Nach „Office Space“ legt Mike Judge, Schöpfer der beiden subversiven MTV-Comichelden Beavis und Butt-Head, nun ganz still und heimlich seine zweite Regie-Arbeit im Realfilm vor. Und wie schon bei seinem vorigen Werk stellt sich die Frage: Warum interessiert der Film keinen? Immerhin hab ich lange suchen müssen um ein Programmkino zu finden, welches „Idiocracy“ ausstrahlt. Der wohl wichtigste Grund hierfür ist ganz klar die mangelnde Werbung, denn das Studio hinter der Produktion (20th Century Fox) ließ den Film fast gänzlich ohne Marketing anlaufen und qualifiziert ihn daher höchstens noch zum Geheimtipp im Kino, auf DVD könnte sich diese feine Komödie aber auf jeden Fall zu einem Hit entwickeln.
Schon der Anfang ist herrlich amüsant: Ein Off-Kommentator stellt den Geisteszustand der menschlichen Rasse dar und erklärt das sich Anfang des 21. Jahrhunderts eine genetische Veränderung langsam heraus kristallisierte: Die Intelligenten starben immer mehr aus (unter anderem weil bei ihnen der Kinderwunsch oft von einer düsteren Weltsicht verdorben wird) während sich dumme, ungebildete Menschen in Scharen vermehrten (exemplarisch dargestellt an einer asozialen „White Trash“ Familie).
Nach der kurzen Einleitung wird auch schon der Hauptcharakter eingeführt, der nichts sagende Bibliothekar Joe (Luke Wilson).Dieser wird ausgewählt für ein geheimes Programm der Army, bei dem die Konservierung von Menschen in künstlichem Schlaf erprobt werden soll. Es kommt wie es kommen muss: Joe und die weibliche Probandin Rita (Maya Rudolph) werden durch einen Zufall vergessen und schlafen statt einem mal eben eintausend Jahre. In dieser Zeit hat die Verdummung der Menschen unfassbare Ausmaße angenommen. Für Joe und Rita beginnt eine irrwitzige Odyssee.
„Idiocracy“ ist eine gelungene Komödie und nimmt geschickt die immer hirnlosere Unterhaltung aufs Korn, kann sogar als politischer Kommentar gelesen werden. Sicher kein Zufall, dass die Regierung hier mit Dummheit herrscht und vernünftige Argumente an der Justiz abprallen.
Das originelle Drehbuch kupfert zwar immer mal wieder bei Woody Allens Kultfilm „Der Schläfer“ ab, besitzt aber viel Eigenständigkeit und Judge’s ganz eigenen Humor. Sehr stark ist auch das liebevolle Set-Design, lässt die teilweise eher durchschnittlichen Effekte vergessen.
Luke Wilson, der meiner Meinung nach bisher noch in keinem seiner Auftritte wirklich überzeugen konnte, findet hier seine Paraderolle und sein eher begrenztes Talent wird nicht überstrapaziert. Terry Crews („Everybody hates Chris“) glänzt in einer Nebenrolle als amerikanischer Präsident und sorgt für mehr als nur einen guten Lacher. Trotz der überzogenen Story und den daraus resultierenden schrillen Charakteren und Situationen gleiten der Humor und vor allem die Darstellung der Schauspieler niemals in albernes Niveau herab.
Ob nun die spitzen Allegorien bezüglich der machohaften US-Politik oder auch die selbstironischen Verweise auf die eigene Zielgruppe; Mike Judge provoziert und lotet seine Grenzen immer weiter aus. Nicht mit dem brachialen Holzhammer-Humor aus „Beavis und Butt-Head“ sondern mit augenzwinkerndem Wortwitz und einer ordentlichen Portion physischen Humors. Die zahlreichen optischen Details und die Menschheitsgeschichte, zwischendurch immer mal wieder etwas weiter erzählt vom Kommentator, verbinden geistreiche Dysutopie mit leichter Unterhaltung – nicht gerade der leichteste Spagat, der Judge hier vollauf geglückt ist.
Nur Amerika steht im Fokus des Films – alle erdenklichen Kleinigkeiten des amerikanischen Alltaglebens werden grell karikiert: Diese groteske Zeichnung des Sittenverfalls der USA hat mehr mit der Realität zu tun als es dem alten Bush lieb sein dürfte. Vielleicht mit ein Grund, warum man den Vertrieb des Films lieber klein hielt, eine berechnete Kontroverse wie bei „Borat“ wäre hier sicherlich auch drin gewesen. Die Satire funktioniert so hervorragend, weil nichts erzwungen oder gestelzt wirkt – die bissigen Überschneidungen mit der Realität scheinen von selbst zu kommen und „Idiocracy“ bricht kaum offensichtliche Tabus. Erreicht wird damit letztendlich aber viel mehr als in grenzüberschreitendem Nonsens a la „Freddy got Fingered“.
Die Handlung mag nur wenige Höhepunkte aufweisen und mit nicht mal achtzig Minuten Laufzeit (ohne Abspann) werden natürlich jedwede Nebenhandlungen ausgeschlossen. Dem Unterhaltungswert tut das aber nur gut, der Film vergeht wie im Flug – nach dem Abspann gibt es noch einen zusätzlichen netten Gag, der das Sitzen bleiben im Kinosaal wert ist. Eine anspruchsvollere, vielschichtige Storyline hätte auch dem betont simplen Inhalt widersprochen und hätte das Gesamtbild keineswegs verbessert und für hochgeistige Dialoge mit anspruchsvollen Witzen fehlt hier ganz einfach die Glaubwürdigkeit, schließlich haben wir es ausschließlich mit grenzdebilen Menschen zu tun.
Mit Co-Drehbuchautor Etan Cohen arbeitete Mike Judge schon bei „Beavis und Butt-Head“ sowie bei „King of The Hill“ zusammen und auch hier trägt ihre gemeinsame Arbeit wieder Früchte. Unglaublich, dass der spöttische Cohen am Drehbuch zu „Madagascar 2“ beteiligt ist – auch wenn die Zeiten anarchischer Sinnlosigkeit vorbei scheinen, mit „Idiocracy“ scheinen die beiden diesmal ein wenig mehr zu wollen als zu amüsieren. Auch wenn dies zum Glück noch im Vordergrund steht.
Fazit: Eine kleine Perle des amerikanischen Kino-Jahres 2006, endlich mal eine Komödie die wirklich gegen den Strom schwimmt und zugleich wirklich intelligente Seitenhiebe auf unsere Gesellschaft bietet.
7,5 / 10