamten Islam verurteilt der Film keineswegs, vielmehr versucht er wach zu rütteln und auf unbestreitbar existente Missstände aufmerksam zu machen.

Der Film entstand in Zusammenarbeit mit Ayaan Hirsi Ali, eine bekannte Frauenrechtlerin somalischer Herkunft. Als Kind wurde sie (gegen den Willen ihres Vaters) beschnitten und sollte später auch zwangsverheiratet werden. Nach der Flucht wurde sie holländische Staatsbürgerin und verfolgt bis heute eine erfolgreiche politische Karriere, mit feministischem Schwerpunkt. Schon früher bekam sie Mord-Drohungen, der Mord an Van Gogh gab ihr dann aber den Anstoß in die USA auszuwandern. Die beiden erarbeiteten das Drehbuch zusammen, die ästhetisch einwandfreie Inszenierung übernahm der erfahrene Routinier, Ayaan Hirsi Ali spricht den emotionalen, aber bewusst kalten Off-Kommentar hörbar ambitioniert. Im Gegensatz zu Van Gogh ist die Politikerin aber wesentlich rechtsgerichteter in ihrer Gesinnung und kann als generelle Islam-Gegnerin bezeichnet werden – angesichts ihrer Vergangenheit ist es sicher diskussionswürdig inwieweit eine Verurteilung der Religion ihrerseits berechtigt ist. Fest steht das ihre Meinung ehrlich ist und ihre Bemühungen trotz aller Gefahren immer noch weiter gehen.

Fazit: Schon alleine die tragische Hintergrundgeschichte stilisiert den Kurzfilm zu einem Muss für jeden Cineasten der auch nur ansatzweise etwas für experimentelle und kontroverse Kunst übrig hat. Man muss kein Islam-Gegner sein um „Submission“ gut zu finden, denn plumpe Hetze auf eine Religionsgemeinschaft stand hier niemandem im Sinn. Warum der Film nicht international verbreitet wird und anscheinend nur im Netz zu kriegen ist, wundert mich schon stark…

10 / 10

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