I. Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten…Nichts ist unmöglich und schon gar nicht in Brooklyn…
Schon der Beginn ist wunderbar sarkastisch! Nach dem einleitenden Satz erlebt der Betrachter, wie ein Baseballspiel in eine Schlägerei ausartet. Danach kommt die Liebe zu ihrem Recht. Reporter lauern im Standesamt, um irgendeine berühmte Persönlichkeit bei der Heirat zu entdecken und sie werden fündig. Der bekannte Theaterkritiker Mortimer Brewster (Cary Grant) heiratet die Pastorentochter Elaine Harper (Priscilla Lane). Der Clou an der Sache: Mortimer Brewster ist bekannt für seine zynischen Attacken gegenüber spießbürgerlichen Konventionen.
II. Holunderbeerwein mit Arsen, Strychnin und einer Prise Zyankali!
Man stelle sich vor: Am Heiratstag besucht ein bekannter Theaterkritiker seine beiden Lieblingstanten Abby (Josephine Hull) und Martha (Jean Adair), die in ihrem Haus Zimmer an allein stehende Herren vermieten. Im Anschluss fährt er mit seiner Frau in die Flitterwochen - so ist es jedenfalls geplant. Das Ganze klingt nach einem Anstandsbesuch und für jemanden, der bürgerliche Gesetzmäßigkeiten zynisch hinterfragt, ist das eher eine langweilige Angelegenheit. Einzig der bei den Tanten lebende, geistig verwirrte Bruder Teddy (John Alexander), der sich für Präsident Roosevelt hält, sorgt für eine frische Brise.
Tja, so kann man sich irren! Was nun folgt, ist der geniale Wahnsinn im Bereich des schwarzen Humors. Der Gesichtsausdruck von Cary Grant, als er die Truhe öffnet und eine Leiche entdeckt, ist ein filmischer Moment für die Ewigkeit! Was soll das!? Das muss ein Irrtum sein! Nein, als er die beiden Tanten befragt und die ihm völlig unbekümmert erklären, dass sie den netten, einsamen alten Mann lediglich Gott näher gebracht haben, ist das urkomische Chaos perfekt. Kein Auge bleibt trocken bei den Gesichtszügen von Cary Grant! Was würde er sich denn aufregen, schließlich ist Mr. Hoskins nur einer von vielen, der mit dem Cocktail aus Holunderbeerwein, Arsen, Strychnin und einer Prise Zyankali Gott näher gebracht wurde. Teddy gräbt ja schon den „Panamakanal“ im Keller, damit er feierlich beigesetzt werden kann. Aber hallo! „Mach doch aus einer Mücke keinen Elefanten – herrlich! Wer sich nun ausmalt, wie er selbst reagiert hätte, wird in Cary Grant seinen Meister finden. Seine konsternierten Reaktionen sind ein Feuerwerk der Situationskomik!
Dabei bekommt der Theaterkritiker doch genau das, was er sich wünscht. Verwandte, die alles andere als konventionelle Spießbürger sind! Hehe, und wer glaubt, dass der Wahnsinn hiermit endet, wird eines Besseren belehrt! Schließlich kommen neue Gäste in das Haus der Tanten. Beispielsweise Mortimers verschollener dritter Bruder Jonathan (Raymond Massey), der völlig entstellt mit Dr. Einstein (Peter Lorre) nach einem Fluchtort sucht, weil Mr. Frankenstein die Leidenschaft seiner Tanten teilt. Mr. Hoskins bleibt nicht die einzige Leiche, die im Keller liegenden „Panamakanal“ verstaut wird, soviel sei verraten.
Und wer jetzt vor Verwirrung den Kopf schüttelt – keine Angst, jeder wird mit einem grandiosen Schauspiel und hervorragenden Slapstick-Einlagen bedient, weil „Arsen und Spitzenhäubchen“ nicht nur skurril und verwirrend, sondern auch eine unheimlich intelligente und subtile schwarze Komödie ist.
III. Die Mutter aller schwarzen Komödien!
Frank Capra, der in vorherigen Filmen mit intelligentem Humor und voller Idealismus die Politik und Medien an den Pranger stellt, legt hier eine für ihn untypische schwarze Komödie vor, die seinesgleichen sucht. Dabei ist es eigentlich gar nicht verwunderlich. In den 40er Jahren war man in Hollywood allgemein sehr experimentierfreudig und Joseph Kesselring, der „Arsen und Spitzenhäubchen“ ursprünglich als Theaterstück schrieb, lieferte schon die Vorlage für Capras Meisterwerk „Mister Deeds geht in die Stadt“. Als Capra das Stück sah, wollte er um jeden Preis die Rechte. Der Wille, Cary Grant für die Hauptrolle zu engagieren, wurde mit einem hohen, finanziellen Einsatz realisiert. Dabei hat der in Sizilien geborene Großmeister wieder einmal sein filmisches Gespür unter Beweis gestellt, denn Grant wäre im Nachhinein aus der Rolle des Mortimer Brewster nicht wegzudenken. Doch auch bei den anderen Besetzungen, war die Wahl richtig. Jeder hätte mit Recht einen Preis für seine schauspielerische Leistung verdient gehabt. Man erlebt es selten, aber hier wurde kollektiv wie vor dem Herrn gespielt!
Die Nähe zum Herrn ist ein gutes Stichwort für den schwarzen Humor am rasanten Treiben. Es prallen augenscheinlich ideologische Welten aufeinander, die am Ende völlig verwischen – ein Rollentausch mit einer besonderen Note! Die vorerst so spießig, kleinbürgerlich wirkenden Tanten, die ohne Schuldbewusstsein einsame Menschen töten, als sei es das normalste auf der Welt treffen auf einen ach so zynischen Theaterkritiker, der sich eigentlich über das konventionelle Bürgertum echauffiert, und plötzlich zum konventionellen Bürger mutiert, der alles unter den Tisch kehren will. Hier liegt die Wurzel der Komik, die auf engstem Raum stattfindet. Der Eingangsbereich des Hauses ist der Schauplatz der meisten Aktionen und wenn Mortimer Brewster gerade einmal nicht im Raum ist, um die Taten zu verschleiern, ist man schon gespannt, wie er auf die sich neu ergebenden Situationen reagiert. Der Film verliert nie an Spannung, Komik und spielt mit den Erwartungen des Betrachters. Capra übertrifft stets die Erwartungshaltung des Zuschauers! Die Schauspieler erledigen den Rest, indem sie dementsprechend in Wort und Tat reagieren. Schlichtweg grandios!
IV. Danke Frank Capra!
Der Regiemeister beweist mit „Arsen und Spitzenhäubchen“, wie schwarze, bitterböse Komödien aussehen sollen – der Witz muss nicht mit dem Vorschlaghammer hervorgerufen werden! Das Feingefühl fehlt den meisten neuzeitlichen Werken. „Arsen und Spitzenhäubchen“ unterhält auf engstem Raum mit einem wohl durchdachten Plot, in dem Slapstick und trockener Wortwitz vor allem durch einen skurrilen Rollentausch hervorgerufen werden. Die Spießbürger sind plötzlich erschreckend unkonventionell und gewissenlos, während dem zynischen Theaterkritiker der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Um auf die Einleitung des Films zurückzukommen: Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten…Nichts ist unmöglich und schon gar nicht in Brooklyn…I’m just lovin' it! (10/10)