Sieht man sich die prägenden Einflüsse für das Splatter-Kino an, so wird man unweigerlich auf das Grand Guignol stoßen. Das kleine Theater in Paris bestand von 1898 bis 1952 und nahm in vielerlei Hinsicht die Funktionsweisen und Effekte der Splatter-Ästhetik vorweg. Das Theater war bekannt für die schockierenden, gruseligen und abartigen Stücke, die dort aufgeführt wurden. Oft spritzte das Kunstblut bis in die hinteren Reihen und ein Arzt war auch stets vorhanden – für eventuelle Herzanfälle. Nicht selten verließen die Zuschauer geschockt und traumatisiert den Saal. Genau diesem Ort, quasi dem Geburtsort der Splatter-Unterhaltung, huldigt Godfather of Gore, H.G. Lewis in seinem Kultfilm „The Wizard of Gore“. Nur der von Troma vertriebene, einige Jahre später entstandene, Schundfilm „Bloodsucking Freaks“ kann noch als adäquate Umsetzung des Grand Guignols gesehen werden. In beiden Filmen sind die Gewalt-Szenen absolut zentriert und bilden den Hauptaspekt des Films, eingebettet in skurrile Szenarien aus dem Unterhaltungs-Bereich.
Am meisten Arbeit und Aufwand steckte man naturgemäß in die Effekte, was sich positiv auf das Gesamtergebnis auswirkt. Der Härtegrad Lewis’ voriger Werke wird enorm angehoben und die Messlatte sehr hoch gelegt. Insgesamt dreimal legte Lewis den blutigsten Film aller Zeiten vor, mit „Blood Feast“, „The Wizard of Gore“ und mit „The Gore Gore Girls“. Der naive Charme seiner Filme ist unvergleichlich und davon profitiert auch der Zauberer. Als Montag in der Hauptrolle wurde Ray Sager besetzt, mit dem Lewis schon vorher und auch noch nachher zusammenarbeitete. Als Montag ist er in seiner Paraderolle zu sehen und sein irrer Blick hat richtiges Kult-Potenzial, die restlichen Darsteller reihen sich ein in die bekannte Qualität früherer Produktionen. Ähnlich wie Russ Meyer wusste Lewis aber wem er eine tragende Rolle und wem nur eine schmückende gab, auf letztere waren natürlich diverse Playboy-Bunnys abonniert.
Die Doppelbödigkeit der Show und der Realität im Film ist ein entscheidendes Stilmittel und wirkt perfekt: auf den eigenen Voyeurismus wird der Zuschauer hingewiesen und auf die generelle Wirkung gewalttätiger Bilder. Nicht umsonst weist der Film tiefschwarzen Humor auf, der immer dann durchblinkt wenn Montag über Schein und Sein zu philosophieren beginnt. Letztendlich ist die Story ziemlich originell, das Drehbuch aber sehr flach und auf den ersten Blick substanzlos. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die strikte Aneinanderreihung blutiger Sequenzen als genaue Einhaltung des alten Theaterstils, welchen ich oben angesprochen habe. Die Auflösung erscheint zwar hanebüchen, überrascht aber in gewisser Weise und hat mich vollauf überzeugt.
Im Zuge des allgemeinen Remake-Wahns in Hollywood entschloss man sich auch für eine Neuaufpolierung von „The Wizard of Gore“. Wie gelungen das kürzlich fertig gewordene Remake ist, davon kann man sich schon bald in den Kinos (oder auch auf DVD) überzeugen.
Vielleicht verhilft dieser Film dem guten alten Lewis mal wieder zu etwas mehr Aufmerksamkeit, sind seine Filme mittlerweile doch nur noch Underground-Fans und Splatter-Historikern bekannt. Die Zentrierung der Gewalt funktioniert in „Wizard of Gore“ unwahrscheinlich gut und so wird der Effekt auf den Zuschauer der entscheidende Aspekt. Waren die blutigen Details in Lewis’ vorherigen Filmen noch in eine (Alibi-)Handlung eingebunden, so stellt „The Wizard of Gore“ endgültig den Effekt über den Inhalt; ein charakteristisches Merkmal der meisten Splatterfilme und genauso ein häufig gewählter Angriffspunkt.
Fazit: Ein Klassiker des Splatterfilms, bis heute ein Ausnahmewerk. Mit viel Blut, einer originellen Handlung und soliden Schauspielern schafft es Lewis einen unterhaltsamen Film zu schaffen, der in jeden Gore-Kanon gehört.
8,5 / 10