Review

"Durch diese Tür kommen in der Regel doch nur Gestörte ! "

Flos (Fabian Busch) Satz bezieht sich auf die Eingangstür des Videoladens, in dem er arbeitet, und sagt damit schon alles über das Kleinbiotop aus, dass sich im Erdgeschoss eines Berliner Altbaus entwickelt hat. Täglich versammeln sich hier die selben Gestalten, um über Filme und Frauen zu philosophieren und ihre kleinen Geschäfte zu machen.

Konsequenterweise spielt "Video Kings" fast ausschließlich in dem heruntergekommenen Laden. Das "normale" Leben, Grossstadtglamour oder auch nur ein bisschen Politik scheint in diesem vergessenen Winkel nicht zu existieren. Was allerdings auch nicht stattfindet sind Frauen, obwohl diese den größten Teil des Denkens der Männerriege beeinflussen.

Stattdessen gibt es eine Vielzahl Klischeetypen, die sich hier versammeln. Da ist Horst (Wotan Wilke Möhring), der schwarz in der Videothek arbeitet, ein freundlich begriffstutziger Typ mit 70er Jahre Frisur. Und Thommy (Bela B.), der ständig irgendwelchen Kleinkram klaut, und ihn im Laden verticken will. Geschickt wird er dann genauso regelmäßig zu Bernhardt (Peter Thorwardt), der sich, begleitet von zwei Möchtegern-Bodyguards, ein cooles Image gibt und den Laden von Dieter (Hendrik Arnst) übernehmen will. Dazu kommen die üblichen Typen, die hier immer rumhängen, und im Zentrum des Geschehens steht natürlich Flo.

Flo hat sich vom "normalen" Leben völlig verabschiedet und geht nur in Ausnahmefällen aus der Videothek heraus. Nachts schläft er auf einer Matratze und seine Filmfantasien vermischen sich ständig mit seiner getrübten Realitätswahrnehmung. Das erkennt man schon in der ersten Szene, in der er sich seiner Verantwortung als zukünftiger Vater stellen will, vor der er aber gleichzeitig so viel Angst hat, daß er sich betrinkt und vor laufender Kamera (er hatte sich bei seinem Selbstverantwortungsmonolog gefilmt) auf den Boden kotzt.

An dieser Szene erkennt man aber auch den Charakter des Films. Denn anders als üblich, dient die "Kotzszene" keineswegs als reine Lachnummer, sondern verdeutlicht vor allem die peinliche Situation, in der sich Flo befindet. Denn schon am nächsten Morgen erklärt ihm seine "Ex-Freundin" Maria, dass sie zwar schwanger ist, aber keineswegs von ihm, da er in der einzigen gemeinsamen Nacht noch nicht mal gekommen wäre. Auch im Folgenden hangelt Flo von einer Szene zur anderen, die immer wieder gezeichnet ist von einem ausgeprägten Selbstbetrug, der schon kleinste positive Zeichen in filmmäßige Happy-Ends verwandelt, die sich vor seinem geistigen Auge abspielen - bis er kurz danach sofort wieder auf den harten Boden der Realität geschubst wird.

Von dem er sich jedesmal sofort wieder erhebt, besonders als plötzlich Ramona (Monica Nancy Wick) auftaucht und sich ausgerechnet nach den Filmen erkundigt, für die sich der Filmfreak interessiert und die seine sonstige "ungebildete" Umgebung verachtet. Ich konnte nicht umhin, als er dann gegenüber Ramona vom "Italienischen Neorealismus" und Rossellini stammelte, an meine eigene Begeisterung zu denken, aber das ist nur das i-Tüpfelchen auf einem Film, der ein ironisches Bild einer Männerwelt zeichnet ,dass trotz aller klischeehaften Übertreibungen, äußerst realistisch ist.

So ist "Video Kings" lange Zeit auch nicht wirklich lustig, da er ein umfassendes Bild eines Lebens darstellt, dass überhaupt nicht mehr in der Realität stattfindet. Dass der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, der gesamte Laden nicht läuft - was nicht verwundert, da ihn nie ein normaler Kunde betritt - oder irgendwelche Schläger Flo bedrohen, hat letztendlich jeden Schrecken verloren, da dieser sich sofort wieder in seine Fantasien flüchten kann. Man merkt den Machern immer ihre Sympathie für die Männerriege an, die ein bisschen wie eine große Familie wirkt - so unterschiedlich die Einzelnen auch sind - die sich gegenseitig an diesem Ort Halt gibt. Selbst Streitigkeiten bleiben in einer überschauberen Dimension und vermitteln nie wirkliche Tragik - schön zu erkennen an dem "Duell" zwischen Flo und Bernhardt, dass sie beim Raten bei einem "Wer wird Millionär?"-Plagiat ausfechten. Sozusagen der dramatische Höhepunkt des Films.

Ein Scheitern kann es in einem solchen Leben gar nicht mehr geben, da die üblichen Versager-Kriterien in dieser Umgebung gar keine Rolle mehr spielen. Flo als Looser zu bezeichnen, ist deshalb auch falsch oder zumindest oberflächlich gesellschaftlich gedacht. Denn in dieser Gruppe ist er eindeutig derjenige, der den Laden zusammenhält, der das größte Fachwissen besitzt und der in kritischen Momenten - als zum Beispiel die Polizei nach Schwarzarbeitern fahndet - einen kühlen Kopf bewahrt.

Wenn nur nicht die Frauen wären, die in dieses Panoptikum gar nicht hineinpassen, und immer so etwas wie Realität, Lebensfähigkeit und erforderliche Coolness in den Laden bringen.

Durch das Auftauchen von Ramona gerät auch der gesamte Film in Schwung, besonders als zwei Videobänder (DVD's scheinen in diesem Film noch nicht zu existieren) vertauscht werden und Ramona in den Besitz des Bandes kommt, der Flo beim Kotzen zeigt. "Video Kings" verlässt den langsamen, manchmal etwas abgehackt wirkenden Rhythmus und wird bei Flos Versuch, irgendwie Ramona von sich zu überzeugen, immer schwungvoller und witziger. Mit dem Auftreten von Badesalz und Til Schweiger in der letzten Viertelstunde erreicht der Film dann seinen komischsten Höhepunkt zum Schluß, ein Umstand, der dem Film sehr zu gute kommt und den Zuseher gut gelaunt zurücklässt.

Fazit : "Video Kings" ist ein Low-Budget Film, dem nicht nur seine umfassende Filmbegeisterung anzumerken ist, sondern auch seine Sympathie für die Filmfreaks und Stubenhocker, die sich in dieser Fantasiewelt ihr eigenes Leben gestalten. Innerhalb dieser überschaubaren Umgebung in dem kleinen Videoladen, gelten eigene Regeln und auch wenn die Realität in Gestalt eines Gerichtsvollziehers oder von Frauen immer wieder an die Türe klopft ,so bleibt man doch wehrhaft und verteidigt seine vertraute Bastion - und sei es auch nur in seiner Fantasie.

Als reine Komödie funktioniert "Video Kings" nicht, da er sich viel Zeit lässt für die (absurde) Charakterisierung seiner Protagonisten. Dazu ist er stark aus einer männlichen Sicht erzählt, die aber nie in Primitivität oder Verachtung abgleitet. Letztendlich bedarf es einer gewissen ironischen Selbstsicht, um zu erkennen, daß hier auf viele Eigenarten angespielt wird, die einem Film- (oder für anderes begeisterten) Freak nicht fremd sein dürften (7/10).

Details
Ähnliche Filme