Wir hatten Shakespeare, wir hatten Artus…jetzt wird es wieder mal Zeit zu den Wurzeln zurückzukehren, wenn es an Mythen und Sagen geht.
Also Vorhang auf für Tristan und Isolde, den uns hier Ex-Kevin-Costner-Gspusi Kevin Reynolds serviert.
Ein Sagenstoff von altem Schrot und Korn, als Oper zu Ruhm gekommen, kommt die Saga im Film recht puristisch daher, was auch nicht das Schlechteste ist, wenn Sage und Historie bunt vermischt werden. Reynolds bläst es nicht ins Monumentale auf, wie etwa Mel Gibson beim allgemein überschätzten „Braveheart“ oder verlässt sich auf Kampfbombast im gepflegten MTV-Reißschwenk-Look wie in „King Arthur“ oder noch alberner in „Ritter aus Leidenschaft“, sondern paart die Operntragik einer unerfüllten Liebe mit Macht- und Ränkespielen vor einer möglichst archaischen Naturkulisse, ohne dass man, wie etwa in Boormans „Excalibur“vor Bedeutungsschwere gleich einen fallenden Vorhang nach dem nächsten Schnitt erwartet.
Obwohl manchmal wohl von shakespearschen Eskapaden trauriger Natur angehaucht, ist übrigens von Romeo und Julia weit und breit nichts zu sehen, „Tristan und Isolde“ ist vielmehr eine historische Blaupause für die König-Artus-Sage, in der sich Lancelot in Guinevre verliebt, die er für ihren Mann und seinen König schützen soll.
Wer jemals etwas von dieser Story vernommen hat, wird natürlich die Wendungen erahnen, die die Story nehmen wird, wobei ich positiv erwähnen möchte, dass sie mehr Wendungen hat als eine moderne durchschnittliche Hollywood-Trilogie. Geschickt aufgebaut und überschaubar verschachtelt werden dem Zuschauer ausnahmsweise mal nicht die Hinweise um die Ohren gehauen, sondern zur freundlichen Mitnahme beigelegt – wer nicht will, kann sich der meditativen Ruhe der Inszenierung hingeben. Wind und Wellen, Wald und Wiese, Holz und Stein…Balsam fürs Auge und dabei natürlich etwas fürs Herz.
Die Bezeichnung „Schmachtfetzen“ wäre aber übertrieben, denn immer wieder gibt’s krachende Kampfzwischenspiele, die auch vom Gewaltlevel nicht von schlechten Eltern sind.
Wie überhaupt der wesentliche Makel dieser Produktion darin besteht, dass sich zwei Handlungsstränge parallel entwickeln müssen: einmal die romantisch-tragische Love Story und daneben die Mischung aus Politik, Ränkespiel, Verrat und Verschwörung rund Britanniens Zukunft im Kampf gegen die Iren.
Die Hauptschwäche bleibt dabei, dass der „politische“ Strang so interessant aufgebaut ist, dass die Akzentuierungen auf die Liebesgeschichte leider immer wieder den Fluß stören.
Und das schwächt den Film in vielen Aspekten, in einem aber besonders: man fühlt als Zuschauer nicht mit den Liebenden, sondern sieht in der Bedeutungsschwere der Historie die beiden jungen Leute mehr als egozentrische Ehebrecher, die sich nicht für die größere Sache überwinden können, weil sie viel lieber heimlich im Garten poppen.
Dieser Mangel an Überzeugungskraft basiert wohl auf der Besetzung der Hauptrollen.
Sophia Myles macht zwar hinreichend von ihren Rehaugen Gebrauch, aber leider hat man bei den wenigen behutsamen Modernisierungen ausgerechnet mit einer Prise zuviel Selbstbestimmungswillen moderner Natur ihre Rolle aus dem Rahmen fallen lassen. Hier steckt zuviel Teenagertragik des großen Barden im Dialog, der dann auch noch mit gelesener Lyrik, die aber erst diverse Jahrhunderte später geschrieben wurde, endgültig in die Grube fährt. (Den andere dicken Patzer, ausgerechnet Kugelfischgift auf einer irischen Schwertklinge, überlasse ich mal der Dämlichkeit des Autors, der diesen Unsinn verzapft hat…)
Diametral entgegengesetzt James Franco, seit den Spiderman-Filmen ein heißer Anwärter auf zukünftige Superstarrollen, der jedoch nur mit seiner Physis punkten kann (also in den Kampfszenen auch gut rüberkommt), in den Liebesszenen aber monoton bis steif wirkt.
Der Rest des schwankt erlesen zwischen Macbeth und Highlander, was Härte, Dreck und Verschlagenheit angeht, wobei Rufus Sewell als Artus-Ersatz Lord Marke so ziemlich jeden Bonuspunkt einfährt, den es zu verteilen gibt.
Wann immer der Kamerafokus ihm zugewandt ist, sind die dagegen blassen Hauptrollen vergessen – und der Film gewinnt durch den Themenwechsel meistens an Kraft.
Am Ende überwiegt natürlich legendengemäß die Tragik, aber zum Glück schreddert Reynolds immer im richtigen Moment am Kitsch vorbei, eine bei den Tempiwechseln manchmal holprige, aber unterhaltsame Fahrt für den Zuschauer.
Trotzdem ist „Tristan und Isolde“ ein ungewohntes Sehvergnügen, dass sich an nicht vorbelastete Kinogänger richtet, die nicht schon vorher ganz genau wissen, was sie angeblich sehen wollen und was nicht, sondern ein bisschen offen sind für altes Geschichtengut, realistisches Mittelalter; Liebe, Kampf und Tod – sowie einen klassischen Schicksalsplot, der runter geht wie Öl.
Mythen ohne Mystik und Magie-Brimborium – ein recht angenehme Erfahrung. (7/10)