“Hostel” war gestern - “Die Daltons gegen Lucky Luke” ist heute.
“The Lucky Ones Die First”. Die Glücklichen, das sind die Verehrer von Morris’ charmanter Comicvorlage. Denen wird gar nicht erst die Ehre einer Folter zuteil, denn sie werden beim ersten Blick auf die knallbunte Comicmutantengroteske vor Angst sterben.
Für alle anderen hält die komödiantische Extrempenetration des rationalen Verstandes eine Folter Deluxe bereit, die das Horror-Genre ziemlich in Zugzwang versetzt. “Hostel” war längst nicht so zwingend wie das, was hier geschieht. Morris darf froh sein, das nicht mehr miterleben zu müssen.
Wie immer, wenn es richtig intensiv wird, kommt der Schrecken auf leisen Sohlen. Du wirst langsam, aber behände zermürbt. Als wenn kleine Insekten an dir nagen. Macht die bis ins Konturlose übertriebene Karikierung in minimalen Dosen portioniert fast noch Spaß, nimmt das unterforderte Hirn einer fernsehguckenden Kuh (oder gar deren unterforderten Fladens) die grellen Reize kurzfristig vielleicht noch als angenehm kribbelnd wahr, so öffnen sich in kleinsten Schritten schon bald die Wunden und der Schmerz tritt zum Vorschein. Und er wird schlussendlich so stark sein, dass man ein Königreich hergeben würde für eine Fernbedienung - zum Um- oder Ausschalten.
Die äußerst wirksame Zermürbung des Geistes erfolgt durch eine präzise Mischung aus
1. ...spektakulär knalligen Farben, die beweisen, dass es nicht immer gut ist, die Kolorierung und das Design eines Comics 1:1 auf die Leinwand zu übertragen. “Sin City” war dahingehend möglicherweise eher so eine Art Fluke Shot und der ebenfalls nicht gerade glanzvolle 1991er “Lucky Luke” mit Terence Hill, der einfach nur auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten war, gewinnt postwendend trotz hellen Mantels und blonden Haars den Schönheitspreis.
2. ...der Handlung, die so zu bezeichnen schon ein schlechter Scherz ist, denn vielmehr handelt es sich um eine hektische Abfolge von vollkommen sinnentfremdeten Einzelmomenten. Auch wenn mancher Philosoph exakt so das Leben beschreiben würde.
3. ...der Haudrauf-Humor. Er ist die Wurzel allen Übels. Philippe Haim lässt da Absonderliches vom Stapel, dermaßen grenzdebil, dass bei ausreichendem Maß Folgeschäden beim gesunden Zuschauer verbleiben könnten. Bleibt die Hoffnung, dass Geisteskranke durch das Anschauen von “Die Daltons gegen Lucky Luke” wieder gesund werden, dann könnte er sich einer Daseinsberechtigung rühmen.
Die mit gängigen Maßstäben absolut nicht zu erklärende Besetzung des Lucky Luke mit Til Schweiger, erwartungsgemäß eine absolute Katastrophe, ist nicht einmal das Problem. Denn der Mann, der schneller schießt als sein Schatten, zählt diesmal nur als Nebendarsteller. Auf den ersten Blick könnte man das als einen nach hinten losgegangenen Anfall von revolutionärem Verve der Autoren zu den Akten legen, die was ganz Besonderes bringen und sich von der Comicvorlage distanzieren wollten. Ein Lucky Luke-Film aus Sicht der Daltons... natürlich, man kann “Titanic” ja auch aus Sicht des Eisberges erzählen (“... und die Titanic kam unerbittlich näher. Der Eisberg stand da und war nicht in der Lage, sich zu rühren. “Ja seht ihr mich denn nicht?”, kreischte der Eisberg verzweifelt, unfähig, etwas zu unternehmen...”). Doch in Wirklichkeit war vermutlich ein viel menschlicheres Charakteristikum ausschlaggebend: Der Narzissmus. Schaut man nämlich, wer sich da hinter dem Drehbuch versteckt, so erkennt man: Joe (Eric Judor) und Averell (Ramzy Bedia) Dalton hocken da höchstpersönlich! Logisch, dass die sich lieber in der Hauptrolle sehen. Also den Sympathischen (des Comics, wohlgemerkt, Schweiger möchte man hier ungerne als sympathisch bezeichnen) in den Hintergrund gedrängt und die Zuschauer mit der Penetranz von vier sich wie die Kesselflicker streitenden Brüder gequält.
Die zaghaften Versuche, liebgewonnene Eigenarten aus dem Comic zu übernehmen (der faule Rantanplan; die Chinesen, die lichtig zugedlückte Augen haben und nicht dazu in del Lage sind, “r” auszusplechen), scheitern schon an dem zu gewollt wirkenden modernen Look und den ach so aufregenden virtuellen Kamerafahrten, die mit dem verschlafenen Charakter einer Westernwelt nicht das Geringste zu tun haben.
Sollte bei all den Realfilmpleiten, mit der die Comicserie inzwischen geschlagen ist, noch mal jemand den Arsch voll Eier haben, sich an eine weitere Adaption zu setzen, sollte er nach Möglichkeit nicht so langweilig-starr wie Terence Hills Film, aber schon gar nicht so spastisch-überhastet wie “Die Daltons gegen Lucky Luke” sein. Ein Mittelwert wäre ganz nett. Dann noch ein Lucky Luke, der weder Terence Hill höchstpersönlich noch ein schwarz getönter Hampelmann mit gelber Bluse ist, und möglicherweise könnten wir uns der Idealumsetzung mit minimalen Schritten annähern.