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Goldie Hawn gewann nicht nur mit ihrer ersten Rolle in "Die Kaktusblüte" gleich den Oscar für die beste Nebenrolle, sondern war in ihrer frischen, lebendigen Art auch ein Kind des "New Hollywood", daß sich durch eine gewisse Respektlosigkeit sowohl in moralischer als auch politischer Hinsicht auszeichnete. Mit jugendlicher Leichtigkeit verkörperte sie Anfang der 70er Jahre die moderne junge Frau, die sexuell selbstbewußt und emanzipiert auftrat, wie zum Beispiel in Hal Ashbys "Shampoo".

Doch während zu Beginn ihrer Karriere die Gewichtung dieser Rollen in ihrer politischen Dimension lag, wurde mit der Zeit mehr der darin verankerte komödiantische Charakter betont. Ähnlich wie auch "New Hollywood" Mitte der 70er an Bedeutung und Einfluss verlor, wurde Goldie Hawn mehr und mehr auf Rollen festgelegt, die zwar ihre selbstbewußte Eigenständigkeit betonten, aber zu Komödien genutzt wurden, die hauptsächlich unterhalten sollten, was auch mehrfach gelang ("Overboard", "Ein Vogel auf dem Drahtseil"). Ein Wendepunkt in dieser Entwicklung stellte sicherlich "Schütze Benjamin" dar, der 1980 noch Reste einer Gesellschaftskritik des "New Hollywood" verarbeitete, aber sich nicht so recht entschließen konnte, was er nun eigentlich sein wollte...

Die Einblendung zu Beginn verdeutlicht, daß es sich bei Judy Benjamin (Goldie Hawn) um eine junge Frau mit festen bürgerlichen Absichten handelt. Ihre Wünsche beschränken sich auf Mann (mit abgeschlossenem Studium), Kinder und ein finanziell gesichertes Leben. Diese Zielsetzung kann als beinahe erfüllt angesehen werden, als sie zu Beginn des Films im Kreise ihrer jüdischen Verwandten die Hochzeit mit dem jungen Anwalt Yale Goodman (Albert Brooks) bestreitet. Dieser ist zwar ein Worcaholic und zu kaum einem vernünftigen Gespräch in der Lage, dafür möchte er bei möglichst jeder Gelegenheit Sex haben, auch wenn es seiner jungen Frau nicht passt. Nur scheint sein Herz mit seinen Wünschen nicht mithalten zu können, so daß er gleich in der Hochzeitsnacht beim ersten Orgasmus stirbt.

Darauf erleben wir die junge Witwe einsam in Trauer, aber keineswegs wegen des Verlustes ihres Ehemanns (der als Persönlichkeit keine Rolle spielt), sondern wegen der ungewohnten, diffusen Situation, in der sie sich befindet und mit der sie nicht zurechtkommt. So erstaunt es nicht, daß sie sich von einem windigen Sergeant (Harry Dean Stanton), der neue Soldaten anwerben soll, dazu überreden lässt, für drei Jahre in die Army einzutreten. Besonders da ihr dieser die Zeit in der Armee als besseren Abenteuerurlaub verkauft hatte. So tritt "Schütze Benjamin" seine neue Position im schwarzen Abendkleid und Stöckelschuhen an und muß erfahren, dass man in der Armee kein Rücksichten auf verwöhnte Reiche-Töchter-Allüren nimmt.

Bis zu diesem Zeitpunkt zeigt "Schütze Benjamin" deutliche Anzeichen einer Satire, die dank der sympathischen Hauptdarstellerin zwar nicht beißend daher kommt, aber durchaus ironische Seitenhiebe auf bürgerliche Gepflogenheiten parat hat. Doch schon mit Benjamins Eintritt in die Armee, erkennt man die Zahnlosigkeit des Films, denn keine Sekunde wird die militärische Institution in Frage gestellt, wie es im kritischen "New Hollywood" noch die Regel war.

