Insbesondere die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts waren von einer unübersehbaren Horrorfilmwelle geprägt, während der das Genre erstmals begann, die Grenzen des für den Zuschauer Zumutbaren ein wenig genauer auszuloten. Wo in früheren Werken die Kamera noch dezent abblendete, wurde nun bewusst- wenn es die Kunstfertigkeit der Maskenbildner erlaubte auch gerne im Close-Up- drauf gehalten. Ein Land, das einen Löwenanteil an diesem Trend hatte, war ohne Zweifel „Bella Italia“- das Land der Pizza, der Pasta und eben des Horrors. Gerechterweise muss man natürlich erwähnen, dass bei weitem nicht alles von dort das Zelluloid wert war, auf dem es gedreht wurde. Doch zumindest einen Namen assoziiert das kollektive Gedächtnis der Horrorfilmgemeinde fast automatisch mit Qualität: Dario Argento- dessen Spezialität die Giallos, ein Subgenre des Thrillers mit literarischem Ursprung in einer Serie von gelben (ital.: giallo) Groschenromanen, sind. Zu seinen bekanntesten Werken zählen sicherlich „Profondo Rosso“ (1975), „Tenebre“ (1982) und „Non ho sonno“ (2001). Jedoch findet sich in Argentos Arbeit noch ein weiterer interessanter Themenkomplex: das Sujet der Hexen. Im Speziellen zu nennen ist hierbei die noch unvollständige „Drei Mütter“-Trilogie, die 1978 mit „Suspiria“ ihren Anfang nahm und mit dem hier besprochenen „Inferno“ (1980), der vom Verleih den äußerst sinnfreien Untertitel „Feuertanz der Zombies“ verpasst bekam, sein bisheriges Ende fand. Jeder Teil der Reihe beschäftigt sich mit einer der drei Mütter. „Suspiria“ mit der Mater Suspiriorum (Lady of Sighs), welche an einer Freiburger Tanzschule heimisch ist, „Inferno“ mit der in New York ansässigen Mater Tenebrarum (Lady of Darkness) und der sich in der Produktion befindliche letzte Teil mit der römischen Mater Lachrymarum (Lady of Tears).
New York: Die junge Rose Elliot findet durch ein altes Buch heraus, dass das Haus, in dem sie wohnt, die Heimatstätte einer bösartigen Hexe ist. Je weiter sie nachforscht, desto tiefer stößt Rose in eine gefährliche Welt der Magie und des Todes vor, in die noch zu allem Überfluss ihr in Rom lebender Bruder Mark hineingezogen wird. Dieser reist seiner Schwester zur Hilfe, kommt jedoch leider zu spät, um sie vor Schlimmeren zu bewahren und so muss er fortan alleine den Kampf gegen das Übernatürliche aufnehmen…
Mit „Inferno“ beweist Dario Argento wieder einmal, dass er nicht umsonst als Meister seines Fachs gehandelt wird. Verwunderlich ist nur, dass er sich bei seinen Filmen- für alle augenscheinlich- einfachster Grundzutaten bedient. Zyniker würden seine Formel auf „Ein bisschen Blut hier, ein bisschen Spannung dort, zweimal kräftig Schütteln und fertig ist der Mix“ reduzieren. Ganz so simpel lässt sich das Phänomen Argento nun aber auch nicht erklären, besitzt er schließlich etwas, das besonders in der heutigen Filmlandschaft äußerst rar geworden ist: einen eigenen Stil, eine Handschrift, die einen großen Wiedererkennungswert für das Publikum besitzt.
Es lässt sich trotz allem nicht von der Hand weisen, dass Argento, der oftmals mit an den Drehbüchern seiner Filme bastelt, nicht gerade der ausschweifendste Geschichtenerzähler ist. Ihm gelingt es meist, den Zuschauer mit einem Grundgerüst von Story abzufrühstücken, dennoch so fesselnd zu erzählen, dass das Publikum die Ereignisse wie gebannt verfolgt. Bestes Beispiel für diese Technik ist der vorliegende „Inferno“: Die Geschichte rund um die Mater Tenebrarum wird anfangs kurz angerissen, im Verlauf leicht vertieft und ansonsten eher durch Suspense- Momente zusammengehalten. Diese scheinbar endlosen Suspense-Szenen stellen ein typisches Element in Argentos Werken dar. Sie gleichen einem Tanz auf dem Vulkan mit dem Zuschauer und Argento führt selbstbewusst das Zepter, wobei es ihm zudem noch gelingt, mit den festgefahrenen Erwartungshaltungen der Genrefreunde zu spielen. Um die Spannung bzw. die Gänsehaut beim Betrachter zu garantieren, zielt Argento direkt auf die Urängste der menschlichen Seele ab. So zum Beispiel in der äußerst klaustrophobischen „Swimmingpool-Szene“. Rose’ drohender Unterwassertod gerät zur psychischen Folter für den Zuschauer, sodass man beinahe ins Bild hinein greifen möchte, um ihr die rettende Hand zu reichen.
Oftmals muss solch gelungenen Momenten jedoch Rechnung getragen werden. So geht leider meist die Logik als erstes über den Jordan, weil bestimmte Situationen einfach niemals ohne das unnachvollziehbare Verhalten der Protagonisten zustande kommen würden. Fast scheint es als wäre das ein Tribut, den zu zollen man nicht umhin kommt. Wie sehr das Filmvergnügen dabei beeinträchtigt wird, bleibt natürlich jedem selbst überlassen.
Sprach ich vorhin von einer besonderen Handschrift Argentos, bleibt es selbstverständlich nicht aus, diese typischen Stilmittel, die sich durch viele seiner Werke ziehen, positiv hervorzuheben. Besonders aufdrängend: der Vergleich „Suspiria“ mit „Inferno“, bei dem man schon im Voraus verraten kann, dass jemand, der den ersten Teil mochte, auch mit der Fortsetzung seine Freude haben wird. Denn in beiden bedient sich der Regisseur eines wunderschönen und zutiefst surrealen Farbspiels, welches das Bild in unterschiedliche Rot-, Blau- oder Violetttöne taucht. Es entsteht so eine dichte Atmosphäre des Unheimlichen, Fremden und Übernatürlichen. Einher geht das Ganze mit – für die damalige Zeit- nicht gerade zimperlich ausgearbeiteten Morden, die von der heutigen „Saw“-Generation wahrscheinlich keinen mehr hinter dem Ofen vorlocken. Wer es nur auf drastische Tötungen abgesehen hat, ist hier sowieso vollkommen fehl am Platz. „Inferno“ ästhetisiert den Tod, macht fast eine Kunst daraus, gleitet aber nie in den Bereich eines tumben Schlachtfestes ab.
Ein letzter, noch unbedingt zu erwähnender Aspekt ist die abermals exquisite Kameraarbeit, die ein unheimlich sensibles Gespür für den Raum vor der Linse besitzt und dabei erschreckend präzise das jeweilige Motiv durch Schwenks, Fahrten und Co. ins rechte Licht rückt.
Bleibt nur zu hoffen, dass Herr Argento endlich mit dem finalen Teil der Trilogie in die Gänge kommt. „Inferno“ macht definitiv Lust auf eine Zugabe und über ein Vierteljahrhundert Wartezeit für die Fans ist ja wohl mehr als genug. Also los Dario, spute dich…