Das gesamte Geschehen reduziert sich auf Benjamins schlechte Erfahrungen, die man halt macht, wenn man plötzlich Sport treiben, Kampfeinsätze üben und für Sauberkeit und Ordnung selbst sorgen muß. Ihre Vorgesetzte Captain Lewis (Eileen Brennan) hat natürlich Probleme mit der verwöhnten Göre, aber die reduzieren sich mehr auf persönliche Antipathien und ändern sich auch nicht, als in "Schütze Benjamin" plötzlich ein Wandel eintritt.
Als sie ihre Eltern abholen wollen und auch die Armee die unfähige Soldatin gerne wieder los werden möchte, geht ein Ruck durch Judy Benjamin und den gesamten Film. Konnte man sich bis zu diesem Punkt noch leidlich am leicht ironischen Geschehen amüsieren, verkommt der Film ab diesem Zeitpunkt zu einer Posse.

Judy Benjamin hat angesichts ihres autoritären Vaters, der wenig von seiner Tochter hält, plötzlich einen Einfall, bleibt bei der Armee und wandelt sich innerhalb eines Tages zur fähigen Soldatin. Das Armeeleben wird ab diesem Zeitpunkt wie ein besseres Internatsleben geschildert, indem man Streiche spielt, lustige Gespräche am Lagerfeuer führt und mit einem Trick gleich die gesamten erfahrenen Offiziere an der Nase herumführt. Die Versetzung nach der Grundausbildung zu den Fallschirmspringern, verdankt sie vor allem der Zuneigung des Colonels Thornbush, der diese dann auch handgreiflich in einem Flugzeug vollziehen möchte. Doch statt diese Szene kritisch zu beleuchten, übertrifft sich der Film geradezu in seiner komödiantischen Harmlosigkeit, löst sie gleich wieder auf und erreicht damit, daß sich "Schütze Benjamin" an einen Ort ihres Wunsches versetzen lassen darf - nach Paris.

Sie hatte zuvor an einem freien Abend einen charmanten Franzosen kennengelernt, den sie unbedingt in Paris wiedersehen will. Man kann dem Film tatsächlich eine durchgehende Kurzweiligkeit attestieren, angesichts ständig wechselnder Orte und neuer Ereignisse, aber diese werden in ihren Konflikten so vorhersehbar geschildert, daß es Einen graust. Natürlich steht der angebetete Armand, der dazu noch aus reichem adligen Haus stammt, sofort parat und es entwickelt sich eine neuerliche Romanze. Aber auch am guten Armand ist nicht alles Gold ,was glänzt...

Es wird offensichtlich, daß "Schütze Benjamin" die Intention hat, auf amüsante Weise die Entwicklung einer unselbstständigen Tochter reicher Eltern zu einer selbstbewußten jungen Frau zu schildern - eine Rolle ,für die Goldie Hawn geradezu prädistiniert zu sein schien, und die sie später, deutlich konsequenter, in "Overboard" umgesetzt hat. Hier spielte sie tatsächlich in einer reinen Komödie, aber "Schütze Benjamin" will mehr sein und scheitert völlig an diesem Anspruch. Dadurch das hier viele kritische Themen wie Armee, Vergewaltigung und familiäre Probleme angesprochen werden, die aber weder satirisch noch dramatisch schlüssig behandelt werden, verärgert der Film letztlich in seiner Verharmlosung.

Fazit : wahrscheinlich war es mal wieder an der Zeit in Hollywood, die kritischen Zeiten der 70er hinter sich zu lassen. Anders ist die Anzahl der Oscar-Nominierungen für dieses halbseidene Werk nicht nachzuvollziehen, daß damals tatsächlich einen ambitionierten Ruf hatte.

"Schütze Benjamin" kann eine Hälfte lang noch als sanfte Satire gelten, aber spätestens nach dem Besuch der Eltern bei der Army, wird aus dem Film eine vorhersehbare Komödie, die in ihrer Oberflächlichkeit im Umgang mit kritischen Themen verärgert.

Die Schauspielerleistungen sind durchgehend in Ordnung, können aber das schwache Drehbuch nicht ausgleichen und mich nicht daran hindern, festzustellen, daß in diesem Fall der Staub des Vergessens zurecht auf dieses mediokre Werk fiel (4/10).

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